Lautloser Start in den Feiertags-Stau

Es ist früh, sehr früh, als Projektleiter Frank Franke zum Aufbruch drängt. Um 6.45 Uhr sitzt die Testmannschaft vollzählig in den Autos und startet die Motoren. Die beiden US-Gefährte tun das mit deutlich hörbarem V8-Gebrummel. Völlig ungewohnt dagegen der Lexus RX 400h. Er bleibt still, obwohl ich den Schlüssel umdrehe. Erster Gedanke: Wegfahrsperre! Muß sie noch irgendwie deaktiviert werden? Nö, daran liegt es nicht, daß der Lexus keinen Laut von sich gibt. Zweiter Gedanke: Starterbatterie alle! Aber auch das ist es nicht. "Er läuft doch", gibt Toyota-Sprecher Peter Wandt Entwarnung. Mit einem triumphierenden Lächeln zeigt er auf das linke der drei Rundinstrumente. "Ready", steht dort, und ready heißt fertig. Es kann losgehen.

Erste Erkenntnis: Einen RX 400h zu fahren ist anders; anders jedenfalls als bei normalen Autos. Beim Starten springt kein Verbrennungsmotor an, sondern die Schlüsselumdrehung bringt nur die beiden E-Motoren in Bereitschaft. Ich drücke leicht aufs Gas. Fast völlig lautlos fährt das silberne SUV an. Das Abrollgeräusch der Reifen ist lauter als das vornehme Summen der E-Triebwerke. Toll: Die ersten Meter geht es nur mit Elektrokraft vorwärts. Dann stehen wir schon wieder. Die Ampel ist rot. Mit einem spürbaren Vibrieren springt plötzlich der Benzinmotor an. Fragende Blicke: Warum das, wenn wir stehen? "Muß er machen, um den Katalysator vorzuwärmen", erklärt Hybridspezialist Wandt. Er lächelt noch immer. Oder schon wieder? Egal, man sieht ihm die Freude über den RX 400h an. Der Toyota-Mann ist von seinem Produkt begeistert und prophezeit dem Elektro-Benzin-Mischantrieb eine gute Zukunft, und das nicht weil er bei der japanischen Autofirma arbeitet, sondern weil Wandt ein Überzeugungstäter ist.

8.15 Uhr: Wir haben vielleicht drei Kilometer geschafft und sind immer noch mitten in Manhattan. Grund: Am heutigen 17. März ist St. Patrick's Day und die New Yorker feiern den irischen Feiertag mit großen Tam-Tam. Darum besteht AUTO BILD-Fotograf Volker Corell auch darauf, unseren Testwagen mit einer Paradegruppe zu fotografieren. Was wie ein aussichtsloses Unterfangen anmutet, gelingt tatsächlich. Bereitwillig scharen sich festlich gekleidete Polizisten und kostümierte Irland-Touristen um den Lexus und wünschen gute Fahrt. Anschließend heißt es bye bye New York, bye bye Stau, San Francisco wir kommen. Durch den Holland-Tunnel rollen wir nach New Jersey. Im Rückspiegel verschwindet die imposante Skyline des Big Apple.

USA, die Uniformed States of America

Doch bevor wir wirklich mit dem Meilenfressen beginnen, ist noch ein Tankstop nötig. Ganz wichtig: Akribisch wird der Meilenstand notiert und die Tanks aller drei Autos identisch gefüllt. Weiter geht’s und Amerika verändert schlagartig sein Gesicht. Statt Wolkenkratzern gibt's Wald, statt lautem Hupkonzert idyllische Holzhäuser. Dazwischen immer wieder die obligatorischen McDonald's-, Burger-King- und Kentucky-Fried-Chicken-Filialen. Egal wo man ist, vieles sieht gleich aus. USA könnte auch für "Uniformed States of America" stehen.

Schnell spulen wir 200 Meilen auf den Tacho. Die Tanknadel des Lexus läßt das unbeeindruckt. Nur zögerlich wandert sie von links nach rechts und steht noch immer in der Nähe der F-Markierung, F wie "full". Ein erstes Indiz für die Verbrauchsvorteile des Hybrid-SUV? Dabei kann er auf dieser Art Streckenprofil seine Vorzüge nur teilweise ausspielen. Der Interstate 80 (I 80) schwingt mit der Landschaft leicht auf und ab, und unser Test-Trio gleitet mit 60 bis 80 Meilen pro Stunde (etwa 100 bis 130 km/h) konstant gen Westen. Ziemlich zügig für US-Verhältnisse, meinen wir und werden eines Besseren belehrt. Wenn wir langsamer als 70 werden, donnern dicke Laster gnadenlos an uns vorbei und fordern volle Konzentration. Und das sind nicht nur ein oder zwei Wahnsinnige.

Nein, der zweispurige Highway ist proppevoll mit den typischen US-Trucks von Peterbilt, Mack, Whitestar, Kernworth und Freightliner. Kein Wunder: Die I 80 ist für Amerika das, was für Deutschland die A2 ist – eine der wichtigsten Ost-West-Tangenten des Landes. Und in diesem Bereich verbindet sie die bevölkerungsreiche Ostküste mit den Industrieregionen rund um die Großen Seen. Erstaunlich wenige Pkw sind hier unterwegs. Nur vereinzelt verstecken sich einige Ford, Buick und Chevys in den Lücken der Brummi-Kolonne.

Stunde der Wahrheit an der Zapfsäule

17 Uhr, der nächste Tankstop naht und die Spannung steigt. Eine BP, 50 Meilen vor Cleveland (Ohio), wird es an den Tag bringen: Wie sparsam ist der Wunder-Lexus wirklich? Als erstes rollt der GMC Yukon an die Zapfstelle. Sein Tageskilometerzähler zeigt exakt 328,3 Meilen an. Der Sprit läuft und läuft und läuft ..., dann macht die Zapfpistole ihr metallisches Klick. 18,71 US-Gallonen hat er sich genehmigt, also 70,82 Liter für 528,35 Kilometer. Peter Wandt zückt den Taschenrechner und verkündet erwartungsfroh: "13,41 Liter auf 100 Kilometer." Gar nicht mal so übel für einen V8-Giganten. Als nächstes ist der Lincoln Navigator dran. Bei ihm stoppt die Zapfpistole bei 19,98 Gallonen. Umgerechnet ist sein Verbrauch noch einen Schluck schlechter: 13,61 Liter auf 100 Kilometer.

Und der Lexus? Bei ihm sprudelt der Sprit spürbar kürzer in den Tank. Schon bei 13,5 Gallonen schaltet die Pistole ab. Rechenkünstler Wandt ermittelt einen 100-Kilometer-Verbrauch von 9,7 Liter. Noch deutlicher wird der Unterschied an der Kasse. Während für den Yukon 43 und für den Navigator 46 Dollar fällig werden, kostet der Lexus-Sprit für die gleiche Strecke 31 Dollar. Okay, die ganz große Offenbarung ist das sicherlich nicht. Doch die Verbrauchsdifferenzen sind erheblich. "Und wenn wir wie bald in Chicago mehr durch díe Stadt müssen, wird der Unterschied noch viel gravierender", ist sich Wandt sicher.

Ob gravierend oder nicht, so viel steht nach der ersten Etappe jetzt schon fest: Toyotas Hybridtechnik hat ihre Reize, vor allem technische, aber auch eine ordentliche Portion Fahrspaß. Was den RX 400h so spannend macht, lesen Sie in der zweiten Folge des Hybrid-Tour-Tagebuchs.