Die Gewinner:

Ferrari: Der Druck auf Ferrari war groß nach einem enttäuschenden Jahr 2016 und wie es scheint, hat die Technikabteilung aus Maranello geliefert: Die ersten Zahlen des neuen SF70H stimmen optimistisch. Mehr als eine halbe Sekunde schneller als der Rest war Kimi Räikkönen bei seiner absoluten Bestzeit des Testwinters. Mercedes kam der vom Finnen am Freitag aufgestellten 1:18.634 Min. noch am nächsten – wenn man dem Weltmeisterteam auch zugute halten muss, dass der Silberpfeil durchweg mit mehr Sprit unterwegs war.
Vettel
Für Vettel und Ferrari sieht es derzeit sehr gut aus
Besonders auffallend: Die Performance der Roten ist auf jeder Reifenmischung konstant und gut. Das Zusammenspiel bei der Abstimmung scheint gut zu funktionieren. Vor dem Hintergrund der Regeländerungen ist das in so einer frühen Phase besonders verblüffend. Pikant: Sebastian Vettel durfte – auch wegen seiner Generalkritik an Pirelli – im Vorfeld ausgiebig für den Reifenhersteller testen. Geschadet hat es ganz sicher nicht.
Gut möglich, dass der Deutsche und Ferrari in ihrer dritten gemeinsamen Saison endlich den Masterplan gefunden haben. Die Experten gehen sogar davon aus, dass Ferrari noch weitere Reserven hat. Auch die Haltbarkeit stimmt. Gravierende technische Pannen gab es bei den Tests jedenfalls nicht.
Alle Zeiten und Kilometer: Die Zahlen zum Test
Mercedes: Die eklatante Dominanz der Vorjahre mag vielleicht weg sein, aber der Maßstab bleibt Mercedes auch für die Saison 2017. Auch wenn ein paar neue Teile nicht auf Anhieb wie erhofft funktionierten; richtige Technik-Pannen gab es bei Mercedes nicht. Die Zuverlässigkeit ist gewohnt stark, nur in Sachen Fahrbarkeit scheint der Ferrari dem neuen Silberpfeil noch etwas voraus zu haben, denn das Auto von Lewis Hamilton und Valtteri Bottas liegt nicht ganz so ruhig wie das der roten Konkurrenz.
Mercedes
Hamilton ist auf jeden Fall wieder ein Titelanwärter
Allein: Über den Speed sagt das noch nichts aus. Der Motor ist 2017 so wichtig wie eh und je und hier haben die Stuttgarter nach wie vor das stärkste Paket. Dass Hamilton den Favoritenstatus zuletzt an Ferrari weitergereicht hat, finden einige im Fahrerlager fast schon grotesk. Red-Bull-Teamchef Christian Horner beispielweise konnte über den Briten nur lachen: „Wahrscheinlich sieht Lewis gerade Sauber als seinen Hauptgegner“, spottete er.
Horner glaubt: „Lewis versucht doch nur, so viel Druck wie möglich auf alle anderen zu schieben.“ Dabei schätzt der Red-Bull-Teamchef gerade Hamilton besonders stark ein. „Er ist bei Mercedes jetzt facto die Nummer 1. Dadurch ist er in meinen Augen ein größerer Favorit als je zuvor.“ Mercedes sei das sowieso. „Sie sind der absolute Favorit. Mercedes hat in den vergangenen drei Jahren mehr als 50 Grands Prix gewonnen. Wir fünf und Ferrari drei“, ordnet Horner das Kräfteverhältnis ein.

Die große Unbekannte:

Red Bull: Horners Mannen hatten definitiv schon schlechtere Testwinter als diesen, auf die dann doch ganz gute Saisons folgten. Außerdem gilt das Jahr 2017 ob des Regelwechsels ohnehin als eine Saison, in der das Entwicklungsrennen wichtiger ist denn je. Hier hat Red Bull mit Adrian Newey nach wie vor eine Waffe. Zumal der Erstentwurf bei den Tests keineswegs einen schwachen Eindruck gemacht hat. Gerade in der zweiten Testwoche steigerte sich Red Bull nach einem verhaltenen Beginn deutlich. Es ist davon auszugehen, dass bis Melbourne noch einmal ein Schritt in Sachen Performance folgt.
Red Bull
Im Schatten: Red Bull spielt weiterhin Verstecken
Das ein oder andere Problem mit der Zuverlässigkeit, die dadurch im Vergleich der Top-Teams etwas magere Laufleistung, Abstimmungsärger und die Limitierung auf der Motorenseite durch Partner Renault trüben das Bild jedoch etwas. In Sachen Aerodynamik ist Red Bull zwar wie gewohnt eine Bank, die ganz großen Zeiten fehlen wegen der mangelnden Power aber noch. Wie schlimm sich das auf die Performance auswirkt, kann erst der Auftakt in Australien zeigen.

Die Verlierer:

Renault: Red Bulls Antriebsproblem betrifft natürlich alle von Renault angefeuerten Teams, vor allem das Werksteam der Franzosen selbst. Nach einem schwachen ersten Jahr der werksseitigen Rückkehr in die Formel 1, hatte man Besserung gelobt und sich auf Fahrerseite immerhin mit einem Hochkaräter wie Nico Hülkenberg verstärkt. Für den Deutschen bleibt zu hoffen, dass Renault tatsächlich noch nachlegen kann. 
Renault
Renault hat noch mit Problemen zu kämpfen
Hinsichtlich Testkilometern und Standfestigkeit konnte Renault bis dato genauso wenig überzeugen wie bei den Rundenzeiten. Für mehr als das Mittelfeld wird es nicht reichen. Wunderdinge waren über einen Winter zwar nicht zu erwarten, aber gemessen an den Ansprüchen hätte man sich vom großen Umbruch und den damit verbundenen Chancen mehr erwartet. Ganz zu schweigen vom Druck, der auch extern schnell wieder aufkommen wird. Denn von Renaults Performance hängen auch die Kunden Toro Rosso und Red Bull ab.
McLaren-Honda: Sechs Motoren verbrauchte die britisch-japanische Allianz in acht Tagen. Das ist absoluter Negativrekord. Eigentlich wollte McLaren-Honda mit einer Neukonstruktion des Antriebs endlich den Anschluss an die Spitze schaffen. Allein: Nicht nur ist der erwartete Fortschritt ausgeblieben, das Team aus Woking hat sogar den Rückwärtsgang eingelegt. Erinnerungen an das Seuchenjahr 2015 werden wach, als der McLaren-Honda ebenfalls weder schnell noch standfest war.
McLaren
Mercedes sieht McLaren wohl nur beim Überrunden

Damals war es für Honda das Comeback. Im vergangenen Jahr blieb man zwar hinter den eigenen Erwartungen, aber es ging wenigstens voran. Der neue Motor, der nach Mercedes-Vorbild gebaut wurde, soll strukturell zu schwach konzipiert sein und weder Temperaturen noch Vibrationen aushalten. Wie beide MCL32 in Melbourne über die volle Renndistanz kommen sollen, ist kaum vorstellbar, wenn man an den beiden letzten von acht Testtagen nicht einmal die 50-Runden-Marke pro Tag knacken kann. 
Sollten sich diese Eindrücke auf den Grand-Prix-Kursen dieser Welt verhärten, wird nicht nur Alonso bald den Stecker ziehen – der Spanier flüchtete sich bei den Tests bereits in Galgenhumor und scherzte: Mit diesem Antrieb könne er jede Kurve Vollgas fahren! Auch für Honda wird es dann eng. Denn das F1-Projekt verschlingt Millionen und dient aktuell nur dazu, die eigene Unfähigkeit beim Bau eines modernen Hybridmotors zu demonstrieren – auf einer weltweiten Bühne, mit dem teuersten Angestellten als eigenem Chefkritiker. Das ist nicht nur in Sachen Medienwirksamkeit ein Desaster.

Von

Frederik Hackbarth