Nie gab es weniger Einträge im Fahrtenbuch eines AUTO BILD-Dauertests. Beim Mercedes E-Klasse T-Modell füllten wir über 100.000 Kilometer gerade mal 17,5 Seiten. Der Grund für diese Zurückhaltung? Wer im Schwaben-Kombi erst mal Platz genommen hatte, der wollte nicht mehr aussteigen. Frei nach dem Motto: fern, schnell, gut.

E-Klasse ist meistverkaufter Benz der Firmengeschichte

Es ging tatsächlich schnell, kaum stand der Benz auf dem Hof, check­te sofort der nächste Kollege für die nächste Dienstreise ein, blieb tage­lang und für viele Tausend Kilome­ter auf dem Benz – Kurzstrecken und häufige Fahrerwechsel gab es bei dem Stuttgarter kaum. Wäre nicht unser strenger Test-Koordinator Gunnar Heisch eingeschritten, die Kollegen hätten sich um S-KE 5293 ge­prügelt. Und frühzeitig ihr Handtuch auf den Fahrersitz gelegt. Ein "Problem", das auch andere kennen. Mit über 14 Millionen Fahrzeugen ist die E-Klasse meist­verkaufter Benz der Firmengeschichte. Oder wie Redakteur Manfred Klangwald es zusammenfasst: "Ein­steigen und sich wohlfühlen."

Bedienung über Touchscreen will gelernt sein

Das beginnt mit dem großzügi­gen Platzangebot und setzt sich mit bequemen Polstern fort. Die Bedienung über die sensiblen Lenkrad-Streichelfelder und den mittleren Touchscreen will allerdings gelernt sein, lässt (zu) viel Raum für versehentliches Touchen. Außerdem sitzt der ziemlich kleine Schalter für den Warnblinker zu weit weg vom Fahrer. Doch in diesen Punkten gelobt Mercedes künftig Besserung.
Fern, schnell, gut!
Auch ohne 4Matic ist der Benz ein sicheres Winterauto. Heckantrieb und Winterreifen von Godyear sorgen für Vortrieb.
Wenig bis gar nichts zu verbes­sern gibt es beim Fahren. "Toller Kilometerfresser", vermerkt Kollege Axel Sülwald Anfang 2018. Solche Komplimente sammelte der Mer­cedes über die gesamte Laufzeit wie Hamilton Grand-Prix-Siege. Und dafür gibt es drei gute Gründe. Erstens: der Motor. Der Zweiliter-Diesel mit seinen 194 PS passt per­fekt zum großen Kombi, jeder an­dere Antrieb würde wie eine Notlösung wirken. Gemütliches Cruisen fällt ihm genauso leicht wie schnelle Autobahnschnitte. Und der Verbrauch schwankt dabei zwischen sechs und neun Litern. Plus rund 1,5 Liter AdBlue alle 1000 Kilometer – für reinen Atem. Da wundert's nicht, dass bei der E-Klasse hierzulande 68 Prozent zum Selbstzünder greifen. Wenn beim E 220 d überhaupt etwas ne­gativ auffällt, dann das präsente Diesel-Brummeln im Stadtverkehr. Klingt nach Taxi – ist laut Daimler aber leicht abstellbar. Einmal vom Servicepartner alle Verschrau­bungen der Abgasanlage lösen und wieder festziehen lassen. So entspannt sich der Auspuff, und es kehrt Ruhe ein.

Der E 220 d schnurrt flüsterleise dahin

Zweitens: das Fahrwerk. Die optionale Luftfederung macht die E-Klasse zu einem echten Softie. Weich wogt der Schlitten über lange Wellen und provoziert trotzdem niemals Seekrankheit. Ausreichend fest und konsequent tritt er Kanten und Kuhlen gegen­über, ohne unsere Bandscheiben in Mitleidenschaft zu ziehen. Kollege Mario Puksec schließt nach 4600 Kilometern im Benz deshalb mit den Worten: "Es war mir ein Ver­gnügen." Drittens: die Geräuschdämmung. So laut das Gemecker über stören­des Brummeln bei Schleichfahrt, so leise ist der Daimler bei schneller Autobahnfahrt. Die aufwendige Dämmung des Innenraums zahlt sich aus. Redakteur Claudius Maintz schwärmt: "Selbst jenseits von 200 km/h kann der Beifahrer entspannt telefonieren." Einzige Gefahr: So flüsterleise und flauschig, wie der E 220 d dahinschnurrt, verabschie­den sich die Mitreisenden bei Nacht­fahrten gern mal ins Traumland – und der Pilot sitzt ohne Unterhaltung da.

Gleich am Anfang streikte die GPS-Antenne

Fern, schnell, gut!
Nach 97.804 Kilometern versagte die CO2-Klimaanlage. Die Werkstatt ersetzte den ausgefallenen Klimakompressor auf Garantie/Kulanz.
Warum dieser Top-Dauertest dennoch nur mit Note 2 endet? Wo doch auch die Zerlegung mit Blick bis in den allerletzten Winkel von Motor und Karosserie keine Schwachpunkte aufdeckt? Schnell erzählt. Schon bei Kilometerstand 15.328 streikte die GPS-Antenne und ließ den Benz ohne Navi dahintrudeln. Schuld war ein undichtes Spiegelgehäuse (da­rin steckt die GPS-Antenne). Inzwi­schen kommen die Teile von einem anderen Zulieferer und lassen keine Feuchtigkeit mehr rein. Noch bit­terer: Kurz vor Testende streikte die CO2-Klimaanlage. Die Mercedes- Werkstatt ersetzte den Kältemittelverdichter wegen Undichtigkeit – obwohl laut Mercedes-Arbeitsanweisung auch die simple Erhö­hung der Ölfüllmenge gereicht hät­te. Mittlerweile gehört das Quäntchen mehr Öl hier zur Serie. Gut so, aber zu spät für den Dauertest. Der muss mit den Fehlerpunkten leben. Und mit der Note 2. Da wä­re mehr drin gewesen – bei einem Testwagenpreis von 83 014 Euro (Basis 50 724 Euro) sowieso.
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Mercedes E-Klasse (2016): Test - Dauertest - Technik

Die E-Klasse im Dauertest

Fazit von Redakteur Gerald Czajka und Manfred Klangwald: Dauertest mit Sternchen – auch wenn am Ende "nur" eine 2 steht. Doch die verdankt der Benz allein mittlerweile behobenen Miseren. Aus Fahrbetrieb und Schlusszerlegung heraus lässt sich dem E 220 d T-Modell ansonsten fast nichts vorwerfen.

Von

Manfred Klangwald