Mit viel Eigenständigkeit und Charakter empfehlen sich Volvo S60 und Kia Stinger als interessante Alternativen für anspruchsvolle Individualisten. Ein Test-Vergleich.
Platz 1 mit 515 von 800 Punten: Volvo S60 T5. Feine Materialanmutung, gute Geräuschdämmung und sanfte Automatik. Defizite bei Lenkung und Fahrwerk. Hoher Preis.
Platz 2 mit 485 von 800 Punkten: Kia Stinger 2.0 T-GDI.Sportlimousine mit kernigem Motor und Top-Ausstattung. Fahrwerk, Bremsen und Verbrauch werfen ihn zurück.
Viele Modelle wollen es allen recht machen. Fahrprogramme von blumig bis beinhart, Ausstattungslinien von bieder bis brachial und Motoren von brav bis brutal. Das Ergebnis ist meist ein Kompromiss ohne echte Eigenständigkeit, ohne eigenen Kompass. Wie es anders geht, zeigen die zwei AußenseiterVolvo S60 und Kia Stinger.
Im S60 könnte man den schönsten aktuellen Volvo sehen
Hübsch: Der S60 gefällt aus jeder Perspektive; Designer Ingenlath hat einen sehr guten Job gemacht.
Die elegante Limousine S60 rundet seit 2019 Volvo Angebot in der gehobenen Mittelklasse ab. Markante Scheinwerfer mit "Thors Hammer"-Grafik, eine lange Haube und ein hohes Heck. Chefdesigner Thomas Ingenlath spielt beim S60 virtuos mit bekannten Zutaten. Ergebnis: der vielleicht schönste aktuelle Volvo überhaupt. Wer braucht da eigentlich noch ein SUV? Eher tief stapelt Kia auch beim Stinger. Zumindest bei der Höhe. Ansonsten ist sein Auftritt mit riesigen Lufteinlässen vorn, bulliger Seitenlinie und breitem Heck mit vier Endrohren eine Kampfansage an die Sportabteilungen aus München und Ingolstadt. Die große Sportschau setzt sich im Innenraum fort. Wer unter der flachen A-Säule in die tiefe Kapsel eintaucht, greift den neuen Sportsgeist mit Händen. Ein kleines, unten abgeflachtes Lenkrad, gelochte Pedale und eine breite Mittelkonsole machen klar, wo die Reise hinführen soll.
Der Stinger setzt außen wie innen auf Sportlichkeit
Auf Angriff ausgelegt: In der Linie des Stinger steckt Dynamik – das setzt sich im Innenraum fort.
Für Rückenwind sorgen die roten Ledersitze, die die Stimmung anheizen wie das rote Tuch beim Stierkampf. Sauber und tadellos: die Verarbeitung. Immer wieder erstaunlich, wie schnell die Koreaner dazugelernt haben. In Sachen Fertigung lassen sich die Schweden allerdings nicht die Butter vom Knäckebrot nehmen. Mit kühlem Metall statt lackiertem Plastik und klarer nordischer Linie geht der S60 klar in Führung. Er wirkt wie eine Bang-&-Olufsen-Anlage für die Straße, ästhetisch unantastbar. Für undurchschaubar halten dagegen viele Volvo-Neulinge das Bediensystem, über das neben Navi und Entertainment auch Klima und jegliche Fahrzeugeinstellungen geregelt werden. Mit vielen verschachtelten Unterebenen erfordert es eine gründliche Eingewöhnung im Stand. Geradezu zum Abgewöhnen ist die veraltete Spracheingabe der Schweden, die nur auf vorgefertigte Satzbausteine hört. Das geht heute besser.
Allerdings nicht bei Kia, dessen System ebenfalls dafür sorgt, dass der Fahrer noch bei heiser gebrüllter Stimme nur ein stoisches "Wie bitte?" für seine Sprachbefehle erntet. Dann doch lieber per Touchbedienung. Einen langen Arm vorausgesetzt – der Monitor sitzt weit weg –, funktioniert das System angenehm einfach und intuitiv.
Für größere Transportaufgaben passt der Kia besser
Vorteil Fließhecklimousine: Der Stinger bietet unter der großen Heckklappe bis zu 1114 Liter Ladevolumen.
Auch der Einstieg in den Fond klappt beim Kia besser, mehr Beinhöhe finden wir auch. Weil die Füße aber nicht unter die Vordersitze passen und der Kopf nur angewinkelt unter das abgeflachte Dach passt, verliert er das Kapitel trotzdem an den Volvo, der abgesehen von der flachen Bank kaum patzt. Die Vorteile des klassischen Fließhecks werden bei den Kofferräumen deutlich. Bei fast identischen minimalen Kofferraummaßen (rund 400 Liter), bietet der Kia die Vorteile einer große Heckklappe und bis zu 1114 Liter Ladevolumen. Aber S60 und Stinger kauft man zum Fahren, nicht zum Laden. Also ab auf die Straße. Mit 245 PS und Achtstufenautomatik verfügt schon der Basis-Stinger ab 44.490 Euro (Ersparnis bei carwow.de bis zu 6420 Euro) über alle Zutaten, die das Leben auf der linken Spur erleichtern. Auch wenn als Kraftquelle ein Vierzylinder mit zwei Liter Hubraum reichen muss. Mehr bietet auch Volvo nicht, dessen Einheitsmotor als T5 250 PS mobilisiert. Ein Auslaufmodell, im Sommer startet der überarbeitete B5.
Das Fazit: Zwei Autos, zwei Charaktere. Hier der schicke, edle Schwede, der in sich ruht. Da der polarisierende Koreaner, der einfach Spaß machen will. So verschieden die Autos, so verschieden die Käufer. Der verdiente Sieg des Volvo wird Kia-Fans nicht stören. Und das ist auch gut so. Weitere Details zum Test finden Sie in der Bildergalerie.
*Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und zu den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen und gegebenenfalls zum Stromverbrauch neuer Pkw können dem "Leitfaden über den offiziellen Kraftstoffverbrauch" entnommen werden, der an allen Verkaufsstellen und bei der "Deutschen Automobil Treuhand GmbH" unentgeltlich erhältlich ist (www.dat.de).