Weniger Außenlänge kann manchmal mehr sein. Im westfälischen Rheine zeigte man Anfang der 90er, welches Potenzial in der neu eingeführten vierten Transporter-Generation von Volkswagen schlummerte. Das ist er: Das Karmann-Alkovenmobil Colorado H entstand in enger Zusammenarbeit mit Volkswagen Nutzfahrzeuge und nahm den Trend zur Miniaturisierung um einige Jahre vorweg: Ein kompaktes, voll alltagstaugliches Bulli-Wohnmobil mit frischem Design und hoher Qualität für ein sorgenloses Camper-Leben war damals ein überragendes Konzept und die Erfüllung der Träume vieler Fans. Mit dem Colorado H auf einem T4-Fahrgestell gelang dem Aufbauhersteller auch optisch ein großer Wurf, da er ungewöhnlich aerodynamisch und wie aus einem Guss wirkte. Einziges Manko: Der Listenpreis von mindestens 72.985 Mark (ohne Extras) ging trotz des VW-Logos im Grill bestenfalls als Understatement durch.

Der Colorado H zeigt viel Familiensinn

Karmann Colorado H
Klassisch: gemütliche Rundsitzgruppe für die ganze Familie. Mit ein paar Handgriffen wird sie zum Doppelbett.
Das hat er: Karmann sorgte bei betuchten Bullifreunden für erhöhten Pulsschlag. Ein vergleichbar familien- und alltagstaugliches Fahrzeug gab es mit nur 5,80 Meter Außenlänge sonst nirgendwo. Das faszinierende Konzept des leer erfreulich schlanken 2,4-Tonners mit praxisgerecht ausgestatteter Küchenzeile, gemütlicher Rundsitzecke (wahlweise Vierer-Dinette im Colorado S), 64 Zentimeter flachem Alkoven als zweiter Schlafzone sowie einer vollständig ausgestatteten, angenehm luftigen Nasszelle war maßgeschneidert für bis zu vier Passagiere und blieb vom damaligen Wettbewerb unerreicht. Als Miniaturausgabe größerer Fahrzeuge düpierte der Colorado bei Pkw-ähnlichen Abmessungen das Kabinenkonzept vieler deutlich sperrigerer Modelle, ohne auch nur einen Moment wie ein peinlicher Gernegroß zu wirken. Sein Gesamtpaket bietet genügend Bewegungsfreiheit und Stauraum für einen mehrwöchigen Familienurlaub und ist in diesem Punkt einem normalen VW California mit Hoch- oder Aufstelldach eine Alkovenlänge voraus.
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Viele T4 Colorado kranken heute an Schwellerrost am Fahrerhaus, an den Radläufen und den Scheibenrahmen. Auch die Bleche rund um die Trittstufe sind oft massiv durch Oxidation geschwächt. Vereinzelte Feuchtigkeitsprobleme im Innenraum sind die Folge von Rissen in der GfK-Außenhaut oder an den Nahtstellen im Heckbereich. Unser Colorado scheint jedoch trocken zu sein: keine Wasserflecken, nichts müffelt. Vereinzelte Feuchtigkeitsprobleme im Innenraum sind die Folge von Rissen in der GfK-Außenhaut oder an den Nahtstellen im Heckbereich. Unser Colorado scheint jedoch trocken zu sein: keine Wasserflecken, nichts müffelt. Die Bordinstallation ist grundsätzlich solide, allerdings sollte ein umfassender Funktionscheck sicherstellen, dass sowohl die Wasserversorgung als auch die vereinzelt durch Masseprobleme schwächelnde Bordelektrik vollständig funktionieren. Nachdem 2002 im Zuge der Karmann-Übernahme die Fertigung aus dem westfälischen Rheine ins rheinhessische Sprendlingen verlegt wurde, ließ die Fertigungsgüte beim späten Colorado nach. Der smarte Grundriss und die hohe Ausbauqualität sorgen jedoch dafür, dass der Colorado unabhängig vom Baujahr eine beachtliche Fangemeinde hat.

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Wohnmobil-Test Karmann Colorado H
Wohnmobil-Test Karmann Colorado H
Wohnmobil-Test Karmann Colorado H
Kamera
Wohnmobil-Test Karmann Colorado H

Das Fahrverhalten gleicht dem des damas aktuellen Passat

Karmann Colorado H
Auch im Alter fit: Die Problemzonen des Colorado sind überschaubar. Dem filterlosen TDI drohen aber weitere Fahrverbote.
So fährt er: Auf der kompakten Nutzfahrzeug-Basis zauberten die Ingenieure trotz der voluminösen Wohnaufbauten ein immer noch stadtfreundlich anmutendes Fahrverhalten. Lenkrad und Sitze sind höhenverstellbar. Nach wenigen Kilometern Eingewöhnung gibt sich der Colorado dank Einzelradaufhängung und Scheibenbremsen rundum inklusive serienmäßigem Antiblockiersystem so unproblematisch und entspannt wie ein Passat aus der gleichen Epoche. Nur voll beladen hat das Fahrwerk mit immerhin 3,3 Tonnen zu kämpfen. Vor engen Passagen und niedrigen Durchfahrten sollte man sich die Bulli-untypischen Abmessungen in Erinnerung rufen, um elementare Schäden am GfK-Aufbau zu vermeiden. Unser Fotowagen verbrachte lange Jahre in niederländischem Vorbesitz und hat als Transporter-Abkömmling leider keinen serienmäßigen Fahrerairbag. Dafür erfuhr er kürzlich eine umfassende Revision: Zahnriemen, Wasserpumpe, Turbolader, Einspritzpumpe und Auspuffendtopf wurden erneuert. Diese Reparatur erspart dem neuen Besitzer mehrere Tausend Euro Investitionsbedarf. Trotz einer hohen Laufleistung von knapp 280.000 Kilometern ist der Gesamteindruck viel besser, als es die alterstypischen Gebrauchsspuren vermuten lassen. Der kernig klingende, quer im engen Motorraum verbaute 2,5-Liter-Fünfzylinder-TDI ist hunderttausendfach bewährt. Der Selbstzünder geht kräftiger zur Sache, als es die bloße Leistungsangabe von nur 102 PS (75 kW) vermuten lässt. Enger wird es für den Colorado im Abgaskapitel: Für eine grüne Plakette müsste der neue Besitzer nachträglich in einen Partikelfilter investieren und mit mindestens 500 Euro plus Einbau und Eintragung rechnen. Denn bis zum H-Kennzeichen vergehen noch viele Jahre.
Kult und Konzept sorgen für irrwitzige Preise bis ins hohe Alter. Unter 20.000 Euro finden sich nur selten gute Colorado. Das sind noch rund 60 Prozent des Grundpreises damaliger Neuwagen! Wenn sie dann, wie dieser hier, doch mal auftauchen, sind sie vier Sterne wert – und meist binnen weniger Tage vergeben. Trotzdem sollten Colorado-Interessenten das Angebot in Ruhe prüfen und wegen möglicher Folgekosten nicht übereilt Zuschlagen. Urteil: vier von fünf Punkten.