Ineos Grenadier: Fahrbericht
Mit dem Defender-Klon durch Schottland
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Der Ineos Grenadier ist ein neuer Geländewagen der alten Schule. AUTO BILD war mit ihm in den schottischen Highlands unterwegs.
Unterwegs in den schottischen Highlands mit dem Ineos Grenadier. Womit? Mit einem neuen Geländewagen alter Schule. Der aussieht wie ein alter Land Rover Defender und genau das auch soll. Der eine Hommage ist an den Klassiker britischen Autobaus, eine Ehrerweisung an robuste Technik und wahre Offroad-Kompetenz. Ein Arbeitstier auf vier schlammverdreckten Stahlrädern. "Expedition – Call of the Wild" heißt das zweitägige Abenteuer durch den nördlichsten Zipfel Schottlands. Eine Tour vom Castle of Mey in großem Bogen nach Inverness. Du fährst in dieser Expeditions-Kolonne von knapp 20 Autos die Version "Trialmaster" mit Reihensechszylinder-Turbodiesel von BMW.
Ausgedacht hat sich das Auto der Milliardär und Abenteurer Sir Jim Ratcliffe, Gründer und Boss des Petrochemiekonzerns Ineos. Aufgeschreckt vom Produktionsende des alten Defender beschloss er vor sechs Jahren, genau so einen Geländewagen einfach selbst zu bauen. Er zeichnete die Form, alle Karosserieteile sind von der neuen Tochterfirma Ineos Automotive selbst entwickelt. Seit Kurzem läuft er im ehemaligen Smart-Werk im französischen Hambach vom Band.

Wasserdurchfahrten sind kein Problem, denn der Ineos Grenadier hat eine Wattiefe von 80 Zentimetern.
Bild: Hersteller
Achtstufenautomatik hilft Festland-Europäern
Es ist noch dunkel, als du am Castle of Mey vorbei in Richtung Westen rollst. Der Dudelsackspieler der verstorbenen Queen verabschiedet dich auf die Küstenstraße North Coast 500. Auf dem weitgehend einspurigen Asphaltband kannst du dich erst mal vertraut machen mit dem Grenadier. Leiterrahmen und Starrachsen sind Pflicht bei dem, was Ratcliffe vorhat. Die Achtstufenautomatik von ZF hilft Festland-Europäern; manuell mit links schalten ist eine Pest. Den Wählhebel kennst du aus dem BMW. Daneben der für das Untersetzungsgetriebe. Ein kleines Display nur für Kontrollleuchten hinterm Lenkrad. Fahrinfos von Geschwindigkeit bis Neigungswinkel gibt es über das Display über der Mittelkonsole. Darunter fette Schalter, die du auch mit Handschuhen und in schwerstem Gelände mit den Fingern ganz sicher triffst. Dass du dich wortwörtlich wie in einem Cockpit fühlst, liegt an den Schaltern über dir. Unterm Dach kannst du unter anderem die drei Differenzialsperren aktivieren. Verschiedene Fahrprogramme für unterschiedliche Untergründe einfach per Knopfdruck? Gibt es im Grenadier nicht.

Verdient den Namen Cockpit: Im Grenadier gibt es fette Knöpfe und Schalter bis unters Dach.
Bild: Hersteller
Schon auf den ersten Kilometern auf befestigter Straße wird dir klar: Dieses Auto lässt dich nie in Ruhe, es fordert dich ständig zum Mitarbeiten auf. Auch auf gerader Strecke. Die Kugelumlauflenkung wird dir zwar später im Gelände helfen, jetzt aber sorgt sie für einen ganz schön miesen Geradeauslauf. In Kurven neigt sich der 2,8-Tonner ordentlich; das Untersteuern ist kein Problem, das Trampeln über Querfugen nimmst du mit einem Schulterzucken hin. Nach ein paar Stunden taucht Loch Eriboll vor dir auf. Der Weg von der Landstraße zum Ufer soll zu einer Demonstration der Offroad-Qualitäten des Grenadier werden – und wird es auch. Also: Untersetzung auf low, "all diffs lock" (alle drei Differenzialsperren rein), Downhill-Fahrhilfe aktivieren – und den Rest macht das Auto. Na ja, fast. Aber niemand käme wahrscheinlich auf die Idee, hier mit einem normalen SUV zu fahren. Nicht mal mit einer mehr als doppelt so teuren Mercedes G-Klasse.

Urwald – und eine Verschnaufpause für ein malträtiertes Chassis.
Bild: Hersteller
Geländetauglichkeit, Look und Zuverlässigkeit
Jim Ratcliffe hatte dir am Tag zuvor davon berichtet, wie er im vergangenen Jahr durch Namibia fuhr. Mit seinen Vorserien-Autos und G-Klassen. "Nur der Grenadier kam überallhin", hatte Sir Jim behauptet. Mit dem Grenadier will er das Beste aus altem und neuem Defender verbinden. Dafür malt er mit den Fingern ein Dreieck in die Luft. Die Ecken stehen für Geländetauglichkeit, Look und Zuverlässigkeit. Beim alten Landy mangelte es an Letzterem, beim neuen an Look und echter Offroad-Stärke. Der Grenadier soll alles können. So einfach. Und tatsächlich macht dieser Ineos im Land-Rover-Look ja auch etwas her – und windet sich durch härtestes Gelände wie eine Schlange. Die Zuverlässigkeit lässt sich natürlich noch nicht abschließend beurteilen. Als du mit der Karawane Loch Eriboll verlässt, wird die unbefestigte Straße voller Schlaglöcher eng und das Tempo hoch. Mit 60 km/h bretterst du über Stock und Stein und rutschst irgendwann links in den kleinen Graben. Das kann passieren, wenn man als einziger Fahrer auf der ungewohnten Seite des Autos sitzt. Aber der Grenadier lässt sich gut abfangen und wieder hoch auf den Weg lenken und hat dabei kaum etwas abbekommen.

AUTO BILD-Redakteur Hauke Schrieber am Grenadier vor Loch Eriboll.
Bild: Hersteller
Kein Statussymbol wie die G-Klasse
Nur du: einen gehörigen Schrecken. Denn das ist der Grenadier: Er wird immer besser, je langsamer er unterwegs ist. Dann spielt er seine Stärken aus. Lange nach Einbruch der Dunkelheit erreichst du das Örtchen Kylesku erreichst, spürst du den Tagesritt weniger in den Knochen, als du es erwartet hättest. Und auch der zweite Teil über die einsame, windige Hochebene, vorbei an Rindern und mit fünf verschiedenen Jahreszeiten an einem einzigen Tag, stellt den Grenadier vor keine allzu großen Herausforderungen. Der Oberförster des Alladale Wilderness Reserve, einem 9300 Hektar großen Naturschutzgebiet, sagt dir, er würde sofort ein paar Grenadier bestellen. Und wer noch? Das Auto ist kein Statussymbol wie die G-Klasse. Auf Sylt oder der Königsallee brauchst du keine Differenzialsperren. Und fürs Posen ist der Grenadier nicht gemacht. Er ist ein Auto für Jäger. Und vielleicht für Sammler. Und einer für die Highlands. Für eine automobile Zeitreise ans Ende der Welt.
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