Ein Jaguar mit stattlichen 1,65 Metern Schulterhöhe? Das erste Stutzen über den ungewohnten Anblick legt sich erstaunlich schnell, sendet der F-Pace doch genug arttypische Signale aus: Die lange Haube kennen wir von den Limousinen, dazu kommen mindestens 18-Zoll-Füße und katzenhaft schmale Heckleuchten. Das Design trifft die Mitte zwischen eigenständig und "passt von China bis Amerika". Vorsichtig betritt also die nächste Nobelmarke Neuland. Was Porsche, Maserati und Bentley dürfen, darf Jaguar auch. Aber findet der erste SUV  der Marke auch genug eigenes Revier unter den rollenden Hochbeinern? Soll ihn doch das aktuelle Leittier beschnuppern, der Mercedes GLC, der bei AUTO BILD zuletzt die Vergleichstests gewonnen hat.

Beim Platzangebot liegt der Jaguar leicht vorne

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Video: Jaguar F-Pace vs. Mercedes GLC (2016)

Premium-SUVs im Vergleich

Was sieben Zentimeter mehr Länge und fünf in der Breite doch ausmachen – der Jaguar wirkt eine halbe Nummer größer als der Mercedes. Und innen auch luftiger für die Schultern, obwohl die kleineren Fenster den Rundumblick böse schmälern. Wer diesen Look will, dem wird's egal sein. In erhabener Höhe zelebriert der Jaguar seine typische Show: das Leder mit doppelten Nähten, der Tacho zu klein, der ausfahrende Schaltknauf zu groß, überall Jaguar-Schriftzüge und viele Untermenüs auf dem 10,2-Zoll-Touchscreen, die gerne mal verwirren. Englische Schrullen 3.0. Der GLC erledigt das alles exakter. Deutscher eben. Hier fährt noch ein Schlüssel ins Schloss, der Schalthebel ist ein dezentes Stöckchen hinterm Lenkrad. Schon klappt das auch mit vernünftigen Ablagen auf der Mittelkonsole. Die Sitze sind so vertrauenerweckend fest wie die Lenkung, nur der Kofferraum (550–1600 Liter) fasst einen Koffer weniger als die riesige, familientaugliche Höhle des F-Pace.
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In Sachen Fahrkomfort macht dem Mercedes keiner was vor

Mercedes GLC
Komfortabler Schwabe: Die Luftfederung des GLC absorbiert die Welt da draußen wie ein Schwamm.
Dass der GLC 250 d mit dem beliebtesten Motor im Angebot startet, lässt sich kaum überhören. Der alte 2,2-Liter ist ein Diesel wie ein Hausmeister: mal knurrig, manchmal unwillig und sparsam – wäre er doch nur so diensteifrig wie die moderne Neunstufenautomatik! Einmal in Fahrt, verrichtet der Vierzylinder still seinen Job im Komfort-Kokon des GLC. Vor allem die Luftfederung mit ihren klar gespreizten Stufen absorbiert die Welt da draußen wie ein Schwamm. Der Jaguar will auch verwöhnen, aber anders. Mit den adaptiven Dämpfern (1210 Euro Aufpreis) kommt die Alu-Vorderachse nur bei tiefen Löchern ins Stolpern, dafür hält sich der Antrieb vornehm zurück. Diesel? Ist das ein Diesel? Der neue Zweiliter (aus der Limousine XE) beschleunigt so diskret und gleichmäßig, dass man seinem dünnen Stimmchen glatt einen Whisky zum Gurgeln ausgeben möchte. Dabei schluckt er mäßig, 8,6 Liter meldet der Bordcomputer auf der ersten Testfahrt (Mercedes: 8,1 Liter).
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Unauffällig wie ein Butler serviert die ZF-Automatik ihre acht Fahrstufen, niemals hektisch, aber auch nie sportlich eilig. Also "Dynamic" rein, das schärfste von drei Fahrprogrammen. Selbst dann behält die elektromechanische Lenkung immer ihre leichte Flauschigkeit, was den Charakter der Katze ausmacht. Der F-Pace bewegt sich behäbiger, obwohl er dank seiner Alu-Karosserie doch 70 Kilo weniger wiegt als der agilere Mercedes.

Fahrdynamisch muss sich der Jaguar geschlagen geben

Jaguar F-Pace Mercedes GLC
Der Jaguar bewegt sich etwas behäbiger als der Mercedes, obwohl er 70 Kilo weniger wiegt.
Aber sprechen die Engländer nicht vom "Sportwagen für alle Wetter"? "Ein Jaguar wird immer den Kompromiss zwischen Komfort und Agilität bieten", so Dave Shaw, bei Jaguar verantwortlich für die Karosserie-Entwicklung. Einen Porsche Macan will Jaguar nicht links überholen. Deshalb rollen die Briten in ihrer Preisliste den großen Show-Teppich aus. Liegt der F-Pace bei den Grundpreisen (47.490 Euro mit Allrad, Automatik und 18-Zoll-Rädern) weitgehend gleichauf mit dem Mercedes, so hält er Extras in neuer Luxus-Vielfalt bereit. Räder bis 22 Zoll Größe (goodbye Gelände), elektrisch verstellbare Rückenlehnen im Fond, ein Schotterprogramm oder der Activity Key – ein wasserfestes Armband, falls der Jaguar-Fahrer draußen mal zum River-Rafting muss – legen mehr verlockende Kunden-Köder aus, als andere Autobauer bisher gewagt haben. Wie vernünftig klingt dagegen bei Mercedes der größere und sinnvolle 66-Liter-Tank für schlanke 60 Euro!
Deutsche Kunden werden Jaguars durstigen Kompressor-Benziner gerne übersehen. Wichtiger wäre ein mittlerer Diesel mit gut 240 PS, der die große Lücke zwischen dem Basismotor und dem 300 PS starken V6-Diesel schließt. Diesen Biturbo bringen die Engländer 2017, was den Blitzstart ihres ersten SUV noch beschleunigen wird. Schon jetzt ist der langsamste Jaguar im Programm der schnellste im Vorverkauf: 12 000 Bestellungen sind eingegangen. An den Anblick des F-Pace wird das Publikum sich schnell gewöhnen.
Technische Daten Jaguar F-Pace 20d: • Motor: Vierzylinder, Turbo, vorn längs • Hubraum: 1999 cm³ • Leistung: 132 kW (180 PS) bei 4000/min • max. Drehmoment: 430 Nm bei 1750/min • Vmax: 208 km/h • 0–100 km/h: 8,7 s • Antrieb: Allrad permanent, Achtstufenautomatik • Tankinhalt: 60 l • L/B/H: 4731/2070/1652 mm • Radstand: 2874 mm • Kofferraum: 650–1740 l • Leergewicht: 1775 kg • EU-Mix: 5,3 l Diesel/100 km • Abgas: CO2 139 g/km • Preis: ab 47.490 Euro
Technische Daten Mercedes GLC 250 d 4Matic: • Motor: Vierzylinder, Biturbo, vorn längs • Hubraum: 2143 cm³ • Leistung: 150 kW (204 PS) bei 3800/min • max. Drehmoment: 500 Nm bei 1600/min • Vmax: 222 km/h • 0–100 km/h: 7,6 s • Antrieb: Allrad permanent, Neunstufenautomatik • Tankinhalt: 50 l • L/B/H: 4656/1890/1639 mm • Radstand: 2873 mm • Kofferraum: 550–1600 l • Leergewicht: 1845 kg • EU-Mix: 5,0 l Diesel/100 km • Abgas: CO2 129 g/km • Preis: ab 46.410 Euro

Fazit

von

Joachim Staat
Der F-Pace ist genug Jaguar, um in der Klasse der Nobel-SUV seinen Platz zu finden: Eigenes Design und reichlich Luxus, das war zu erwarten. Aber sein großes Alltagstalent überrascht: Der wird nicht mitspielen, sondern dem GLC Kunden abjagen.

Von

Joachim Staat