Es ist nichts Neues, dass Autos in den letzten Jahrzehnten immer größer geworden sind. So fällt kaum auf, dass die Mercedes-Mittelklasse mit ihrem Debüt 1982 eine der jüngeren Daimler-Baureihen im Programm ist. Das liegt daran, dass sich die C-Klasse vom einst sehr kompakten 190er bis auf zwei Fingerbreit in der Länge auf das Format der einstigen E-Klasse vom Typ W 124 herangemausert hat. So strahlt die C-Klasse nirgends mehr den frugalen Charakter des einstigen Baby-Benz aus, sondern steht von allen Stuttgarter Modellen am ehesten für den klassisch-gutbürgerlichen Mercedes. Zumindest zeigen dies die Verkaufszahlen. Mit etwa 397.000 Einheiten liegt die C-Klasse 2018 als meistverkaufter Benz noch vor der E-Klasse (rund 355.500). Die kürzlich erfolgte Modellpflege der Baureihe W 205 nehmen wir zum Anlass, diese Erfolgsgeschichte näher zu beleuchten. Wo liegt der Reiz der C-Klasse, wo liegen Schwächen, was gilt es, beim Kauf zu beachten?

Die Kernkompetenz der C-Klasse ist der Fahrkomfort

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Video: Mercedes-Benz C-Klasse (2018)

C-Klasse mit S-Klasse-Technik

Viele Kaufberatungen in AUTO TEST beginnen mit der Erläuterung von Kompromissen. Viel Platz für die ganze Familie, möglichst viel Sonderausstattung und alles zum günstigen Preis – ein Paket, mit dem viele Mittelklassemodelle ins Rennen gehen. Die C-Klasse wirkt schon nach den ersten Testkilometern ganz anders, konzentriert. Sie ist zum Fahren gemacht, und das möglichst gut. Der Innenraum bietet gerade so viel Platz wie nötig, und was den Umfang der Serienausstattung angeht, hat so mancher Koreaner bessere Karten. Dafür erhält der Käufer – ganz ohne Aufpreis – einen Wagen mit erstklassigem Geradeauslauf, einer großartigen Geräuschdämmung und enormem Fahrkomfort. Hier liegt die Kernkompetenz der C-Klasse. Wenn Ihnen dieser Eindruck wichtig ist, erfolgt hier die erste Kaufempfehlung für die C-Klasse. Sind reine Fahreigenschaften zweitrangig, blicken Sie eher auf andere Modelle.
Überblick: Alles zur Mercedes C-Klasse

Der Serientank ist viel zu klein

Mercedes C-Klasse
41 Liter Fassungsvermögen besitzen alle Diesel und Benziner unterhalb des 300ers. Damit schaffen selbst die Diesel keine 700 Kilometer.
Das Basismodell, welches bereits serienmäßig über adaptive Stoßdämpfer verfügt, rollt außerdem mit Klimaautomatik, Tempomat, teilelektrischen Vordersitzen und im Fall der meisten Motorisierungen mit einem vorzüglichen Neunstufen-Automatikgetriebe an. Seit der Modellpflege ist zudem die schlüssellose Zündung an Bord – eine Art halbiertes Keyless-Go, bei dem der Wagen zwar aufgeschlossen werden muss, der Schlüssel danach aber dank Starttaste in der Tasche bleiben kann. Langjährige Mercedes-Fahrer dürften im Umfang der Serienausstattung einige Kleinigkeiten vermissen. Ein separates Schloss für den Heckdeckel bietet Mercedes noch an, es kostet aber 29 Euro Aufpreis. Störend fällt auf, dass die in alten Tagen stets serienmäßige Beheizung der Scheibenreinigungsanlage schon seit einigen Jahren mit 202 Euro extra zu Buche schlägt. Zum Schluss: der größte Zankapfel in Form des viel zu kleinen Serientanks. 41 Liter Fassungsvermögen besitzen alle Diesel und Benziner unterhalb des 300ers. Unter realen Bedingungen kommen damit selbst die sparsamen Diesel keine 700 Kilometer weit. Das Volumen des vergrößerten Tanks für 59 Euro liegt mit 66 Litern auf dem Niveau einstiger Standardtanks, genügt aber immerhin, um die Republik einmal von Nord nach Süd zu durchqueren. Nicht dass uns 59 Euro Aufpreis beim ohnehin nicht ganz billigen Mercedes abschreckten, doch erscheint uns diese Aufpreispolitik schon arg knickerig.

Viele Extras gibt's unabhängig von Motorisierung oder Ausstattung

Auf der Habenseite steht wie bei den meisten Modellen mit Stern die schier endlose Möglichkeit, Sonderausstattungen individuell zu wählen. Auch wenn Mercedes zuletzt immer häufiger sinnvoll zusammengestellte Ausstattungspakete schnürt, lassen sich die meisten Extras noch unabhängig von Motorisierung oder Ausstattungslinien wählen. Genau das unterstreicht den fahrerorientierten Charakter der C-Klasse. Angenommen, Ihnen genügt ein schlichtes Basismodell, Sie wollen aber vollelektrische Memorysitze oder ein Panoramaschiebedach haben – kein Grund, teure Luxuspakete hinzubuchen zu müssen.
Mercedes C-Klasse
Grillmeister? Wer den klassischen Mercedes-Plakettengrill nebst Haubenstern schätzt, muss 1249 Euro für das "Exclusive-Exterieur" anlegen.
Überhaupt geben die Ausstattungslinien bei Mercedes nur indirekt den Ton an. Die Basisversion ähnelt größtenteils der Avantgarde-Linie wie bei unserem blauen T-Modell und verzichtet nur auf einige Chromleisten. Die Exclusive-Optik unterstreicht den klassischen Daimler-Auftritt mit Plakettengrill und Haubenstern. Zudem gibt es die sportlich getrimmte AMG-Line (mit AMG-Interieur für 4105 Euro). Hier sind ein Kühlergrill in Diamantoptik, 18-Zoll-Aluräder und ein Sportfahrwerk an Bord. Ansonsten gibt es zur äußerlichen Unterscheidung nur noch das mannigfaltige, aber teure Räderangebot sowie die verschiedenen Scheinwerfer. Serienmäßig sind einfach aufgebaute Halogenleuchten, darüber liegen Voll-LED-Scheinwerfer für 1029 Euro, die sich für 214 Euro mit einem Fernlichtassistenten kombinieren lassen, und zu guter Letzt – wie bei den Testwagen – die Multibeam-LED-Scheinwerfer, die die Straße mit Matrixtechnik erhellen und im möglichen Dauerfernlicht den Gegenverkehr einfach ausblenden.

Fair: 1666 Euro Aufschlag für ein T-Modell

Mercedes C-Klasse
Laderaum: In der Grundfläche fast identisch mit der Limousine, lässt es sich im T-Modell hochstapeln. Serienmäßig: das praktische Doppelrollo.
Bevor aber beherzt in den Sonderausstattungstopf gegriffen werden kann, muss die Frage nach der Karosserie beantwortet werden. Für die C-Klasse stehen deren vier zur Wahl: Limousine, T-Modell, Coupé und Cabrio – die letzten beiden lassen wir in diesem Rahmen außen vor. Ob Limousine oder T-Modell – das entscheidet der Platzbedarf. Wer sich nicht sicher ist, ob die 480 Liter des Limo-Ladeabteils ausreichen, kann entweder 345 Euro Aufpreis für die umklappbaren Rücksitze zahlen oder 1666 Euro Aufschlag für ein T-Modell anlegen. Dieser Betrag scheint uns fair, sind andere Kombis häufig empfindlich teurer. Bei den T-Modellen ist ein Verbrauchsnachteil von 0,1 Liter im Durchschnitt zu vernachlässigen. Wer sich trotzdem nicht entscheiden kann, findet im Fond ein Argument für den T: Die Kopffreiheit ist gerade so viel großzügiger, dass auch Hünen von mehr als zwei Meter Größe Platz finden.

Auch die kleinen Motoren können überzeugen

Ist die Formfrage geklärt, bleibt die Ausstattung. Wir sehen die C-Klasse hauptsächlich als gelungenes Fahrwerkzeug, sind also am ehesten bereit, diesen Charakter durch Extras zu unterstreichen. So erscheint uns die Luftfederung für 1666 Euro nicht abwegig. Auch das Sound-Komfortpaket für 1160 Euro wirkt zunächst wie entbehrlicher Luxus, gestaltet aber dank Burmester-Soundanlage und doppelter Seitenverglasung mit Akustikfolie lange Strecken spürbar angenehmer. Gleiches gilt für das Head-up-Display für 1178 Euro. Das größere Infotainmentdisplay lässt sich angenehm ablesen und dürfte den Wiederverkaufswert steigern. Das bei Mercedes stets hohe Luxuspotenzial wird auf dem Gebrauchtwagenmarkt am ehesten durch auffällige Technikextras honoriert. Sparsam bleiben kann der Käufer indes ruhig bei den Motoren. Lahm oder schlecht ist keiner von ihnen – selbst die kleineren überzeugten uns auf Anhieb.

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Kaufberatung Mercedes C-Klasse Facelift
Kaufberatung Mercedes C-Klasse Facelift
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Kaufberatung Mercedes C-Klasse Facelift

Von

Andreas Jüngling