Herr Agag, vier verschiedene Sieger in den ersten vier Rennen – mit dem Start in die Gen2-Ära müssen Sie ja sehr zufrieden sein, oder?
Alejandro Agag (48): Absolut! Vor allem bin ich auch erleichtert. Ganz ehrlich: Ich war schon etwas besorgt darüber, ob die neuen Batterien wirklich eine ganze Renndistanz halten würden. Aber diese Fragezeichen sind geklärt, die Batterien haben sogar den extrem hohen Temperaturen in Chile getrotzt.
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Dass die Saison so gut läuft, ist auch dem Attacke-Modus zu verdanken, den die Fahrer im Rennen für eine bestimmte Zeit aktivieren müssen und der durch den Leistungszuschuss das Überholen erleichtert. Wie kam es zu dieser Idee?
Nach dem Wegfall der Autowechsel brauchten wir ein neues strategisches Element. Wir haben uns viele Gedanken über Joker-Runden mit alternativer Streckenführung gemacht. Aber wir wollen Elemente aus Videospielen integrieren – um junge Zuschauer zu gewinnen. Da hat uns die Stern-Funktion bei Mario Kart inspiriert.
Die deutschen Akteure spielten bisher eine Hauptrolle. BMW hat gleich das erste Rennen gewonnen. Hat Sie das überrascht?
Um ehrlich zu sein, ja. Andretti (das BMW-Team; d. Red.) war letztes Jahr nicht besonders stark. Wobei: Ich bin fest davon überzeugt, dass sie ein hervorragendes Rennteam sind. Aber ihnen fehlte die Technik-Expertise, die jetzt von BMW kommt. Sie hätten mehr Rennen gewinnen können. Und der Crash in Marokko war nicht nur gut für die Show, sondern auch für den Sport. Denn wir wollen zeigen, dass sich die Fahrer richtig bekämpfen.
Pascal Wehrlein hat mit Platz zwei in Chile auch einen sensationellen Einstand gegeben und hätte in Mexiko fast gewonnen ...
In dem Fall wusste ich das. Er ist ein sehr guter Fahrer, der die Formel E aufwertet. Ich bin mir sicher, er wird noch diese Saison ein Rennen gewinnen. Er hat jedenfalls das Potenzial dazu und wird mit zunehmender Erfahrung immer besser.
„Mit Mercedes und Porsche wird Serie gigantisch“
Der neue Elektro-Porsche feierte diese Woche sein Debut auf der Rennstrecke.
Im Dezember kommen dann auch Porsche und Mercedes. Was erwarten Sie von denen?

Mercedes dominiert die Formel 1, und Porsche hat alles gewonnen, was sie in Angriff genommen haben – zuletzt die 24 Stunden von Le Mans. Das sagt schon alles. Die Formel E ist schon jetzt eine fantastische Meisterschaft. Mit den beiden Herstellern wird sie gigantisch.
Daher kommen jetzt schon Ideen zu einer Fusion mit der Formel 1 auf. Was halten Sie davon?
Ich habe viele Wünsche, aber nicht alle lassen sich realisieren (lacht). Wir haben die Exklusivnutzungsrechte für E-Motoren im Formelsport bis 2039 – inklusive Brennstoffzellentechnik. Eine Fusion mit der Formel 1? Vielleicht, aber sicherlich nicht in nächster Zeit.
Was sind die nächsten Schritte der Formel E? Audi-Pilot Lucas di Grassi wünscht sich zum Beispiel zwei E-Motoren und 700 PS Leistung. Ist das der künftige Weg?
Was er meint, ist je ein Motor an der Vorder- und an der Hinterachse – also Allradantrieb. Das ist aber nicht die Lösung, die ich bevorzuge. Ich stimme ihm zu, dass die Autos noch schneller werden müssen. Und das werden sie auch. Wir werden bei jeder neuen Generation stärker und schneller. Aber wir wollen relevante Technologien wie Schnellladebatterien – also Induktionsschleifen, die in der Boxengasse angebracht werden und die beim Überqueren die Batterien aufladen. Wer schneller drüberfährt, kriegt weniger Energie und umgekehrt. Das wäre auch ein strategisches Element. Noch sind wir aber nicht so weit
E-Autos stehen aber auch wegen ihrer Lithium-Ionen-Batterien, deren Herstellung problematisch ist, in der Kritik. Plant die Formel E da schon Alternativen?
In unserer neuen Offroad-Serie Extreme E werden wir versuchen Kobalt mit Niobium zu ersetzen. Aber wir alle warten natürlich auf den großen Durchbruch bei der Batterietechnik. Das ist aber noch nicht für das neue Gen3-Auto 2022 zu erwarten.

Von

Michael Zeitler