Neue EU-Richtlinie

Garantie klingt gut und vertrauensvoll. Das wissen die Autohersteller und haben fleißig damit geworben. Erst recht, seitdem der Bundesgerichtshof die Neuwagenverkaufsbedingungen nach dem Verständnis der Kunden auslegte. Die hatten unter der gesetzlich vorgeschriebenen Gewährleistung eine Vollgarantie verstanden. Dabei blieb es. Was in der Garantiezeit kaputt ging (Ausnahmen: Verschleiß oder Fahrlässigkeit), wurde kostenlos repariert oder ersetzt.

Das soll auch weiter so sein, doch juristisch hat sich etwas geändert. Seit 1. November bieten einige Autohersteller statt der Einjahresgarantie 24 Monate Gewährleistung. Spätestens ab 2002 müssen alle nachziehen. Hintergrund: Die Europäische Union fordert für neue Waren eine gesetzliche Gewährleistungspflicht von zwei Jahren. Dieser EU-Verbrauchsgüter-Richtlinie musste Deutschland folgen. Bei uns heißt sie Schuldrechtsreform, ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert und gilt ab Januar 2002, egal ob für einen Toaster oder ein T-Modell.

Aber: Gewährleistung ist nicht gleich Garantie. "Die Gewährleistung ist eine gesetzliche Vorgabe, Garantie eine freiwillige Leistung", erklärt Edda Castello von der Hamburger Verbraucherzentrale. Deswegen kann eine Neuwagengarantie an Konditionen geknüpft werden, wie maximale Laufleistung oder Wartung in der Markenwerkstatt. Die Gewährleistung ist bedingungslos. Doch sie bedeutet meist weniger, als die alte Garantie.

Gewähr mit Einschränkungen

Aus sechs Monaten Gewährleistung werden ab 2002 volle zwei Jahre. Außerdem gilt in den ersten sechs Monaten die Beweislastumkehr: Der Kunde muss nicht den Fehler, sondern der Verkäufer die Fehlerfreiheit beim Verkauf beweisen. Das ist so gut wie eine Garantie, denn welcher Verkäufer wird das Auto vorher zerlegen, um später Fehlerfreiheit belegen zu können? Keiner natürlich. Aber ab dem siebten Monat gilt in der neuen Gewährleistungsfrist wieder der normale, bisherige Weg – der Kunde muss die Fehlerhaftigkeit beim Kauf nachweisen. Kann er das nicht, ist er auf die freiwillige Kulanz des Verkäufers angewiesen.

"Wir halten uns wie bisher an die gesetzlichen Bestimmungen", betont BMW-Sprecher Uwe Mahla und sieht Händler ab dem siebten Monat nicht in der Pflicht, sondern nur in der Freiwilligkeit. Das kann für den Kunden teuer werden. Zwar darf der Hersteller Inspektionen beim Markenhändler nicht vorschreiben (Gewährleistung ist bedingungslos), aber er hat damit ein Druckmittel für Kulanz in der Gewährleistungszeit von Monat sieben bis 24. Citroën-Sprecher Thomas Albrecht sieht das nicht dramatisch: "Es wird weiter Kulanz geben. Wir gewähren, wie von André Citroën 1930 eingeführt, ein Jahr Garantie plus ein weiteres Jahr Gewährleistung."

Echte zwei Jahre Garantie ohne Beweispflicht für den Kunden gibt es bei Alfa, Fiat, Lancia, Ford, Opel, Porsche und Saab. Doch BMW und Renault wie auch VW mit seinen Marken Audi, Seat und Skoda bieten künftig nur die zweijährige Gewährleistung. Keine Rede von Garantie. Unter der Hand geben Konzernangestellte sogar offen zu, dass die neue Regelung schlechter ist als die alte Garantie, auch wenn es kulant zugehen soll: "Wir werden den Kunden nach Ablauf der ersten sechs Monate nicht in Beweisnot bringen", erklärt Harthmuth Hoffmann von VW. Rechtlich ist der Kunde aber mehr denn je auf das Wohlwollen der Hersteller angewiesen. Denn die lassen sich damit ein Hintertürchen offen, wenn der Kunde sich nicht markentreu verhält. Kostenschinderei. Dabei ist es kein Geheimnis, dass Garantiekosten auch bisher in die Preise einkalkuliert waren.

Neue Verbraucherrechte

"Letztlich wird der Wettbewerb alle zur Garantie und damit zur umfassenden Gewährleistung zwingen", glaubt Saab-Sprecher Olaf Meidt. Denn welcher Kunde würde verstehen, warum die gute neue Regelung schlechter sein soll als die alte?

"Das neue Gewährleistungsrecht ist in jedem Fall ein Gewinn", bestätigt Verbraucherjuristin Castello. Denn das regelt für den Käufer auch Nachbesserung/Reparatur, Ersatzlieferung oder Minderung sowie Rücktritt vom Kauf. Diese Möglichkeiten standen früher nur in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Kaufverträge. Mehr Rechte gibt es auch bei falschen Werbeaussagen. Wer ab 1. Januar 2002 einen Drei-LiterVerbrauch verspricht, muss das halten. Gleiches gilt für Montageanleitungen, die so genannte Ikea-Regel. Wer nicht narrensicher beschreibt, wie die Dachbox anzubauen ist, haftet für mögliche Schäden. Haften muss der Handel, nicht der Hersteller.

Gewährleistung von einem Jahr gilt auch für Autoreparaturen. Dazu zwei Jahre auf Neuteile, ein Jahr auf Gebrauchtteile. Was vermutlich dazu führen wird, dass Werkstätten aus Risikogründen nur noch Ident- und keine Gebrauchtteile mehr einbauen werden. Denn sie haften nicht nur für das Teil, sondern tragen zudem die mit dem Teileersatz entstehenden Arbeitskosten. Die vor allem von Versicherungen geforderte zeitwertgerechte Gebraucht-Reparatur steht damit vor dem Aus.

Mehr Ehrlichkeit im Autohandel

Gekauft wie gesehen – das stand in fast jedem Kaufvertrag für ein gebrauchtes Auto. Mit dieser Generalklausel konnte jeder Händler die gesetzliche Gewährleistung von sechs Monaten ausschließen. Sobald der Kunde unterschrieben hatte, konnte er Mängel am Auto nicht mehr reklamieren. Das ist vorbei. Mit der EU-Reform ist der übliche Ausschluss der Gewährleistung (gekauft wie gesehen) nicht mehr zulässig: Der Händler haftet für Mängel. Maximal zwei Jahre, verkürzt werden darf auf ein Jahr.

In jedem Fall muss der Händler bei Schäden im ersten halben Jahr beweisen, dass diese beim Verkauf nicht vorhanden waren. Kann er das nicht, zahlt er die Reparatur. Das ist wie beim Neuwagenkauf fast wie eine Garantie. Die Folge wird wohl mehr Ehrlichkeit im Handel sein. Denn schon im Kaufvertrag wird der Verkäufer Vorschäden und mögliche Mängel so exakt wie möglich beschreiben, um spätere Reklamationen auszuschließen. Wer die Mängel vorher kennt, kann sich nachher nicht beschweren. Gutachten von TÜV (autocert) oder DEKRA (Gütesiegel) werden vermutlich verstärkt bei Gebrauchtwagen mit angeboten. Haften müssen aber nur Autohändler oder Selbstständige (Handwerker, Arzt), die ihren Firmenwagen an privat verkaufen. Allerdings nur beim Verkauf auf eigene Rechnung: Tritt der Händler nur als Vermittler für den privaten Verkäufer auf, haftet der Händler nicht. Das gilt natürlich nur, solange so ein Agentur- oder Kommissionsgeschäft nicht betrügerisch betrieben wird.

Beim Verkauf unter Privatleuten gilt die Gewährleistung nicht – sofern sie schriftlich ausgeschlossen wurde.

Vorsicht beim Privatkauf

Die neue Regelung hat vor allem zwei Folgen: Ältere, störungsanfällige Fahrzeuge werden wegen ihres Mängelrisikos weniger im Handel zu finden sein. Und: Der Privathandel, der rund die Hälfte aller Geschäfte ausmacht, wird noch stärker unter Preisdruck geraten. Denn dort gibt es auch weiterhin keine Gewährleistung (sofern schriftlich ausgeschlossen!), und das Risiko, ein unehrliches Auto angedreht zu bekommen, wird noch größer. Unseriöse Händler werden diese Schiene nutzen, um über Mittelsmänner ungeschoren Fahrzeuge zu verkaufen.

Schon jetzt ist das Reparaturrisiko beim Privatkauf doppelt so hoch wie beim Kauf im Fachhandel, schätzt der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK). Vor solchem Kaufrisiko schützt nur eine Gebrauchtwagengarantie, wie sie beispielsweise vom Bosch Service auch für Privatleute angeboten wird. Andere Anbieter werden vermutlich folgen, wenn die Nachfrage für solche Gebrauchtwagengarantien wächst.