Bislang waren neue AMG-Motoren ja eine recht zünftige Angelegenheit: Die Herren aus Affalterbach hauen dir ihr neuestes Pfund vor den Latz, das vor Kraft nur so strotzt und in seiner ganzen Pracht erst einmal ehrfürchtig bestaunt werden will. Nun schlägt AMG mit dem Antrieb des neuen CLS53 ein völlig neues Motorenkapitel auf: Ein hybridisierter Hochtechnologie-Reihensechszylinder markiert nun die Spitze, denn die Vierliter-Biturbo-V8 sind von nun an dem kommenden AMG GT-Viertürer vorbehalten. Ob das den Fans der eleganten Coupé-Limousine schmecken wird?

Der Hochtechnologie-Antrieb des CLS 53 erwacht vibrationslos

Mercedes-AMG CLS 53
Neues Konzept: Technisch ist die Maschine im CLS-Bug ein Leckerbissen – aber es fehlt ihr an Flair.
Aus technischer Sicht ist der neue Singleturbo-Reihensechser ein echter Leckerbissen. Dreh- und Angelpunkt des Antriebs ist ein integrierter Startergenerator (IGS), der 16 kW sowie 250 Nm Drehmoment als Anschubhilfe einspeisen soll. Zudem beherrscht der E-Helfer wichtige Hybridfunktionen wie Rekuperation, Lastpunktverschiebung und Segeln. Zudem versorgt der Booster das 48-Volt-Bordnetz und ersetzt Anlasser sowie Lichtmaschine. Auch den Strom für den elektrischen Verdichter – der seinerseits dem Abgasturbolader über die erste Atemnot helfen soll – liefert der Startergenerator. Wenn das für Sie nach Molekular-Küche für die spitze Gabel statt großer Völlerei klingt, haben Sie recht. Das Fahrerlebnis mit dem neuen 53er hat vom ersten Meter an rein gar nichts mit dem hackbeiligen AMG-Naturell vergangener Tage gemein: Der Hochtechnologie-Antrieb erwacht vibrationslos, noch bevor sich der Finger des Fahrers von der Starttaste gelöst hat und die Augen einen ersten Überblick über die einströmende Informationsflut auf dem virtuellen Breitbild-Cockpit gewonnen haben.

Der konventionell angetriebene Panamera soll den CLS schlagen

Porsche Panamera 4S
Ohne E-Booster: Wir haben den Panamera 4S zum Test gebeten – der 4 E-Hybrid ist schlicht zu schwach.
Nur heckwärts übertönt das gleichmäßige Röhren des Sechszylinders aus den vier Endrohren die andachtsgleiche Stimmung hinter dem silbern blitzenden Performance-Lenkrad. Und genauso gesittet beginnt die Fahrt, wenn sich der CLS im Eco-Modus sanftmütig in Bewegung setzt, der digitale Drehzahlmesser das Hochschalten der Neunstufen-Automatik in der Frequenz eines Sekundenzeigers beziffert und die Elektronik den Verbrennungsmotor im Segelmodus bei jeder kleinen Gelegenheit stilllegt. Unweigerlich fühlt man sich an den Porsche Panamera erinnert, dessen Doppelkupplungsgetriebe die Gänge gleichermaßen schnell sortiert und jeden kurzen Lupfer des Gaspedals als Einladung für spritsparendes Gleiten im Leerlauf zu nutzen weiß. Moderne Hybridtechnik gibt es auch im Panamera: Das Topmodell Turbo S E-Hybrid leistet mit E-Motor-Boost 680 PS, der kleinere 4 E-Hybrid tritt mit 468 PS Systemleistung an. Beide können – anders als der CLS 53 – auch rein elektrisch fahren. Der Papierform nach wäre der 4 E-Hybrid der interessantere Gegner für den CLS 53 gewesen. Sein V6-Verbrenner ist mit 330 PS Leistung allerdings deutlich schwächer als der des AMG.Zu unserem Vergleich tritt deshalb der konventionell angetriebene Panamera 4S mit 440 PS und 550 Nm Drehmoment an. Befeuert wird er von jenem 2,9-Liter-V6-Biturbo, der auch im Audi RS 4 und RS 5 seinen Dienst verrichtet. Mit einem bedeutenden Unterschied: Anders als bei den Ingolstädtern ist die Ansaugung zweiflutig angelegt. Gegenüber der Audi-Konfiguration verliert der Panamera-Motor dadurch 10 PS und 50 Nm Drehmoment.

In Sachen Leistungsaufbau erinnert der CLS an einen Tesla

Mercedes-AMG CLS 53
Schiebt: Das Ansprechverhalten des Motors ist in jedem Drehzahlbereich spontan – aber nie brachial.
Positive Effekte? Keine. Der von den RS-Modellen bekannte Charakter einer Tiefdruckfontäne, die sich gleichmäßig ohne eine Stromschnelle über das Drehzahlband ergießt, wirkt im Panamera noch glatter gezogen. Mehr Drehfreude, Athletik oder Charisma? Fehlanzeige. Das PDK macht es nicht besser: Trotz seiner kürzer übersetzten Hinterachse müssen die sechs Kolben gegen jene endlos langen Gänge fünf bis acht anstrampeln, die schon dem stärkeren Turbo zu schaffen machen. Da hilft nur fleißiges Runterschalten am Paddel und den V6 immer wieder bis zum Anschlag ausquetschen. Besonders bei schneller Autobahnfahrt wirkt der Antrieb dadurch nervös und wenig souverän. Der CLS 53 fährt sich entspannter: So seidig kultiviert wie ein BMW-Reihensechszylinder dreht der neue Mercedes-Wundermotor zwar nicht hoch, doch der Anstieg zum Drehzahlplateau verläuft trotz der komplizierten Aufladung (E-Verdichter, E-Booster, Abgasturbo) absolut ebenmäßig. Das kaum hörbare Fiepen des Startergenerators verschwindet mit steigender Drehzahl immer mehr unter der hellen Volllastakustik des Verbrenners. Das Ansprechverhalten ist in jedem Drehzahlbereich spontan, ein Turboloch einfach nicht existent.
Dazu passt die Spreizung der Fahrstufen, die den Motor treffsicher auf Zug halten und damit subjektiv etwas engagierter als den des Porsche wirken lassen. Doch all diese positiven Merkmale können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es dem 53er an einer Charaktereigenschaft fehlt, die das AMG-Fahrgefühl seit Jahr und Tag so emotional geprägt hat: dem monumentalen Schub aus dem Drehzahlkeller, der den Genuss der motorischen Opulenz bislang so ehrfurchtgebietend einleitete. Ganz ehrlich: Wer diesen monoton-symmetrischen Leistungsaufbau des 53ers schätzt, der kann auch gleich Tesla fahren.
Weitere Details zum Vergleich zwischen Mercedes-AMG CLS 53 und Porsche Panamera 4S finden Sie in der Bildergalerie. 

Fazit

von

Guido Komp
Am Ende ist die Ernüchterung groß: Porsche raubt dem Audi-V6 im Panamera das letzte bisschen Charakter, während uns AMG auf eine hybridisierte Zukunft mit weniger Emotionen vorzubereiten scheint.

Von

Guido Komp