Wovon alle Autobauer träumen? Ganz einfach: einmal besser zu sein als Porsche! Audi etwa versucht's mit dem R8. Den Elfer überholen? Hat weder auf der Rennstrecke noch bei den Kunden geklappt. Auch Mercedes hat sich versucht, mit dem AMG GT R. Doch kaum hatte der Daimler den 585 PS starken R gezeigt, konterte Porsche mit dem GT2 RS (700 PS) – und ist mal wieder die entscheidenden Zehntel vorn.

Beim Design geht noch ein bisschen mehr

Mercedes-AMG GT C 63 S 4Matic+
Keine klassische Schönheit: Der viertürige GT hat einen dicken Hintern wie die erste Panamera-Generation.
Vielleicht klappt es ja diesmal. AMG hat sich nicht wieder den gerade auf der L. A. Auto Show gezeigten erneuerten Elfer ausgesucht, sondern den Panamera. Wobei die Aufgabe dadurch nicht wirklich leichter wird, um ehrlich zu sein. Der große Porsche ist wohl die einzige Limousine, bei der man auf der Rennstrecke vergisst, dass da überhaupt noch Rücksitze sind. Und mit der du komfortabel gefedert Hunderte Kilometer auf der Autobahn abreitest, den Lieblingssender im Ohr statt eines brüllenden Motors. Nun will es der Mercedes-AMG GT 63 S 4Matic+ 4-Türer Coupé, so sein offizieller Name. wissen. Schon auf den ersten Blick ist klar, dass er Panamera-Gegner Nummer eins ist. Lange Haube, kurzes Heck mit großer Klappe, rund fünf Meter Länge und zwei Meter Breite – das Konzept ist das gleiche. Wenn auch der AMG eher der ersten Generation des Porsche ähnelt, Sie wissen schon, die mit dem dicken Hintern. Eine klassische Schönheit ist der GT nicht, er fällt aber auf im Straßenverkehr.

Auf dem Sachsenring wird der GT zum Sportler

Mercedes-AMG GT C 63 S 4Matic+
Starke Zeit: In 1:32,59 Minuten umrundet der AMG den Sachsenring – schneller als ein BMW M5 Competition.
Aber darum geht es hier nicht, wir wollen die dynamischen Qualitäten erfahren. Also ab auf den Sachsenring. Auf der Rennstrecke muss der GT zeigen, was in ihm steckt. Zumindest das Datenblatt verspricht eine Menge Spaß. 639 PS aus vier Liter Hubraum – stärker war noch kein Benz bisher. Und 900 Newtonmeter schon im unteren Drehzahlbereich versprechen einen Schub Marke Spaceshuttle. In etwas mehr als drei Sekunden geht es aus dem Stand auf 100, maximal sind 315 km/h drin. Alles graue Theorie, nur Zahlen. Denn es ist die Lässigkeit, die den Charakter des AMG ausmacht. In jeder, wirklich jeder Situation schüttelt der doppelt aufgeladene Motor mehr Kraft aus seinen acht Brennräumen, als man je bräuchte. Bleibt bei niedrigen Drehzahlen leise blubbernd im Hintergrund, kreischt bei hohen Drehzahlen derart gekonnt, dass die kleinen Härchen auf den Armen strammstehen. Gänsehaut – und trotz des hohen Gewichts von über zwei Tonnen klar ein echter Sportwagen.
Seine wahre Qualität zeigt der AMG aber erst auf abgesperrter Strecke. Mit chirurgisch präziser Lenkung, wenig Seitenneigung und heckbetont ausgelegtem Allradantrieb ist er schnell, sauschnell sogar. Mit einer Zeit auf dem Sachsenring von 1:32,59 Minuten ist er sogar fixer auf den 3,7 Kilometern unterwegs als ein BMW M5 Competition. Und wenn es mal nicht ganz so schnell sein soll: Die Jungs aus der Computerabteilung haben ein Driftprogramm spendiert, der GT wird ein fast schon leichtfüßiger Quertreiber, selbst für Nicht-Profis zu beherrschen.

Den Namen Gran Turismo trägt der AMG zu Recht

Mercedes-AMG GT C 63 S 4Matic+
Schneller Reisewagen: Auf 5,05 Metern Länge gibt es locker Platz für vier Passagiere samt Gepäck.
Sportlich kann er mit dem Porsche also mithalten. Und was ist mit Alltag? Schließlich ist es genau diese Kombination aus Rennstreckentauglichkeit und Lässigkeit an Werktagen, die den Panamera auszeichnet. Sagen wir es so: Der AMG ist ähnlich talentiert, leidet aber auch an den gleichen Problemen. Beginnen wir mit den Vorzügen: Die Federung flauscht ausreichend alle Sünden des Straßenbaus weg, Platz ist locker für vier Passagiere und Gepäck vorhanden – der Gran Turismo macht seinem Namen ("Große Reise") alle Ehre. Aber er ist auch unübersichtlich. Zwei Meter Breite machen im Stadtverkehr nicht viel Spaß. Und die Bedienung der von AMG gestalteten Mittelkonsole verbuchen wir mal unter Theater-Getöse, praktisch sind die vielen kleinen Touch-Schalter jedenfalls nicht. Und klar, ein schweres Auto plus großer Motor gleich gesegneter Appetit. Mercedes verspricht 11,3 Liter, um den Wert zu verdoppeln, braucht es aber nicht mal einen chronisch schweren Gasfuß. Im Test waren es im Schnitt 14,6 Liter. Gerade noch akzeptabel.
Wie auch der Preis. Los geht es bei 167.016,50 Euro (ja, auf die Cent legen sie bei Daimler wirklich Wert). Klingt viel, ist viel. Ein Porsche Panamera Turbo S E-Hybrid (680 PS) kostet aber locker 20.000 Euro mehr. Und für uns bleiben beide, richtig, ein Traum.

Fazit

von

Stefan Voswinkel
Schon beeindruckend, was die AMG-Jungs da auf die Räder gestellt haben. Der viertürige GT geht wie die Seuche und bietet dennoch reisetauglichen Komfort. Endlich mal ein wirklich ernsthafter Konkurrent für den Platzhirsch Porsche Panamera.

Von

Stefan Voswinkel