Konstruktiv zählen beide längst zum alten Eisen, doch je mehr die Welt von weichgespülten Pseudo-Offroadern bevölkert wird, desto interessanter sind – zumindest für den harten Kern der Allradszene – kernige Charakterköpfe. Solche wie der Land Rover Defender und der Iveco Massif. Rollende Anachronismen? Klar. Darin liegt ja genau ihr Reiz. Seit Jahren kann der Engländer auf eine treue Fangemeinde zählen. Nach wie vor gönnen sich allein in Deutschland jedes Jahr rund 1500 Käufer diesen Typ, der wohl auch deswegen Defender ("Verteidiger") heißt, weil er in den letzten sechs Jahrzehnten vor allem eins verteidigt hat: sich selbst. Weder Windkanal noch Zeitgeist haben es seit 1948 geschafft, den Kantenhauber rund zu schleifen.

Überblick: Alle News und Tests zum Land Rover Defender

Land Rover Defender
Unendliche Geschichte: Schon 1948 geboren, ist der Defender ein echter Auto-Dino.
Dennoch kämpft der Dienstwagen von Dschungeltierarzt Daktari auf verlorenem Posten gegen die Unsterblichkeit: Zwar lässt der unter dem Druck neuzeitlicher Sicherheitsnormen modernisierte Nachfolger bis 2015 auf sich warten. Auf der IAA gaben die Briten aber schon mal einen Ausblick darauf, wie er aussehen könnte. Für den im spanischen Linares produzierten Massif der Fiat-Nutzfahrzeugtochter Iveco hat das Totenglöcklein längst geläutet – in Deutschland sind nur noch Restexemplare erhältlich. Dass er dem Land Rover so ähnlich sieht, ist kein Zufall: Der Vorgänger Santana war ein Lizenznachbau des britischen Originals. Technisch gehen die Zwillinge allerdings bereits seit Längerem getrennte Wege. Der stählerne Iveco setzt auf Blattfedern und Zuschalt-Allrad, wird auf der Straße also nur über die Hinterräder angetrieben. Der Defender, wie eh und je mit Alu-Body, kraxelt auf Schraubenfedern und stets mit allen vieren durch die Gegend. Letzteres führt trotz des stattlichen Gewichtsvorteils von fast fünf Zentnern zu 0,5 Liter Mehrverbrauch.

Überblick: Alle News und Tests zum Iveco Massif

Iveco Massif
Nicht untückisch: Der Massif neigt bei Brems- und Ausweichmanövern zum Taumeln.
Dies wiegt umso schwerer, als der Massif den größeren und kräftigeren Motor hat. Sein vom Transporter Daily übernommener Diesel holt aus drei Litern 176 PS und 400 Newtonmeter. Die 122 PS und 360 Newtonmeter des 2,4 Liter großen Ford-Transit-Motors im Landy nehmen sich dagegen fast schmächtig aus. Dennoch fühlt sich der Defender bis zum Landstraßentempo kaum schwächer an. Mit der ansatzlosen Kraft kaltblütiger Brauereipferde legen sich die Offroad-Opas ins Zeug. Erst beim Durchzug in den großen Gängen sieht der Landy kein Land mehr gegen den Iveco. Je weiter die Tachonadel wandert, desto ohrenbetäubender wird der Mix aus Motorlärm und Windgeräuschen. Die Zahl 110 steht beim Defender zwar für den Radstand in Zoll. Zugleich markiert sie aber auch das Marschtempo, das sich ohne die Gefahr von Hörschäden auf Dauer halten lässt. Bei 132 km/h ist ohnehin Sense. Wenn der Brite im Oktober – quasi als letzte Ölung – einen neuen, rußgefilterten 2,2-Liter mit Euro-5-Abgas erhält, bleibt zwar die Leistung gleich. Die Höchstgeschwindigkeit steigt allerdings auf 145 km/h.
Der Massif bleibt jedoch auch dann der Schnellere: Er rennt fast 160 – angesichts der miserablen Schubumkehr im Grunde viel zu viel. Denn bei Stopp-Distanzen jenseits von 50 Metern das Wort "bremsen" zu benutzen, wäre schöngefärbt. Zutreffender ist, dass die Gelände-Greise beim Tritt in die Eisen irgendwann aufhören zu fahren. Auch ihr Handling wirkt archaisch. Immerhin verblüfft, dass ausgerechnet der Defender im direkten Abgleich so etwas wie Straßenlage besitzt. Unter den Blinden ist eben der Einäugige König. Den Iveco bringen Schlaglöcher und Frostaufbrüche zwar nicht so schnell aus der Ruhe wie befürchtet. Da die Führung der Achsen nicht Längs- und Querlenkern obliegt, sondern von den Federpaketen erledigt wird, gerät er bei Brems- und Ausweichmanövern jedoch in schwer kontrollierbares Taumeln.
Der Defender baut in Kurven weniger Schlagseite auf und setzt Kursänderungen präziser um. Sein Fahrwerk ist allerdings so unerbittlich hart wie der Rekruten- Drill an der britischen Militärakademie Sandhurst. Komfort stellt sich in Ansätzen erst ein, wenn der 2300 Liter große Frachtraum mit Expeditionsgepäck beladen wird. Bequem ist keiner, man kauert dicht an den Türen. Im Massif steht der Zuziehgriff aber nicht in schmerzhaftem Dauerkontakt zum Oberschenkel, zudem lässt sich der Fahrersitz weiter verstellen. Im Gelände laufen die zwei Veteranen zur Hochform auf. Bevor der Massif im Schlamm wühlen kann, müssen aber der Allrad zugeschaltet und die Freilaufnaben an der Vorderachse verriegelt werden. Beides entfällt beim Defender. Das gibt Gelassenheit – auch wenn man nur im Großstadtdschungel unterwegs ist.
Martin Puthz

Fazit

Heia, Safari! Im Defender wird sogar die Rushhour zum Abenteuertrip. Der Massif hat den besseren Motor und fährt komfortabler. Das Flair der Kolonialzeit aber bietet nur der Landy. Daher gilt das alte Highlander-Motto: Es kann nur einen geben.