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Video: E-Klasse gegen 5er BMW

Neue E-Klasse im ersten Vergleich

Hier schlägt das Herz von Mercedes. In der E-Klasse versammeln sich alle Wesensmerkmale des Mercedes-Seins, das hat Tradition. Nichts anderes erwarten wir folglich vom Nachfolger – er muss als Vollwert-Benz rüberkommen, und er muss den klassischen E-Klasse-Spagat vollziehen: den Taxifahrer ebenso glücklich machen wie den Handelsreisenden oder den Oberarzt, Nutztier sein, aber zugleich prestigeträchtig. Er muss dem reifen Big Spender das Geld wert sein, ohne deshalb als Seniorenkatapult abgestempelt zu werden. Neu und zunehmend wichtig: Er muss auch dem Chinesen gefallen.
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Die neue E-Klasse erntet Respekt beim Betrachter

Mercedes E 220 d
Länger und breiter: Die neue E-Klasse ist stattlich geworden und macht ordentlich was her.
Bild: Angelika Emmerling
Eine Mammutaufgabe, keine Frage. Und rein visuell würden wir der neuen E-Klasse schon mal Vollzug attestieren: Sie macht was her, eine Limousine, die beim Betrachter Respekt erntet. Zugleich folgt sie stilgetreu dem aktuellen Einheitsdesign von Mercedes, ein paar Zentimeter länger und breiter als der Vorgänger. Basisversion und "Exclusive"-Ausstattung berechtigen zum Traditionsgrill, "Avantgarde" und "AMG Line" bedeutet Sportgrill ohne Stern auf der Haube. Schwer beeindruckend dann auch der Blick ins Innere: Das Cockpit der neuen Mercedes-Oberklasse präsentiert sich derart schickobello, dass es selbst in Feudalkreisen eine gute Figur machen würde. Im oberen Bereich erstrecken sich gegen Aufpreis zwei 12,3-Zoll-Monitore, virtuelle Anzeigen ersetzen klassische Instrumente, alles nach Wunsch konfigurierbar. Das Infotainmentangebot erfüllt modernste Ansprüche inklusive gängiger Lifestyle-Befindlichkeiten.

Neue Assistenzsysteme auf dem Weg zum autonomen Fahren

Mercedes E 220 d
Voll mit Assistenten: Der Arbeitsplatz im Benz sieht nicht nur edel aus, er hilft auch aktiv beim Fahren.
Bild: Angelika Emmerling
Umso mehr freut sich der Fahrer angesichts des enormen Ablenkungspotenzials über die jüngste Generation der Fahrassistenten. Von echter Intelligenz kann hier zwar nicht die Rede sein, so sehr dieser Begriff von Mercedes auch strapaziert wird. Schließlich tun die weiterentwickelten Systeme nur das, was ihnen zuvor in Form diverser Algorithmen eingeimpft wurde. Aber es beruhigt, wenn das Auto notfalls autonom bremst, auch bei Querverkehr an Kreuzungen, wenn es helfend in die Lenkung eingreift und im Fall des Unfalls Vorsorge trifft. Schön auch, wie die E-Klasse mittels "Drive Pilot" vorausfahrenden Autos folgt, selbst um leichte Kurven, und nun auch dann die Spur hält, wenn Fahrbahnmarkierungen fehlen. Bei Bedarf genügt es, den Blinker zu setzen, und sie wechselt von selbst die Spur – Schritte auf dem Weg zum autonomen Fahren.
Der 5er BMW, der dem Mercedes bei dieser ersten Ausfahrt Gesellschaft leistet, beherrscht dergleichen jedenfalls noch nicht. Seine Aufgabe ist es, eine erste, noch vorläufige Einordnung der E-Klasse zu ermöglichen. Erster Eindruck im direkten Vergleich: Was das Raumangebot betrifft, hat sich die Relation zwischen BMW und Mercedes durch den Modellwechsel nicht wesentlich verändert: Gefühlt zumindest liegen beide etwa gleichauf, wobei der Mercedes den leichteren Einstieg in den Fond ermöglicht, während der BMW die bequemeren Sitze offeriert.
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Der Mercedes ist komfortabel ohne ins Schwammige abzugleiten

Mercedes E 220 d
Die neue Vierlenker-Vorderachse erhöht im Verbund mit dem Luftfahrwerk Komfort und Querdynamik.
Bild: Angelika Emmerling
So hochwertig und modern wie in der neuen E-Klasse geht es im 5er nicht zu, andererseits kann er in Sachen Bedienung ein paar Vorteile ins Feld führen. Das vermögen auch die neuen Sensortasten in den Lenkradspeichen des Mercedes nicht zu verhindern – nun wird hier nicht mehr gedrückt, sondern gewischt. Die wahren Schätze der neuen E-Klasse finden sich ohnehin im Verborgenen. Da wäre das neue Fahrwerk mit der Vierlenker-Vorderachse (zuvor drei Lenker), das neue Komfortpotenziale eröffnet. Das gilt umso mehr, wenn der Kunde zusätzlich die ebenfalls neue Luftfederung ordert. Sie verfügt nun über mehrere Luftkammern (vorn zwei, hinten drei), die unterschiedliche Federhärten ermöglichen. Das löst in Verbindung mit der variablen Stoßdämpfung das alte Problem, dass die Dämpfung nicht immer mit der Federung harmoniert. Und das spürst du: Die weiche Grundfederung bietet im "Comfort"-Modus einen eklatanten Komfortzuwachs, ohne ins Schwammige abzugleiten. In "Sport" und "Sport+" zahlt sich sodann die Straffung der Federung aus, das Handling verdient nun mehr als zuvor das Prädikat sportlich, ohne den Komfort zu ruinieren. Ein klarer Fortschritt.

Auf der kurvenreichen Landstraße macht der 5er mehr Spaß

BMW 525d Automatik
Gewohnte Rolle: Im Vergleich mit der neuen E-Klasse bleibt der BMW 5er das handlichere Auto.
Bild: Angelika Emmerling
Wo bleibt da der BMW? Er bleibt beim Wuseln auf kurvenreichen Straßen der Handlichere, seine Lenkung vermittelt mehr Fahrbahnkontakt. So samtpfotig wie der Mercedes bewegt er sich aber nicht, und lauter ist er auch, sowohl in den Abroll- und Windgeräuschen als auch unter der Haube. Letzteres wirft zugleich ein Schlaglicht auf eine epochale Neuheit, die in der E-Klasse Premiere feiert: Mercedes präsentiert im 220 d einen brandneuen Dieselmotor in Aluminiumbauweise – vier Zylinder, geschrumpft von 2,1 auf 2,0 Liter, und kompakter, leichter (von 203 auf 168 kg), stärker (194 PS, 400 Nm), noch sauberer, um 17 Prozent sparsamer und eben auch laufruhiger. Verglichen mit dem grummelnden Diesel im bisherigen 220 d, ist der Nachfolger eine Offenbarung. Das neue Aggregat kommt ausschließlich zusammen mit der Neunstufenautomatik, eine angenehm geschmeidige Verbindung. Und es lässt den gegnerischen Antrieb im BMW in Sachen Laufkultur und Normverbrauch alt aussehen.
Was die Leistung betrifft, wäre der 520 d (190 PS) der passende Vergleichspartner, im Preis eher der 525 d (217 PS, handgeschaltet ab 47.400 Euro), der erwartungsgemäß mit deutlich besserem Durchzug aufwartet. Preislich bleibt Mercedes gleichwohl auf dem Teppich. Der neue E 220 d kostet nur 178,50 Euro mehr als der alte, mithin ab 47.124 Euro. Zum Verkaufsstart im April 2016 stehen außerdem der Benziner E 200 (184 PS, ab 45.303 Euro) und der sechszylindrige E 350 d (258 PS, 55.603 Euro) bereit.
Technische Daten BMW 525d AutomatikMotor: Vierzylinder, Turbo, vorn längs • Hubraum: 1995 cm³ • Leistung: 160 kW (218 PS) bei 4400/min • max. Drehmoment: 450 Nm bei 1500/min • Vmax: 243 km/h • 0–100 km/h: 6,9 s • Antrieb: Hinterrad, Achtstufenautomatik • Tankinhalt: 70 l • Länge/Breite/Höhe: 4907/1860-2102/1464 mm • Kofferraum: 520 l • Leergewicht: 1730 kg • Zuladung: 535 kg • EU-Mix: 4,7 l Diesel/100 km • Abgas CO2: 123 g/km • Preis ab 49.650 Euro.
Technische Daten Mercedes E 220 d • Motor: Vierzylinder, Biturbo, vorn längs • Hubraum: 1950 cm³ • Leistung: 143 kW (194 PS) bei 3800/min • max. Drehmoment: 400 Nm bei 1600/min • Vmax: 240 km/h • 0–100 km/h: 7,3 s • Antrieb: Hinterrad, Neunstufenautomatik • Tankinhalt: 50 l • Länge/Breite/Höhe: 4923/1852-2065/1468 mm • Kofferraum: 540 l • Leergewicht: 1680 kg • Zuladung: 640 kg • EU-Mix 3,9 l Diesel/100 km • Abgas CO2: 102 g/km • Preis ab 47.124 Euro.

Fazit

von

Wolfgang König
Wunder kann sie nicht, die neue E-Klasse. Sie begnügt sich mit dem kleinen Fortschritt, den aber auf breiter Front: mehr Komfort, mehr Laufkultur, mehr Sicherheit, mehr Infotainment, weniger Verbrauch. Heraus kommt kein BMW, wie diese Begegnung zeigt, sondern ein typischer Mercedes und eine typische E-Klasse – nur eben auf höherem Niveau.

Von

Wolfgang König