Flott sehen beide Minis aus, die da am Morgen durch Rom flitzen. Und doch könnten sie kaum unterschiedlicher sein. Der ganz neue Kia Picanto in der Version GT Line reißt seine Klappe frech unterm Tigernasen-Grill auf. Dagegen wirkt der Seat glatter, braver, und seine Front verrät, dass hier noch das Seat-Design von 2012 gilt. Kann der frisch geliftete Spanier mit dem aktuellen Koreaner von 2017 trotzdem mithalten?

Der Kia liegt bei der Motorisierung vorne

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Video: Kia Picanto (Genf 2017)

Mehr Power für den Picanto

Kräftemäßig keine leichte Sache, der Seat muss mit einem 1,0-Liter-Dreizylinder und 75 PS gegen einen 84 PS starken 1,25-Liter-Vierzylinder im Kia antreten. Der Mii klingt dabei immer ein wenig aufgeregt, will – und muss – mit seinen fünf Gängen bei Laune gehalten werden. Der Picanto beschleunigt eine Spur unaufgeregter und zeigt etwas mehr Reserven. Allerdings nicht gleich so viel, dass sich daraus eine Kaufentscheidung ableiten ließe. Die fünf Gänge im Picanto lassen sich dafür sauber schalten, und der eher dezent tönende Motor wird erst bei höheren Drehzahlen zur Nähmaschine. Die gönnt sich mit 4,7 Litern auf der Verbrauchsrunde fast exakt den Wert des Bordcomputers, den der Hersteller zugleich im Mix angibt: 4,6 Liter. Das kann der Mii-Dreizylinder aber mit 4,2 Litern auf der Verbrauchsfahrt unterbieten und liegt damit sogar unter der Herstellerangabe von 4,4 Litern.
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Die Abstimmung des Mii wirkt bisweilen holprig

Seat Mii
Beide Kleinwagen sind straff abgestimmt, aber der Seat neigt auf schlechten Straßen zum hüpfen.
In beiden Knirpsen gibt es nur höhenverstellbare Lenkräder, was bei Menschen mit langen Armen und Beinen unglücklich ist. Die Lenkung ist aber bei beiden erstaunlich präzise und vermittelt ausreichend Rückmeldung von der Straße. Da die Kleinstwagen eher straff ausgelegt sind, gibt es sogar Sportsgeist, wenn man engagiert unterwegs ist. Der Mii hüpft aber schnell wie ein Tennisball auf schlechten Belägen, das macht der Picanto souveräner. Bei fast gleichen Abmessungen sitzt man in beiden Knirpsen passabel, solange der Pilot nicht größer als 1,80 Meter ist. Der Seat hat etwas straffere Sitze mit längeren Auflagen und integrierten Kopfstützen vorn, der Kia punktet durch fünf Zentimeter mehr Länge mit der besseren Kniefreiheit auf den hinteren Plätzen. Und: Bei ihm gibt es hinten drei Sitzplätze, während der Spanier nur zwei Hinterbänkler gestattet. Obwohl der Kia schmaler geschnitten ist, wirkt er innen größer und luftiger. Keine Zauberei, er ist halt das aktuellere Konzept.
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Der Seat kommt ein bisschen als Spardose mit viel Kunststoff daher. Das ist zwar im Cosmopolitan-Sondermodell mutig in "Violetto" lackiert, doch bei dem fast völlig unverkleideten Kofferraum sind Kratzer an der Mii-Ladekante und den Radhäusern im Alltag unvermeidlich. Und die Filzmatte am Boden führt recht schnell ein Eigenleben. Im Picanto ist der Kofferraum ausgekleidet, und bereits eine Stufe über der Basisversion gehört der auf zwei Ebenen einstellbare Ladeboden serienmäßig dazu. Da der Picanto in seiner Neuauflage deutlich an Kofferraumvolumen zugelegt hat, liegt er mit dem Seat jetzt gleichauf: 255/251 Liter sind für Minis ein guter Wert.

Bei gleicher Ausstattung nähern sich die Preise an

Kia Picanto Seat Mii
Mit dem getesteten Motor kostet der Mii mindestens 11.500 Euro, der Picanto ist ab 11.890 Euro zu haben.
Die Sparsamkeit im Mii kennt noch zwei weitere Stufen: Zwar rollt der spanische Zwerg mit vier Türen vor, doch hinten gibt es wie im Technikzwilling VW Up nur Ausstellfenster. Im Picanto lassen sich wenigstens die Scheiben kurbeln, auf Wunsch gibt es elektrische Hilfe. Und im Seat wurde mit dem Facelift das früher aufsteckbare Navigationssystem gestrichen – für einen aufsteckbaren Smartphone-Adapter. Wer sich die Mii-App herunterlädt, navigiert über sein Handy, hört Musik oder ruft Fahrzeuginformationen ab. Das kann man clever nennen, denn das 7 Zoll große Infotainment-Display im Picanto kostet je nach Ausstattung 890 oder 990 Euro. Dafür ist es einfach zu bedienen und bietet eine Rückfahrkamera. Bei GT- und Spirit-Modellen fährt außerdem noch eine induktive Ladeschale fürs Handy mit. Das ist alles sehr hübsch, lässt aber den Preis in die Höhe schnellen.
Bleibt der Basis-Picanto noch unter 10.000 Euro, treiben der größere Motor und das GT-Line-Paket den Preis auf knapp 15000 Euro. Der Mii startet bei knapp 9000 Euro, mit 75 PS und Start-Stopp-System kostet der Cosmopolitan aber auch schon 13.360 Euro. Zum Picanto fehlen dann aber noch Klimaautomatik, Sitzheizung und hintere Türen. Macht 1150 Euro extra – und den Spanier ähnlich teuer wie den Koreaner. Und vielleicht machen die Knirpse in Rom auch deshalb so viel her.

Fazit

von

Ulrich Safferling
Keine Frage, der Picanto ist das neuere und erwachsenere Auto. Fünf Sitzplätze, solider Motor, gute Abstimmung, ordentliche Ausstattung – das passt zusammen und macht den Kia zum kleinen Familienhelden. Dem Seat fehlt in fast allen Kategorien ein Quäntchen, um gegen den aktuelleren Kia gewinnen zu können.

Von

Ulrich Safferling