Gewerbegebiete, Prärie und Stacheldraht

Linda mag ihren Job. Seit 31 Jahren lenkt sie Schulbusse, die stets fröhliche Misses Fleming mit einem -m-. Erst in Kalifornien, dann in Vermont, jetzt in Cheyenne. 300 Meilen reißt sie pro Schultag ab. Das sind rund 500 Kilometer. Tag für Tag. Fünfmal die Woche. Ab in die Wallachei mit dem gelben Ungetüm, zurück ins Busdepot. Mittagspause, wieder in die Wallachei, wieder zurück ins Busdepot. Seit 21 Jahren. Mindestens zwei werden es wohl noch, dann winkt der vorgezogene Ruhestand.

"Gestern war es heikel", sagt die 56jährige. Schnee, viel Schnee. Nicht ungewöhnlich hier, Cheyenne liegt auf über 2000 Metern Höhe. Was aber nicht auffällt: Hier sieht es aus wie in einem flachen John-Wayne-Schinken. Prärie und Stacheldrahtzäune, sobald die Gewerbegebiete aufhören. In der Stadt restaurierte Saloons. Gut, die zwei Meter hohen steinernen Cowbowstiefel vorm Bahnhof hätten am Western-Set für Unverständnis gesorgt. Aber die Männer tragen Hut, und fast jeder fährt eines dieser allgegenwärtigen, nach europäischen Maßstäben schlicht überdimensionierten US-SUV, die Kutschen der Neuzeit. Wir auch.

GMC Yukon und Lincoln Navigator heißen unsere Begleitfahrzeuge. Riesige Kisten, die in Deutschland nur echte Fans kennen (und dennoch nicht kaufen). "Eigentlich wollten wir etwas kleinere Konkurrenzmodelle mit auf die Tour nehmen", erklärt Peter Wandt. "Das hat aber nicht geklappt. Sobald man hier mit einem Mietwagen den Bundesstaat verläßt, schränken die Vermieter die Auswahl gnadenlos ein." Jeep Cherokee, Ford Explorer, Chrysler Pacifica – alle ausgebucht. Porsche Cayenne, BMW X5, Volkswagen Touareg – nix zu machen bei den direkten Import-Konkurrenten. Die gibt es als Mietwagen wenn überhaupt in den Metropolen, aber nicht für Überlandfahrten, geschweige denn für 5500-Kilometer-Trips von Küste zu Küste.

Benzinvernichter an allen Ecken

Der schärfste Mitbewerber, die neue M-Klasse von Mercedes-Benz, kommt erst Mitte April auf den Markt, zeitgleich mit dem Hybrid-RX. Also begleiten uns Omnisuvs. Was aber paßt: Wer den mittleren Westen der USA bereist, bekommt kaum was anderes zu sehen als die fünf Meter und mehr langen Brocken. Daß dieses Land dringend Öl braucht, leuchtet ein. Überall stehen sie rum: auf den riesigen Fast-Food-Ketten-Parkplätzen, vor den gigantischen Supermärkten, vor den mobilen Eigenheimen an den Ausfallstraßen. Wenn jeder vierte oder dritte Fahrer mittelfristig auf ein Hybrid-SUV umsteigen und seine Benzinvernichtungsmaschine in die heiligen Wrackgründe schicken würde, gäbe es die Gallone Super vielleicht wieder für unter zwei Dollar.

Wer Cheyenne in Richtung Westen verläßt, klettert weiter. Langsam, unauffällig, aber stetig. Bis auf 11.000 Fuß geht es hoch, rund 3350 Meter. Da wollen wir auch hin. Klappt aber nicht: "Straße nach 33 Meilen gesperrt", warnt ein Schild, das per Kurbel auf- und zugeklappt werden kann. Unsere Bemühungen, über mehr oder weniger befestigte Nebenstraßen nach oben zu kommen, blasen wir nach zwei, drei vergeblichen Versuchen ab. Also zurück auf die Interstate 80.

Salt Lake City lautet das nächste Ziel. 358 Meilen (576 km) trennen uns nach dem letzten Abstecher in die Berge von der Mormonen-Stadt. 75 mph (miles per hour) erlaubt der amerikanische Gesetzgeber, plus zehn Prozent Toleranz. Macht 130 bis 140 km/h. Das reicht auf den buckligen Highways allemal. Wer an den deutschen Autobahnen verzweifelt, dem sei dringend ein Trip in die Staaten angeraten. Das versöhnt mit BABs und Landstraßen.

Höhe und Tempo treiben den Verbrauch

Die Landschaft gleitet als Kulisse vorbei. Grandiose Weiten, schwarze Longhorns, vereinzelt Pferdeherden. Und Hügel, Hügel, Hügel. Verschneite am Horizont, zu Füßen der Rocky Mountains. Grasbewachsene rechts und links der jeweils zweispurigen Asphaltbänder. Würden wir querfeldein statt schnurgeradeaus fahren, kämen wir uns vermutlich vor wie ein Maiskorn auf seiner Achterbahnfahrt durch Dick- und Dünndarm. Aber das lassen wir mal lieber. San Francisco ist noch weit. Und so richtig nach hartem Gelände schreit hier keiner. Nicht der Navigator mit seinem 5,4-Liter-V8 und der gutgemeinten Luftfederung, nicht der siebensitzige Platz-Protz Yukon, nicht der sportlich-komfortabel ausgelegte RX 400h.

Für das, was diese Tour von ihnen verlangt, sind alle drei gerüstet, jeder auf seine Art. Der Hybrid punktet mit bekanntem Luxus und natürlich mit dem geringsten Verbrauch, schließlich helfen seinen "nur" sechs Zylindern zwei E-Motoren auf die Sprünge. Auf den langen Überlandpassagen in der dünnen Höhenluft gönnt sich aber auch der Japaner einen Schluck mehr: Gut 12,2 Liter hat er in den Bergen Nebraskas und Wyomings verbraucht. Das war schon deutlich besser, liegt aber weit unter den US-Begleitern (17,8 bis 18,7 Liter Super). "Unsere bislang schlechteste Tour-Etappe", bilanziert Wandt.

In Sachen Komfort stehen sich die drei im Prinzip in nichts nach: hellgraues Leder im Navigator, sandfarbenes im Yukon, schwarzes im RX 400h. Die Sitzposition ist in allen drei erhaben, leise grummelnde V8-Untermalung verwöhnt bei den US-SUV, elektrisches Anfahren im Lexus. Die seltenen Zwischensprints während der Tempomat-dominierten Reise gewinnt allesamt der Lexus. Die dicken Achtzylinder wirken dagegen wie Fährschiffe. Würde mich nicht wundern, wenn Schulkind-Kutscherin Linda die mit ihrem Diesel-Bus glatt abhängt.

Von

Ralf Bielefeldt