Oft sind ja die unbekannten Rivalen am gefährlichsten. So wie hier: Infiniti, junger Premium-Japaner, gegen Porsche, deutscher Sportwagen-Adel. Genauer: FX30d gegen Cayenne Diesel. Die Frage, ob ein SUV mit Dieselmotor überhaupt ein Porsche sein kann, lassen wir dabei offen – entscheidend ist, dass die Nobelmarke aus dem Hause Nissan ausgesprochen präzise in die Nische des VW/Porsche-Verschnitts Cayenne zielt. Das sieht ihm nicht nur der Eingeweihte sofort an: Der Infiniti gibt optisch den Sportwagen im SUV-Format – lange Haube, schwellende Flanken, coupéartiges Dach, aggressives Maul, das Ganze kurvenreicher als Christina Hendricks (dieses Vollweib aus "Mad Men"). Entsprechend klar das Ergebnis im Show-Vergleich: So gelb kann ein Cayenne gar nicht sein, dass er die Blicke vom Infiniti ablenkt. Mancher könnte indessen auf die Idee kommen, das auffällige Gefährt sei einem Cartoon entsprungen.
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Video: Infiniti FX vs. Porsche Cayenne

Angriff aus dem Nichts

Wir testen die Topversion des FX30d ("S Premium"), die auf 66.750 Euro kommt. Das klingt nicht nach Schnäppchen für ein 238-PS-SUV, zumal der Cayenne (245 PS) mit 61.976 Euro in der Liste steht. Doch was Kostenkenner ahnen, bestätigt das Studium der Porsche-Aufpreise: Schon jene Ausstattung des Testwagens, die fahrtechnisch relevant ist (Luftfederung, Servotronic, Sportsitze, 20-Zoll-Räder), erhöht die Summe auf 70.485 Euro. Würden die Sicherheits-und Komfortextras draufgerechnet, die Infiniti kostenlos liefert (Navigationssystem, Lederausstattung, adaptives Xenonlicht zum Beispiel), käme die Rechnung für den Porsche-Käufer leicht auf über 90.000 Euro. Da darf sich der Kunde wie die Gans, die ausgenommene, vorkommen. Wer das weiß, steigt von vornherein mit anderen Augen in den Infiniti. Da lässt es sich dann auch leichter darüber hinwegsehen, dass sich sein Innendesign im Gegensatz zum Äußeren konventionell ausnimmt, dass die Anordnung der Schalter teils chaotisch, teils schwer bedienbar ausfällt und dass sich die Materialanmutung eher an US-Gepflogenheiten als am europäischen Premiumstandard orientiert.
Porsche Cayenne
Sportlich: Der Cayenne dokumentiert beeindruckend, was in Sachen SUV-Dynamik heute so drin ist.
Schäbig wirkt er freilich keineswegs, der Nobel-Japaner. Fahrer und Beifahrer fühlen sich ausgezeichnet untergebracht, nur im Fond müssen die Passagiere Tribut an die schnittige Form zollen: Unter dem flachen Dach (für SUV-Maßstäbe) und hinter hohen Bordwänden fühlen sich die Fahrgäste eingepfercht. Zumal, wenn sie aus dem geräumigeren Cayenne kommen. Überhaupt waren praktische Erwägungen beim Entwurf des FX offensichtlich nachrangig. Hat zum Beispiel der Nutzer sein Gepäck auf die ausnehmend hohe Ladekante gewuchtet, muss er feststellen, dass hinten gar nicht viel reingeht – kümmerliche 410 Liter Ladevolumen (bei umgeklappten Rücksitzen 1305 Liter), nicht mehr als in einen kleinen Kombi. Auch die erlaubte Zuladung ist für SUV-Verhältnisse bescheiden: 526 Kilo. Mickrig die Anhängelast: 2,2 Tonnen. Was ein Fullsize-SUV in diesen Disziplinen können muss, demonstriert der Cayenne: 670/1780 Liter, 680 Kilo Zuladung, 3,5 Tonnen Anhängelast. Vor allem auf die Reizwirkung kommt es den Infiniti-Designern also an, und die verspricht Sportlichkeit.
Da muss die Geräuschkulisse nach dem Anlassen des V6-Diesels erst einmal enttäuschen, denn sie erinnert eher an eine Landmaschine, weniger an ein sportlich ambitioniertes Gefährt. Diesen Eindruck untermauert die Dynamik beim Gasgeben: Der FX beschleunigt wacker, aber von feurigem Temperament kann keine Rede sein, zumal sich auch die Siebenstufenautomatik Zeit lässt. Die Messwerte bestätigen das Gefühl – sie liegen auf dem Niveau eines gut motorisierten Kleinwagens. Wer so schnell sein will, wie das Auto aussieht, der sollte lieber zum FX50 mit dem 390 PS starken V8-Benziner greifen. Wenn er die Tankrechnungen verkraftet. Dass beim Infiniti-Diesel die Pferde nicht so gut im Futter stehen, lässt unterdessen der Porsche vermuten.

Überblick: Geländegänger bei AUTO BILD ALLRAD

Infiniti FX Porsche Cayenne
Gelände? Ja, das geht mit Cayenne und FX auch. Ihr Habitat ist aber eindeutig der Boulevard.
Er hat nur 7 PS mehr, wiegt gerade mal 14 Kilo weniger, spielt aber in den Fahrleistungen in einer höheren Liga. Tatsächlich macht hier der Diesel eine überraschend energische Figur, läuft obendrein schön kultiviert, unterstützt von einer munteren Achtstufenautomatik. Aber natürlich: Auch ihm liegt sportliches Benehmen fern – aus einem Diesel wird eben kein Porsche-Motor. Noch ein Vorteil gegenüber dem Infiniti: Im Testverbrauch unterbietet der Porsche ihn um 1,5 Liter. Sportlichkeit ist dem FX30d also fremd, auch wenn es das Äußere verspricht. Dazu passen die Fahreigenschaften: Er fährt sich kommod, die meiste Zeit angenehm gefedert und außerdem unvermutet handlich. Letzteres unterstützt die serienmäßige Hinterradlenkung, die das Auto mit Nachdruck in die Kurven schubst. Gleichwohl fehlt ihm jene Präzision in den Reaktionen, die bei forcierter Fahrt die Spreu vom Weizen trennt. Das gilt für das Lenkverhalten ebenso wie für die Dosierbarkeit der Bremsen. Da verträgt der Infiniti noch Feinschliff, auch bei den Abrollgeräuschen und den heftigen Reaktionen beim Gaswegnehmen in schnellen Kurven.
Was heute geht in puncto SUV-Dynamik, dokumentiert der Cayenne. Zutiefst beeindruckend, wie dieser 2,2-Tonnen-Dampfer über kurvenreiche Landstraßen tänzelt, wobei er sich ohne Mühe und auf den Zentimeter genau dirigieren lässt. Erfreulich auch der Autobahnkomfort dank angenehmer Geräuschkulisse und leicht ansprechender Federung. Erst auf Straßen mit größeren Unebenheiten ist Schluss mit lustig, denn in solchen Momenten zeigt das Porsche-Fahrwerk rigorose Härte. Damit wäre dann auch die Gefechtslage im Kampf der großen SUV geklärt: Porsche schlägt Infiniti – durch technischen K.o.
Den kompletten Artikel gibt es im Online-Heftarchiv als PDF-Download.

Fazit

von

Wolfgang König
Er bietet Komfort, bringt alles mit, wovon der Premium-Aspirant träumt, und zieht die Blicke auf sich wie kein anderer SUV. Dass der Infiniti als Diesel beim Fahren nicht halten kann, was das Äußere verspricht, wird aber schnell klar. In der Nische der sportlich an gehauchten SUV setzt immer noch Porsche die Maßstäbe. Sogar als Diesel.

Von

Wolfgang König