Roter Lack, grüne Seele: Diese zwei Hybride fahren sparsam – und machen auch noch Spaß. Hyundai Ioniq und Toyota Prius im Vergleichstest.
Bild: Christoph Boerries / AUTO BILD
Es hat lange gedauert! Seit 1997 baut Toyota den Prius. Seitdem ist er der Inbegriff des Hybridautos. Von anderen Herstellern kam eine gefühlte Ewigkeit wenig bis gar nichts zu dem Thema. Inzwischen, 19 Jahre und über 3,5 Millionen Prius später, hat sich das grundlegend geändert. Die meisten Autobauer haben Hybridfahrzeuge im Programm – bei vielen wirkte das aber nicht so konsequent wie bei Toyota. Doch jetzt wird es zum ersten Mal richtig ernst für den Prius: Hyundai hat sich mit dem komplett neuen Ioniq bei Format und Größe ziemlich deutlich am Vorbild Prius orientiert. Also, wer kann mehr – das Original oder der Neuling?
Der neue Prius unterstreicht seine Technik auch optisch
Fast schon Avantgarde: Den neuen Prius haben die Toyota-Designer geradezu tollkühn gezeichnet.
Bild: Christoph Boerries / AUTO BILD
Toyota hat den Prius ja auch gerade neu aufgelegt, und es ist, als ob sie der ganzen Idee noch mal neue Schubkraft verleihen wollen. Vergessen sind die betont bieder bis braven bisher gebauten Prius, der neue kommt mit geradezu tollkühnem Design. Steil ansteigende Gürtellinie, sehr schmale Scheinwerfer, scharfe Kanten und Sicken – sehr futuristisch. Die Designer hatten sichtlich Spaß bei der Arbeit – und wir beim Betrachten auch. Allein für die verwegen gezackten Heckleuchten würden wir gern einen Sonderpreis vergeben. Und, hey, langweilige Autos gibt es schon genug, oder? Toyotas Mut macht nicht vor den verschlossenen Türen halt. Das wild verschachtelte Cockpit mit der Instrumentenkonsole samt zwei 4,2 Zoll großen Displays in der Mitte ist alles, bloß nicht langweilig. Toyota hat hier zum Beispiel in der Mittelkonsole weißes, glänzendes Hartplastik eingesetzt. Was soll uns das sagen: Arztzimmer? Kühlschrank? Badewanne? Wir wissen es nicht.
Mit seinem Fließheck wirkt der Ioniq schlank und modern
Der Hyundai Ioniq verzichtet auf gestalterische Experimente – er bleibt eher unauffällig.
Bild: Christoph Boerries / AUTO BILD
Auf solche Experimente verzichtet Hyundai komplett. Anders als Toyota setzen die Koreaner auf zurückhaltende Formen, der Ioniq wirkt schlank, glatt und modern: Fließheck-Karosserie mit coupéhafter Form und abfallendem Dach hinten. Beide Autos haben übrigens den gleichen Luftwiderstandsbeiwert von cw 0,24. Innen macht der Ioniq auch keine Faxen, das Cockpit ist ruhig und sauber gezeichnet, ordentlich verarbeitet und problemlos zu bedienen. Beim Platz vorn nehmen sich Ioniq und Prius nicht viel, es geht hier kompaktklassenmäßig luftig zu. Im Fond hat der Toyota das bessere Raumangebot, er verfügt über spürbar mehr Platz für lange Beine, größere Leute sitzen hier bequemer. Im Hyundai müssen Menschen ab 1,80 Meter den Kopf einziehen. Und auch beim Kofferraum liegt der Prius vorn, er schluckt 501 bis maximal 1633 Liter, der Ioniq 443 bis 1505.
Das Hybridsystem im Hyundai entspricht dem im technisch gleichen Kia Niro und besteht aus einem 1,6-Liter-Benziner mit 105 PS, einem E-Motor mit 32 kW (44 PS), dem Lithium-Ionen-Polymer-Akku (unter der Rücksitzbank) mit einer Kapazität von 1,56 kWh und einem Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe. Ergebnis ist eine Systemleistung von 141 PS.
Trotz deutlicher Verbesserung bleibt der Gummiband-Effekt
Altbekannt: Auch in der jüngsten Auflage zeigt der Prius beim Beschleunigen den Gummiband-Effekt.
Bild: Christoph Boerries / AUTO BILD
Im Toyota arbeiten ein 1,8-Liter-Benziner mit 98 PS, ein E-Motor mit 53 kW (72 PS), eine Nickel-Metallhydrid-Batterie (auch unter der Rücksitzbank) mit 1,31 kWh und ein raffiniert verzwicktes Planetengetriebe, die Systemleistung beträgt 122 PS. Für den neuen Prius wurde das System überarbeitet, verbessert und verfeinert, wie bisher funktioniert es vollkommen reibungslos und unauffällig. Zuerst die gute Nachricht: Noch nie fuhr ein Prius so angenehm, so flott und zügig. Das System reagiert spürbar schneller als bisher, der Prius wirkt lebendiger. Doch jetzt kommt die schlechte Nachricht: Trotz aller Mühe und klarer Verbesserungen ist der Gummiband-Effekt geblieben. Also steigt nach dem Tritt aufs Gas erst die Drehzahl und danach und mit Verzögerung auch das Tempo. Bis zu mittlerer Geschwindigkeit bleibt der Benziner dabei zurückhaltend, meldet sich dann aber doch und knurrt auf der Autobahn kräftig. Als Reisetempo sind ungefähr 150 km/h zu empfehlen – etwa bis dahin bleibt es ganz angenehm im Innenraum, darüber steigt der Lärmpegel.
In Sachen Fahrleistungen liegt der Hyundai vorne
Geht ganz ordentlich: Messbar und vor allem spürbar ist der Ioniq das dynamischere Auto.
Bild: Christoph Boerries / AUTO BILD
Wie der Toyota startet auch der Hyundai elektrisch, rollt sanft und leise an, auch hier schaltet sich der Benziner relativ schnell dazu. Wie beim Prius sind rein elektrisch längere Strecken mit den kleinen Akkus kaum möglich. Den wesentlichen Unterschied zum Prius macht im Ioniq das Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe, das für das Zusammenspiel zwischen Verbrenner und E-Motor zuständig ist. Und das reagiert ganz einfach schneller und direkter als das verzweigte Planetengetriebe im Toyota. So fährt sich der Hyundai unvermittelter, fühlt sich weniger abgekoppelt an und ist tatsächlich – die Messwerte bestätigen das – jeweils etwas zügiger unterwegs als der Toyota. Er fühlt sich lebhafter an, fährt leichtfüßiger – und das ist auch ein Verdienst der strafferen Fahrwerksauslegung. Die hat Hyundai wirklich gut hinbekommen, der Ioniq besitzt dezent sportliche Qualitäten.
Weitere Details zu den beiden Hybriden finden Sie in der Bildergalerie. Den kompletten Artikel mit allen technischen Daten und Tabellen gibt es als Download im Online-Heftarchiv.