Der Motor atmet 1,9 Tonnen Luft pro Stunde

Gerne würde ich mich bei Herrn Gruber persönlich bedanken. Ihm die Hand schütteln für das schöne Wochenende. Für Gänsehaut, zitternde Knie und Herzklopfen. Dabei wüsste ich nicht einmal von einem Uwe Gruber, hätte ich nicht unter die Motorhaube des Mercedes SL 65 AMG geguckt. Als verantwortlicher Techniker hat er auf dem Zwölfzylinder unterschrieben, dessen 612 PS diesen Mercedes-Benz zum stärksten Serien-Roadster der Welt machen – neben dem Porsche Carrera GT. 612 PS – davon können elf VW Polo leben.

In Zahlen: Bei einem Leergewicht von 2050 Kilo bewegt jedes PS ein bisschen mehr als drei Kilo. Akademisch betrachtet. Gefühlt braut sich unter der Motorabdeckung aus Alu und kohlefaserverstärktem Kunststoff ein Gewitter zusammen, das sich blitzartig entlädt, sobald der Fahrer den Zündschlüssel dreht. Alternativ reicht auch ein Druck auf den Startknopf. Und schon tobt der Zwölfzylinder böse brüllend los, schaufeln zwei Turbolader 1,9 Tonnen Luft pro Stunde in die Brennräume.

Ja, vielleicht ist dieser Wagen der schönste Adrenalinkick meines Lebens. Ein Traumwagen, der alle anderen Autos wie tote Fliegen auf dem Asphalt kleben lässt. Beim Anfahren reißen 612 PS gewaltig an der Hinterachse, trotz Traktionskontrolle scharren die Reifen auf dem Asphalt.

Technische Daten und Bewertung

Der Muskelprotz kann vor Kraft kaum laufen. Kein Wunder bei unvorstellbaren 1000 Nm Drehmoment. Aber dann: In 4,5 Sekunden rast die Tachonadel auf 100, acht Sekunden später ist sie bei 200 km/h. Und dann – regelt bei 250 auch der 201.840 Euro teure Super-SL ab (300 km/h auf Wunsch). Bei schnellen Manövern versteift das aktiv geregelte ABC-Fahrwerk (Active Body Control) die Federung und lässt den Roadster ohne spürbare Seitenneigung nach links auf die Überholspur.

Auf Knopfdruck kann der Fahrer eine noch sportlichere Einstellung wählen. Die Fünfgangautomatik schaltet so schlau, dass wir aufs Gänge-Flippern am Lenkrad gern verzichten. Der Rest ist gewohnte SL-Perfektion mit größeren Rädern, Super- Bremsen und sportlichen Zutaten im Cockpit.

Nicht zu vergessen das faltbare Hardtop, das fast lautlos im Kofferraum verschwindet. Schnell und unbemerkt leert sich auch der 80-Liter-Tank. Weshalb ich noch einen Wunsch an Herrn Gruber hätte: ein Autogramm, bitte. Direkt auf die Tankquittung vom Wochenende.

Von

Margret Hucko