Ein Mann in Burg auf Fehmarn (Schleswig-Holstein) hörte auf einem Parkplatz Babygeschrei. Er entdeckte das Kind allein in einem Auto, das im Halbschatten geparkt war – bei 30 Grad Lufttemperatur. Weil niemand kam, entschied sich der 47-Jährige, zum Äußersten zu gehen: Er schlug mit einem Nothammer die Seitenscheibe ein und befreite das Baby aus dem Auto. Kurze Zeit später kam der Fahrzeugbesitzer zurück – und beschwerte sich über den Glasbruch. Der herbeigerufenen Polizei erklärte er, "dass er und seine Familie sich auf dem Parkplatz ein wenig die Beine vertreten und die Sanitäreinrichtungen aufgesucht hätten". Den Nothelfer zeigte er an – wegen Sachbeschädigung!Darf man einem eingeschlossenen Kind in Sommerhitze helfen, indem man die Scheibe einschlägt oder das Auto anderweitig aufbricht? "Ja!", sagt der Rechtsanwalt Uwe Lenhart aus Frankfurt. Wer dies nicht tue, mache sich wegen unterlasse­ner Hilfeleistung strafbar. Folge: bis zu ein Jahr Gefängnis. Kor­rektes Verhalten eines Nothelfers: Kind aus dem Auto befreien, in den Schatten bringen, mit Was­ser oder feuchten Tüchern ver­sorgen, den Notarzt rufen.

ADAC: Unbedingt die Polizei rufen!

Darf ich ins Auto einbrechen, um einem Kind zu helfen?
Der Innenraum eines Autos kann sich in der prallen Sonnen schnell lebensgefährlich aufheizen.
Der ADAC rät dennoch zu umsichtiger Vorgehensweise: "Passanten, die ein Kind in einem in der Sonne geparkten Auto sehen, sollten sich zuallererst vergewissern, dass es dem Kind gut geht", sagt eine Sprecherin des Autoclubs. Dann sollte man sichergehen, dass die Familie nicht doch in der Nähe ist und – falls das nicht der Fall ist – auf jeden Fall die Polizei verständigen. Sollte das Kind nicht reagieren oder besteht Lebensgefahr, dann darf im Rahmen der Nothilfe auch die Scheibe eingeschlagen werden. Die ADAC-Sprecherin: "Aber auch in einem solchen Fall unbedingt die Polizei rufen, denn für den Laien ist oft schwer zu erkennen, wann genau Gefahr im Verzug ist."

Eltern droht eine Freiheitsstrafe

Darf ich ins Auto einbrechen, um einem Kind zu helfen?
Anwalt Lenhart: "Kann fahrlässige Tötung sein."
Und was droht Erwachsenen, die Kleinkinder im heißen Auto zurücklassen, im strafrechtlichen Sinne? Stirbt das Kind, kann das als fahrlässige Tötung (darauf stehen bis zu fünf Jahre Haft) an­gesehen werden. Das bestätigt auch Verkehrsanwalt Uwe Lenhart: "Wegen Versetzens in eine hilflose Lage nach § 221 StGB droht eine Freiheitsstrafe von einem bis zehn Jahren."

Erinnerungsfunktion kann helfen

Darf ich ins Auto einbrechen, um einem Kind zu helfen?
Alarm aufs Handy: Hersteller wie Maxi-Cosi bieten Nachrüstlösungen an.
Kaum zu glauben: Weltweit sterben jährlich Dutzende Kinder auf so grausame Weise. Weil sich der Innenraum eines in der Sonne stehenden Autos schneller aufheizt als gedacht (siehe Grafik). Kürzlich starben wieder zwei Kinder in den USA, weil der Vater sie ver­gaß. Deshalb müssen dort Neuwagen spätestens ab Modelljahr 2025 mit einer Erinnerungsfunktion ausgestattet sein. Sie warnt Eltern, wenn sie Kinder im Auto zurück­gelassen haben. In Italien dürfen seit März nur noch Auto­Kindersitze mit integriertem Alarmsignal verwendet werden. Und bei uns? Das Kinderhilfs­werk fordert schon lange eine flä­chendeckende Einführung solcher Technik. Hersteller wie Maxi­-Cosi bieten Nachrüstprodukte an. Das Sitzkissen "eSafety" etwa löst den Alarm auf dem Handy des Fahrers aus, wenn der sich mehr als 20 Meter vom Auto entfernt und der Kindersitz belegt ist. Kommt nicht inner­halb von einer Minute eine Reaktion, werden drei Notfallkontakte alar­miert. Preis: rund 80 Euro.

Deutsche Autobauer sind zögerlich

Die deutsche Autoindustrie rea­giert bei dem Thema noch zöger­lich. Der Verband VDA lässt mitteilen, "Sicherheit und Gesundheit von Fahrzeuginsassen" hätten "absolute Priorität". Gäbe es gesetzliche Vorgaben, würden die Autobauer diese "fristgerecht erfüllen". Doch sowohl Bundes­verkehrs­- als auch Familienminis­terium schweigen bisher.

Von

Roland Wildberg