Hersteller und Tuner hatten es im letzten Jahrhundert einfacher. An eine Kompakt-Granate wie den Ford Escort Cosworth stellte niemand allzu hohe Erwartungen. Funktionieren musste und tat er nicht immer, der Turbo-Bums entschädigte für alle Macken. Heutige Ford-Fahrer sind anspruchsvoller: Leistung bitte reichlich, Emotionen unbedingt, auf eine Dauerkarte für den Pannenstreifen wird aber gern verzichtet. Wir präsentieren zwei Gefährte, die sich bemühen, alle Bedürfnisse unter einen Hut zu bekommen. RMS-Line – hervorgegangen aus Richter Motorsport – und Wolf Concept nehmen sich den fünfzylindrigen Ford Focus ST zur Brust. Gelingt der Spagat?

Tiefer ist besser: Asphaltschlürfende Frontschürze bei RMS-Line.
Mit erfreulich aufsehenerregendem Styling schwimmen die erstarkten Kölner durch den uniformen, silber-schwarzen Alltagsverkehr. Dafür sorgen nicht nur die knalligen Lackierungen ab Werk, sondern auch sinnvoll angeordnetes Zierwerk. Besonders die asphaltschnüffelnde Frontspoilernase des RMS-Focus entlockt dem Vordermann ehrfurchtvolle Blicke in den Rückspiegel. Einmal überholt, bestaunt er die tropfenförmig gestylten Rückleuchten. Beim Wolf-ST sind dagegen die geriffelten C-Säulenverkleidungen sowie ein mächtiger Vierrohr-Auspuff vorherrschendes Gesprächsthema.

Wer den Zündschlüssel umdreht, bekommt Gänsehaut-Sound im Doppelpack. Das kehlige Gurgeln des schluckfreudigen Volvo-Fünfzylinders (bis zu 25 Liter Super Plus bei schneller Fahrweise) posaunen die modifizierten Abgasanlagen in die Welt hinaus, untermalt von gelegentlichem Knallen bei Gaswegnahme. Die Tuner garnieren das akustische Spektakel auf unterschiedliche Art und Weise. Das Auto von Wolf macht mit lautem Turbopfeifen des mit vergrößertem Abgas- und Verdichterrad versehenen Laders auf sich aufmerksam. Beim Focus ST von RMS-Line zwitschert fröhlich das Pop-off-Ventil.

Enttäuschend: Bis 160 km/h liegen Tuning- und Serien-Focus gleichauf.
Eine sinnvolle Ergänzung zu all dem Ohrenschmaus bildet der plötzlich einsetzende Turboschub alter Schule. RMS-Line bietet 30 PS mehr (255 statt 225 PS), Wolf verspricht 75 Pferdestärken mehr (300 PS). Angesichts der ruppig einsetzenden Serienkupplungen fallen saubere Gangwechsel jedoch auch bemühten Fahrern schwer. Selbst wenn die Räder irgendwann Halt finden, zerren starke Antriebseinflüsse an der Lenkung. Beim Wolf-ST kehrt erst bei 140 km/h Ruhe ein, beim Konkurrenten etwas eher. In Anbetracht dieser gefühlten Leistungsexplosion macht sich beim Blick auf die Messwerte Ernüchterung breit. Dem Serienauto fährt bis 160 km/h weder der eine noch der andere davon, was besonders für den nominell 75 PS kräftigeren Wolf eine Riesen-Enttäuschung darstellt. Oder stand etwa das serienmäßige Kölner Referenzfahrzeug bei unseren Messungen besonders gut im Futter? Möglich ist es, denn allein an den geringfügig größeren Rädern (Serie 18 Zoll, Tuner 19 Zoll) kann es nicht liegen.

Dass der Wolf-ST auch bei der Elastizitätswertung keinen Stich macht, liegt vor allem am verzögerten Ansprechen des größeren Laders. Zudem schraubt bei Vollgas ein Überhitzschutz angesichts hoher Öltemperatur den Ladedruck zurück. Unser Messgerät registriert deshalb nur magere 238 km/h Spitze. Schade, die Eckdaten suggerieren weit mehr Potenzial. Der RMS-Focus kennt derlei Thermikprobleme nicht und zieht sich mit 250 km/h deutlich besser aus der Affäre.

Optische Täuschung: Auf der Renstrecke liegt Wolf hinter RMS.
Nicht nur im Alltagsverkehr, sondern auch auf der Rennstrecke: Dort knöpft er dem serienmäßigen ST 1,5 Sekunden pro Runde ab. Offensichtlich funktioniert die Leistungssteigerung also doch, wenn es darauf ankommt. Leider bietet RMS-Line für sein Power-Kit im Gegensatz zu Wolf noch keinen TÜV an, was einer Empfehlung momentan noch im Wege steht. Im Lauf des Jahres soll jedoch eine Freigabe erfolgen. Der Wolf-Focus kämpft sich in der Motorsport Arena Oschersleben erst vier Sekunden nach dem RMS-Fahrzeug über die Ziellinie.

Sein verzögert und ruppig einsetzender Turboschub schraubt die bereits ab Werk begrenzte Traktion auf ein Minimum zurück. Hoffnungsloses Untersteuern ist die Folge. Beide Veredler bieten optional zwar ein Sperrdifferenzial an, die Testwagen waren damit jedoch nicht bestückt. Wir raten nachdrücklich dazu. Auch eine modifizierte Bremsanlage täte Not: Schon nach zwei Runden Rennstrecke lechzen die Werks-Stopper nach einer Abkühlphase. Fehlerfreie Spaßgaranten sind also beide Autos nicht. Bisweilen gilt eben auch für moderne Fahrgeräte: Leidenschaft und Leidensgeschichte liegen näher beisammen, als es dem Fahrer lieb sein kann. Der Cossi lässt grüßen.

Fazit von AUTO BILD SPORTSCARS-Autor Frank Wiesmann:

RMS Line Focus ST Mit der schnellsten gemessenen Rundenzeit eines getunten Focus ST fährt der RMS auf Platz eins. Minus: Im Sprint liegt er mit der Serie gleichauf, dem Power-Kit fehlt noch der TÜV-Segen. Wolf Concept Focus ST Seiner ungestüme Kraftentfaltung macht den Wolf zum Turbo-Tier, verhindert aber eine gute Pisten-Performance. Auf der Autobahn fühlt er sich wohler – wenn die Thermik stimmt.

Von

Frank Wiesmann