Die Saga vom Krieg der Sterne endet nie, immer wieder kommen neue Teile. Für eine andere, ebenso großartige Geschichte gilt das genauso: Die vom Kampf der Autos und der ewigen Frage: Wer ist schneller? Meister Yoda hätte in seiner unendlichen Weisheit die Antwort sicherlich gewusst, besonders der McLaren 720S dürfte ihm bekannt vorkommen. Der sieht schließlich aus wie ein schneller Kreuzer aus der Sternenflotte. Schwingende Formen, schlank und organisch. Ringsum ein raffiniertes Löcher-Spoiler-Labyrinth, der Motor in rötliches Licht getaucht. Galaktisch.

Mit dem GT2 RS treibt Porsche den 911 auf die Spitze

Porsche 911 GT2 RS
Fahrmaschine: Alles am GT2 RS ist auf Performance getrimmt – Komfort an Bord sucht man vergeblich.
Der Porsche GT2 RS wirkt erdverbundener, vertrauter, 911er eben. Aber was für einer: der stärkste und schnellste aller Zeiten. Bisher. Mit riesigen Lufteinlässen, mächtigem Heckflügel und Carbon überall. Man sieht es förmlich, das 55 Jahre alte 911er-Konzept wurde optimiert, ausgereizt, zugespitzt. An Bord fühlst du dich praktisch wie im Golf, alles bekannt hier, Zündschloss links, großer Drehzahlmesser in der Mitte. Aber dann: Tacho bis 400, zupackende Carbon-Schalensitze, immerhin mit einer Art Polsterung, Türgriffe als Schlaufen, kein Radio, kein Navi, selbst eine Klimaanlage haben sie uns beim Testwagen nicht gegönnt. Beim McLaren gelingt der Einstieg in die Pilotenkanzel erstaunlich mühelos. Die Türen reichen weit ins Dach – praktisch, da kann man sich von oben hineingleiten lassen. Unter der tropfenförmigen Glaskuppel mit ihren dünnen Säulen ist die Rundumsicht dann bemerkenswert gut.

Den kräftigeren Motor hat der McLaren 720S

McLaren 720S
Nach Papieform überlegen: Im Heck des McLaren 720S tobt ein Vierliter-V8 mit 720 PS und 770 Nm.
Du sitzt weit vorn, nah an der Vorderachse, ungewohnt. Die knallengen Sitzschalen, bei denen sie die Polsterung vergessen haben, sind leicht nach hinten geneigt, man liegt nicht wirklich, aber fast. Die Einrichtung beschränkt sich auf ein paar wesentliche Elemente, alles filigran, leicht und hochfunktionell. Der 4,0-Liter-V8-Doppelturbo ist längs eingebaut, liefert 720 PS bei 7500 Touren, die Kraftübertragung besorgt ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe. Im Porsche stellt der 3,8-Liter-Boxer 700 PS bei 7000 Touren bereit, auch hier ist ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe dabei. Klingt alles ziemlich Ehrfurcht gebietend, aber es sind doch nur Zahlen auf dem Papier, dürr und nackt. Im wirklichen Leben grollt der Boxer dunkel und böse, sprotzt und brüllt. Ein wildes, großes Tier. Er dreht nicht, er explodiert – Schluss ist erst bei 7200 Touren – und entwickelt dabei einen irren Schub.
Das Getriebe veranstaltet blitzschnelle, auf Wunsch brutale Gangwechsel. Wie stets bei Porsche fällt die sagenhafte Traktion auf, Resultat ist eine wahnwitzige Beschleunigung. In 3,1 Sekunden springt der GT2 RS auf 100 km/h, in 8,9 Sekunden auf 200. Das kann der McLaren aber auch. Der 720S reißt in 3,2 Sekunden die 100er-Marke, in 8,1 Sekunden die 200er. Beide Autos verfehlten damit ihre Werksangaben, aber keine Panik: Der Test fand bei 28 Grad in Süditalien statt, und Super Plus war einfach nicht aufzutreiben.

Die ausgefeilte Aerodynamik des 720S passt sich der Fahrt an

McLaren 720S
Schlauer Flügel: Das Leitwerk des 720S sorgt je nach Situation für Anpressdruck oder Bremswirkung.
Die Tendenz ist aber klar: Der Porsche hat den heftigeren Antritt, der McLaren wird oben raus schneller. Der GT2 ist gnadenlos auf Abtrieb getrimmt, der 720S unter anderem mit seinem elektronisch gesteuerten, beweglichen Heckflügel auf aerodynamische Effizienz. Der Flügel kann je nach Situation hohen Anpressdruck für schnelle Kurven aufbauen (49–56 Grad Neigung), sich für lange Geraden flach in den Wind legen (21 Grad Neigung) oder als Luftbremse aufstellen (70 Grad), um den Bremsweg zu verkürzen. Der McLaren-V8 dreht zornig und stürmt ohne jede Atempause auf 8200 Touren, ab 3000 Touren wird der Schub gewalttätig. Die Lader zischeln, der Motor brüllt schlürfend, metallisch und kreischt nicht ganz so infernalisch wie der Porsche. Das Getriebe erledigt den Start erstaunlich gefühlvoll, unter Last ist dann Schluss mit Gefühlen, dann gibt es den sprichwörtlichen Tritt in den Hintern. Die Lenkung arbeitet mit äußerster Präzision, direkt und mit feiner Rückmeldung.

Im Fahrwerk des GT2 steckt chirurgische Präzision

Porsche 911 GT2 RS
Wahnsinn: Der GT2 RS geht mit einer Präzision ums Eck, dass man als Fahrer kaum hinterherkommt.
Großartig, doch der Porsche verfügt über keine Lenkung mehr, sondern eindeutig über telepathische Kräfte: Nur dran denken, schon geht er messerscharf um die Ecke, zumal ja auch die Hinterräder einschlagen. Man kommt da – so als mittelalter Erdenmensch – kaum noch hinterher. Kein Wunder, sie haben alle Gummilager der Fahrwerkslenker eliminiert und durch stählerne Kugelgelenke ersetzt, praktisch spielfrei. Im direkten Vergleich auf der Strecke fährt der GT2 lauter und brutaler als der McLaren, bissig und direkt, stabil und unerschütterlich, mit sagenhafter Traktion. Er fordert dich mehr, braucht einen festen Griff am Lenkrad und schnelle Reaktionen. Es gilt: keinen Aktionismus, bitte! Mit einer ruhigen, sauberen Linie bist du schneller. Der 720S ist ein anderes Wesen. Er zieht linear und präzise seine Radien, geschmeidig, kühl und kontrolliert, auf fast unheimliche Weise perfekt bis in die letzten Fasern seiner Carbon-Konstruktion. Mit äußerst agilem Einlenkverhalten, raffiniert abgestimmter Elektronik und einer feinen Balance. Geht es noch schneller? Kann sein, aber nicht in unserer Galaxie.
Dirk Branke

Fazit

Beim GT2 RS spürst du die ganze Erfahrung von Porsche. Eine brutale, heißblütige Fahrmaschine, ausgereift bis ins letzte Detail. Der 720S ist ganz anders. Ultramodern, hochintelligent, kühl und technoid. Einzigartig sind beide. Schade, dass wir nur fünf Sterne vergeben können – und die bekommen beide.