Es passiert gerade das, was alle autoritären Machthaber hassen: Wenn prominente Vertreter ihrer Zunft plötzlich den Drang verspüren, der Welt mitzuteilen, dass die Welt, in der sie leben, gar nicht so rosarot ist, wie sie erscheint. In der automobilen Königsklasse proben ausgerechnet die drei Superstars der Szene gerade den Aufstand gegen die Mächtigen. Sie wollen scheinbar aus dem goldenen Käfig ausbrechen, der sie reich und berühmt gemacht hat.
Fest steht: Lewis Hamilton (36), Sebastian Vettel (34) und Fernando Alonso (40) nehmen kein Blatt mehr vor den Mund, wenn es darum geht, den Besitzern und Regelmachern der Formel 1 den Spiegel vorzuhalten. Sowohl der Rechteinhaber Liberty als auch der Automobilverband FIA bekommen kräftig ihr Fett weg. Doppelmoral und Geldgier wird ihnen vorgeworfen, versteckt hinter der Fassade von fadenscheinigen Marketingkampagnen.
Hinweis
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Die drei Freiheitskämpfer brechen damit interne Gesetze, die seit Jahren Gültigkeit in der Formel haben: Rede nie über Politik, rede nie über Menschenrechte, stelle nie Entscheidungen von den Machern in Frage. Schon seit Jahren existiert ein eigens zu diesem Zweck geschaffener Paragraph im Gesetzbuch der FIA. Als 151c wird er im Internationalen Sport Kodex geführt und darin heißt es sinngemäß: Wer dem Sport schadet, wird bestraft. Auch kritische Worte fallen unter das extrem dehnbare Gesetz, dessen Willkür man sonst nur in von Diktatoren geführten Ländern kennt.
Allein: Würde drei junge, unerfahrene Piloten den Mund soweit aufreißen, hätten Liberty-Chef Stefano Domenicali und FIA-Präsident Jean Todt kein Problem, die Aufsässigen wegen Paragraph 151c schnell wieder aus ihrer Luxusblase verschwinden zu lassen. Ihr Pech aber ist: Hamilton, Alonso und Vettel vereinigen 13 WM-Titel und fast 200 Grand-Prix-Siege.
Sebastian Vettel und Lewis Hamilton
Bild: Mercedes
Es wäre derer weltweiten Fangemeinde nicht zu vermitteln, warum sie plötzlich keinen Arbeitsplatz mehr im rasenden Milliardenzirkus bekommen könnten. Das wissen die Drei, deshalb machen sie munter weiter, die Entscheidungsträger bis aufs Blut zu reizen. Die machen in der Öffentlichkeit gute Miene zum Aufstand der alten Männer, doch intern kochen sie.
Dabei haben sich Hamilton, Vettel und Alonso gar nicht abgesprochen. Sie machen lediglich eine ähnliche Entwicklung durch auf ihrer Suche nach sich selbst. Alle haben eins gemein: Sie wurden schneller berühmt als erwachsen und die Jagd nach schnellen Rundenzeiten verhinderte den frühen Blick in den Spiegel, um sich selbst zu sehen und ihre Bestimmung außerhalb des Rennautos.
Jahrelang fremdbestimmt, schnitten sie nach und nach die Ketten ab, die man jungen Luxussklaven anlegt. Hamilton stand schon früh unter der Fuchtel von seinem Entdecker, Förderer und Chef Ron Dennis, dem legendären und berüchtigten Teamchef und Mitbesitzer von McLaren. „Ron bestimmte, wann ich zum Frisör gehen sollte,“ erzählte Hamilton einmal, „und was ich wie der Presse sagen sollte.“ Frei fühlte er sich erst, als er 2013 zu Mercedes wechselte.
Sein schrilles Auftreten heute hat viel mit seiner Zeit als „McLaren-Sklave“ zu tun. Heute ist Hamilton Vorkämpfer gegen Rassismus. Er war der erste, der im Fahrerlager entsprechende T-Shirts trug. Um ihren globalen Goldesel milde zu stimmen, führten die Formel-1-Macher ihre „Race as one“-Kampagne ein und Mercedes färbte seinen „Silberpfeil“ schwarz.
Danach wachte auch Vettel auf. „Da gab es kein Drama oder einen speziellen Moment, der alles verändert hat“, sagt er der Augsburger Allgemeinen. „Wir leben in einer Zeit, in der es wichtige Themen zu verstehen und zu verändern gibt. Um unsere Zukunft auf der Erde zu sichern, müssen wir uns mehr um sie kümmern. Oder wenn es um Menschenrechte, Gleichheit oder darum geht, wie wir Menschen behandeln. Das ist ein Prozess. In jüngeren Jahren sieht man manches vielleicht noch nicht. Je älter man wird, desto klarer werden einem einige Dinge.“
Allein: Seine Dinge sind heute so klar, dass er sich für Umweltschutz einsetzt und auf Verletzung der Menschenrechte aufmerksam macht. Mit Shirts oder Helmdesigns, die bei jedem Rennen wechseln, nimmt er dabei auch die Manager seines Sports in die Pflicht. Aber vor allen Dingen agiert er mit klaren Worten, die oft die Doppelmoral der F1-Manager entlarven. Beste Beispiel: Er weigerte sich trotz Aufforderung während der Nationalhymne zum GP von Ungarn sein eigens angefertigtes Regenbogen-Shirt auszuziehen.
„Wir haben die Aufgabe, die richtigen Leute zu finden, die unseren Sport führen. Dabei muss man bedenken, dass oft auch finanzielle Aspekte eine Rolle spielen. Es gibt aber Situationen, in denen sich die Verantwortlichen fragen müssen, ob sie eine Moral haben. Vielleicht muss man auch mal zu einem großen Deal nein sagen,“ kritisiert er und meint dabei die Vergabe von GP-Rennen nach Saudi-Arabien, Katar, China oder in die Türkei – Länder, die Menschenrechte oder Umweltschutz nicht auf ihrer Agenda stehen haben und die Formel 1 für viel Geld dazu benutzen, um von ihren moralischen Verfehlungen abzulenken.
Fernando Alonso
Bild: Alpine
Alonso denkt weniger politisch, bezweifelt aber die Objektivität des Automobilverbandes, wenn es um Bestrafungen geht. Er kritisiert, dass die Königsklasse ein Sport ist, der hauptsächlich von Briten gelenkt und bestimmt wird. „Die meisten Teams sitzen in England, die meisten Medienvertreter kommen von der Insel.“
Der Spanier wirft ihnen allen gegenseitige Abhängigkeit vor und behauptet: „Nicht britische Fahrer haben es schwer. Das bekam ich zum Beispiel 2007 zu spüren, als ich bei McLaren gegen Hamilton fahren musste. Ich war alleine im Team.“ Der zweimalige Weltmeister geht sogar noch weiter: „Ich habe die Vermutung, dass die Nationalität eines Fahrers bei der Art der Bestrafung eine Rolle spielt.“ Soll heißen: Mit britischen Fahrern gehen die Verbandspolizisten milder um.
Hinweis
Formel 1 in der Übersicht bei SKY Q
Allein: Die Frage, wie weit die Drei von der Zankstelle in Zukunft mit ihren Protest-Aktionen noch gehen werden, ist mindestens so spannend wie der sportliche Titelkampf in der Königsklasse.
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Von

Ralf Bach