Die Konkurrenz schläft nicht

In der Leserwahl von AUTO BILD alles allrad ist die Mercedes M-Klasse zwar von Platz eins verdrängt; die deutsche Allrad-Zulassungsstatistik führt das erste moderne SUV einer deutschen Marke aber immer noch an. Besonders beliebt: der ML 270 CDI mit Fünzylindermotor; denn er ermöglicht es, zu Preisen unterhalb der Konkurrenz aus Fernost Mercedes-Benz zu fahren.

Eben diese Konkurrenz schläft aber nicht. Mitsubishi hat schon 2000 einen grundlegend neuen Pajero ins Rennen geschickt, um mit modernen Konzepten verlorenes Terrain zurückzuerobern; schließlich war der Pajero jahrelang Geländewagen-Marktführer in Deutschland.

Jüngster M-Klasse-Konkurrent ist der neue Toyota Land Cruiser. Zwar übernimmt er Aggregate und Grundkonstruktion vom Vorgänger, doch präsentiert auch er sich als modernes SUV mit Betonung auf Straßentauglichkeit und Fahrkomfort.

Modernste Technik im Toyota

Nur auf den ersten Blick ist der Toyota die konventionellste Konstruktion: Seine Karosserie ruht nach wie vor auf einem getrennten Leiterrahmen, und er rollt hinten per Starrachse. Mercedes-Benz und Mitsubishi haben hingegen rundum einzeln aufgehängte Räder. Der ML besitzt noch einen getrennten Rahmen, der Mitsubishi hingegen eine selbsttragende Karosserie nach Pkw-Manier.

Bei genauer Betrachtung ist es aber der Toyota, in dem am meisten moderne Technik steckt – gerade im Fahrwerk. Wie der Porsche Cayenne oder die Top-Versionen des VW Touareg hat er ein semiaktives Fahrwerk mit automatischer Stoßdämpferverstellung, dazu höhenverstellbare Luftfedern mit Niveauregulierung und speziellem Geländemodus an der Hinterachse. Das gibt's bei Mercedes-Benz nicht einmal gegen Aufpreis und auch bei Mitsubishi nicht.

Die Vorzüge dieses aufwändigen Fahrgestells genießt man vor allem auf der Straße. Stellt man den Dämpfer-Wahlschalter auf "Comfort", schwebt der Toyota wie eine Sänfte über Bodenunebenheiten hinweg; Besitzern mit empfindlichem Magen ist anzuraten, eine etwas straffere der vier möglichen Positionen zu wählen. Doch auch die weichste Einstellung bringt keine Einbußen bei der Fahrsicherheit mit sich: Der von zahlreichen Fühlern gespeiste Regelcomputer überwacht ständig Fahrweise, Kurvenradius sowie Fahrzeugbewegungen und greift nötigenfalls ein.

ML-Bremsen lassen bei Belastung nach

Dabei stellt er nicht einfach nur bei flotter Fahrweise auf "hart", wie man das im Porsche kennt; sondern er verstellt behutsam jeden Dämpfer einzeln – und nur so lang, wie es nötig ist. Das geschieht so unauffällig, dass Fahrer und Passagiere gar nichts von der regen Tätigkeit der Elektronik mitbekommen; man ist nur überrascht, dass der Wagen nie so zu schaukeln oder zu stampfen anfängt, wie man das angesichts der weichen Grundabstimmung erwarten würde.

So ließe sich der Toyota durchaus flott und mit überraschend wenig Seitenneigung über kurvige Landstraßen steuern, wäre da nicht die serienmäßige Fahrhilfe VTC: Sie reagiert sehr schnell und bisweilen übervorsichtig, bremst den Wagen in übereilt angefahrenen Kurven drastisch herunter. Die entsprechenden Systeme der Konkurrenten – bei Mercedes-Benz heißen sie ESP, bei Mitsubishi MASC – sind zurückhaltender, greifen erst später ein. So lassen sich in der Praxis höhere Kurvengeschwindigkeiten erzielen; andererseits bringen abrupte Lenkbewegungen Pajero und M-Klasse stärker aus der Ruhe als den Toyota.

Die Bremsen befriedigen in allen dreien voll. Auffällig ist, dass der ML, dessen Scheibenbremsen an der Hinterachse ohne Innenbelüftung auskommen müssen, bei starker Belastung merklich in der Bremskraft nachlässt; die Japaner können warm gebremst sogar noch zulegen.

Tiptronic-Funktion im ML und Pajero

Insgesamt bremst der Toyota am besten. Er vermittelt unterm Strich auch die höchste Fahrkultur. Tadellose, vielfach verstellbare Sitze, eine gediegene und überkomplette Ausstattung – der Fahrkomfort auf der Straße war offensichtlich das beherrschende Thema bei der Entwicklung. Fahrer mit sportlichen Ambitionen sind mit dem Toyota aber falsch bedient: Das niedrige Drehzahlniveau und die butterweiche Vierstufenautomatik lassen den recht leise laufenden Motor träge und lustlos wirken. Auf den modischen Tipp-Handschaltmodus für die Automatik verzichteten die Toyota-Techniker; man kann nur nach alter Väter Sitte die oberen Gänge blockieren.

Die Automaten von Mercedes-Benz und Mitsubishi bieten die so genannte Tiptronic-Funktion, eine zweite Schaltgasse für die Wählhebel. Einen echten Handschaltmodus bieten sie freilich beide nicht: Auch hier lässt sich eigentlich nur das Hochschalten blockieren; bei starkem Gaspedaldruck schaltet die Elektronik dennoch zurück.

Insbesondere das Getriebe des Mercedes-Benz kann trotzdem überzeugen; es stellt sich gut auf die Fahrweise ein, holt auch im normalen D-Modus bei Vollgaspiloten das Letzte aus dem Motor heraus. So erreicht der ML 270 die besten Fahrleistungen, obwohl er den kleinsten Motor hat.

Verbrauch und Geländetauglichkeit

Der Deutsche geht insgesamt auch am sparsamsten mit dem Sprit um – unter elf Liter Verbrauch im zügig gefahrenen Testmittel können als wirklich günstig gelten. Die anderen brauchen bei gleicher Fahrweise rund einen Liter mehr. Eine Ursache dafür ist, dass der ML die zierlichste Karosserie hat: am schmalsten, am kürzesten. Speziell der betont massige Mitsubishi setzt dem Vortrieb mehr Widerstand entgegen. Dafür bietet er auch am meisten Platz – vor allem vorn genießt man rundum sehr viel Bewegungsfreiheit.

Nur beim Kofferraum verliert der Pajero Punkte – bedingt durch die vorgeklappt sperrige Rückbank. Hier gibt der Mercedes-Benz die Richtung vor: Seine Rücksitze lassen sich vollständig flach legen – so kann man bis zu den Vordersitzen durchladen.

Gespart hat Mercedes-Benz bei der Geländetauglichkeit. Zwar hat der ML, wie die anderen auch, einen Vollwert-Allrad mit Geländereduktion – die ist sogar vorbildlich kurz ausgelegt. Und seit der Einführung der neuen Regelung für die elektronische Schlupfregelung (Sommer 2001) klettert der Mercedes-Benz auch viel behänder als zuvor.

Doch im direkten Vergleich fühlt sich der ML in schwerem Geläuf schneller deplatziert an als die Konkurrenten: Alles muss die Elektronik machen, denn der Fahrer hat keine Möglichkeit, ein Durchdrehen der Räder vorbeugend zu unterbinden – was Mitsubishi und Toyota durch manuelles Sperren des Zentraldifferenzials möglich machen. Außerdem führen die kurzen ML-Federwege dazu, dass auf Buckeln ständig ein Rad in der Luft hängt und knarrend und knirschend durchdreht. Die beiden Japaner, vor allem der Toyota, behalten die Räder erheblich länger am Boden und fahren damit souveräner.

Kosten und Ausstattungen

Dass die Zeiten sich geändert haben, belegt der Blick in die Preislisten: Am billigsten und am magersten ausgestattet ist der Mercedes-Benz, einst Synonym für hochpreisigen Luxus. Bestellt man alle Extras mit, die der teure Toyota serienmäßig an Bord hat, schrumpft der Unterschied und verkehrt sich ins Gegenteil. Auf Sicht – und wenn man die durchweg mögliche Besteuerung nach Gewicht beantragt – fährt man mit dem Mercedes dennoch am besten: Er ist in der Versicherung günstig eingestuft, verbraucht am wenigsten und hat traditionell den höchsten Wiederverkaufswert. Am teuersten im Unterhalt kommt der Mitsubishi durch seine hohen Versicherungskosten.

Technische Daten im Überblick

Der Mercedes-Benz beschleunigt dank seiner agilen Automatik druchweg am besten. Der Toyota fühlt sich träger an, als er ist.

Fazit und Wertung

Fazit Auch wenn ihm der Toyota nah auf die Pelle gerückt ist: Unterm Strich ist der ML 270 nach wie vor das attraktivste Angebot. Er gewinnt mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis und seiner guten Motor-Getriebe-Kombination. Den neuen Land Cruiser kosten sein hoher Preis und die trägen Fahrleistungen knapp den Sieg. Etwas abgeschlagen: der geräumige Pajero, der vor allem bei Komfort, Fahrleistungen und Kosten zurückfällt.