Darüber, wie es zum Grenadier kam, wurde schon so viel geschrieben – das spar ich mir und Ihnen jetzt. Nur so viel: Jim Ratcliffe, britischer Chemie-Milliardär, bedauerte das Hinscheiden des klassischen Land Rover Defender so sehr, dass er beschloss, selbst so ein Fahrzeug zu entwickeln und zu bauen. Und zwar besser. Mit Motoren von BMW, entwickelt und erprobt bei Magna Steyr, Serienfertigung im ehemaligen Smart-Werk.
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Bis die ersten Serien-Grenadier das Werkstor in Hambach verließen, dauerte es dann doch noch ein paar Monate länger; und auch mit dem ursprünglich angedachten Preis kam man nicht hin. Eine 4 oder eine 5 sollte eigentlich vorn stehen, jetzt werden schon für den zweisitzigen, teilverglasten Utility Wagon 65.890 Euro aufgerufen, der Station Wagon kostet 75.230 Euro.
Dabei ist es egal, ob man den Diesel oder den Benziner nimmt; und auch, ob man die offroadorientierte Trialmaster Edition mit 100-Prozent-Achsdifferenzialsperren und Ansaugschnorchel wählt oder die schickere Fieldmaster Edition mit Leichtmetallrädern und Ledersitzen: Billig ist das nicht; fast schon in Rufweite des lifestyligen New Defender in Basisversion.
Ineos Grenadier
800 mm Wattiefe sind serienmäßig. Der Ansaugschnorchel ist bei der geländeorientierten Trialmaster-Version Serie, kostet sonst 785 Euro.
Bild: Ineos

Vom Preisschock erholt? Dann rein in die gute Stube. Nein. Eher rein ins Arbeitszimmer. Das ist so modern, aber unempfindlich möbliert, wie sich das für ein Auto gehört, das primär zum Arbeiten gedacht ist – nicht zum Flanieren.
Gummiboden mit Wasserablaufstopfen haben beide Versionen; der Trialmaster strapazierfähige Textilmix-Sitzbezüge – die sich fast besser anfühlen als das Leder im Fieldmaster. Die Sitze selbst kommen von Recaro: auf Anhieb angenehm. Nach stundenlangem Geländeritt drücken mich aber die Seitenführungswülste der Lehnen. Der Fußstützen-Buckel am Mitteltunnel der Rechtslenker-Testwagen bedrängt das linke Bein etwas; aber in Deutschland sitzt man ja links, da gibt’s das Problem nicht.

Grenadier starten ist eine echte Wohltat

Gestartet wird, was für eine Wohltat, mit einem richtigen Schlüssel und ohne tausend sinnlose Warnhinweise. Für die Fahrstufe gibt’s den bewährten BMW-Joystick, für die Zentraldiff-Sperre und die Untersetzung einen echten mechanischen Hebel – unwesentlich leichtgängiger als im Ur-Defender. Dass zwischen Lenkrad und der steil stehenden Frontscheibe kein Tacho und kein Drehzahlmesser sitzt, stört nicht. Braucht im Gelände kein Mensch; man hat maximale Sicht auf die Karosserie-Ecken; und das große Zentraldisplay versorgt eh mit jeder Menge nützlicher und unterhaltsamer Informationen.
Ineos Grenadier
Keine "echten" Instrumente; Fahrzeugfunktionen bedient man mit soliden, großen, logisch gruppierten Schaltern.
Bild: Ineos

Das Datenblatt sagt mir, dass der Diesel mehr Drehmoment hat als der leistungsstärkere Benziner; und eine noch etwas kürzere Gesamtuntersetzung, weil hier eine andere Version des ZF-Achtstufenautomaten verwendet wird. Wirklich spürbar wird das nicht. Eher fühlt sich der Benziner einen Tick spontaner an, der Diesel braucht ein Viertelsekündchen, ehe er so richtig Schub aufbaut: Na ja, Euro 6d eben. Kraftmangel verspürt man trotzdem nie.

Grenadier eher etwas für erfahrenere Offroader

Unbedarfte Personen am Lenkrad, die allenfalls Schlamm von Felsen unterscheiden können, aber nicht wissen, was die vielen Knöpfe eigentlich bewirken, vermissen vielleicht übergreifende Fahrprogramme, die ihnen alles richtig einstellen. Doch für die ist der Grenadier nicht gedacht; und so hat er einzig einen Offroad-Modus für das (gesetzlich vorgeschriebene) ESP und das ABS, das denen mehr Freiheitsgrade erlaubt. Funktioniert tadellos. (Hier entsteht der Ineos Grenadier)
Die Untersetzung, die Sperren und die Bergabfahrregelung schalte ich lieber selber – oder der Beifahrer macht das auf Zuruf, er kommt prima an die Knöpfe in der Dachkonsole. Die Kontrollleuchten direkt vor mir melden brav Vollzug. Gefällt mir! Ein Auto zum Selbstfahren; quasi ein Gegenentwurf zum selbstfahrenden Auto, das davon ausgeht, dass der Mensch am Lenkrad total unfähig ist und man ihm ständig helfen muss.
Ineos Grenadier
Die Bergabfahrregelung funktioniert tadellos, da zeigt sich die Erfahrung der Entwickler. Geübte Fahrer werden aber bei rutschigen Steilabfahrten eher selbst bremsen wollen.
Bild: Ineos

Motor und Automatik agieren perfekt, das Fahrwerk steckt auch derbe Pisten ohne schlimme Schläge und arge Schaukelei weg; und die stark gedämpfte Lenkung – an deren Gefühlsarmut bei Straßenfahrt die Ingenieure noch tüfteln, wie mir Hans-Peter Pessler verrät, der neue COO von Ineos Automotive – ist hier genau richtig: Die reißt mir nicht das Lenkrad aus der Hand, wenn eine dicke Wurzel oder ein tiefes Loch unangekündigt die Fahrspur kreuzt.

Ein traditioneller Geländewagen

So stellt sich alsbald das geschätzte Nur-zu-ich-mach-das-schon-Gefühl ein, das man an echten, traditionellen Geländewagen schätzt. Egal ob man im Vertrauen auf Bodenfreiheit, reichliche Karosseriewinkel und geschützte Weichteile über Felsen klettert, durchs Wasser pflügt oder einen verschneiten Steilhang hinunterschleicht.
Ineos Grenadier
Im Gelände – etwa in Spurrillen – lernt man die stark gedämpfte, auf der Straße gefühlsneutrale Lenkung schätzen.
Bild: Ineos
Unterstützt wird der Eindruck des bissfesten Zupack-Mobils dadurch, dass auch in Details offensichtlich mitgedacht wurde: mit soliden Stahl-Reifenventilen, leicht austauschbaren Karosserieecken, der optionalen integrierten 5,5-Tonnen-Seilwinde oder den vorinstallierten Außenstromanschlüssen für Zusatzequipment. Alles überflüssig vor der Eisdiele, aber vielleicht mal nützlich, wenn die Straße längst zu Ende ist.

Technische Daten und Preis: Ineos Grenadier

Motor Sechszylinder, Reihe, Turbo, vorn längs
Hubraum 2993 (2998) cm3
Leistung bei 1/min 183 kW (249 PS) bei 3250–4200/min (210 kW (286 PS) bei 4750/min)
Drehmoment bei 1/min 550 Nm bei 1250–3000/min (450 Nm bei 1750–4000/min)
Getriebe 8-Stufen-Wandlerautomatik m. Geländeuntersetzung (2,5:1)
Allradantrieb & Traktionshilfen Allrad permanent über Zentraldifferenzial, manuell sperrbar; v:h 50:50. a. W. Vorder- und Hinterachsdifferenzial manuell sperrbar (100 %)
L/B/H 4898/1930/2036 mm
Laderaum 1152–2035 l (Utility Wagon 2088 l)
Leergewicht/Zuladung 2626–2811/689–871 kg
Dachlast dyn. 150, stat. 420 kg
Anhängelast gebr./ungebr. 3500/750 kg
Tank 90 l; AdBlue 17 l
Bodenfreiheit 264 mm
Achsverschränkung/Index 300 mm/100,3 %
Böschungswinkel v./h. 35°/36°
Rampenwinkel 28°
Wattiefe 800 mm
max. Gesamtuntersetzung 56,37:1 (53,81:1)
Beschleunigung 0-100 km/h 9,9 (8,6) s
Höchstgeschwindigkeit 160 km/h
Normverbrauch (WLTP) 10,5–12,2 l Diesel/100 km (14,4–14,9 l Super/100 km)
Grundpreis (Pkw) 75.230 Euro

Fazit

von

AUTO BILD
Wer nur auf Feinasphalt unterwegs und ein Verfechter des betreuten Fahrens ist, wird dieses Auto verabscheuen. Denn auch wenn er cool aussieht: Der Grenadier ist kein lustiges Gadget, sondern durch und durch ernst gemeint. Nicht perfekt, aber bemerkenswert gut gemacht.

Von

Thomas Rönnberg