Deutsche Autokäufer und Hybrid – das ist bislang keine Lovestory. Von den 1.337.679 Pkw, die von Januar bis Mai zwischen Flensburg und Füssen neu zugelassen wurden, rollten lediglich 6721 mit der Kraft der zwei Herzen vom Händler-Hof. Gründe dafür gibt es mehrere. Erstens holen die wenigsten Hybridmodelle ihren Mehrpreis durch den niedrigeren Spritverbrauch wieder herein. Zweitens beschränkt sich das Angebot (außer bei einigen Japanern) noch immer vorwiegend auf teure Edel-Autos. Und drittens beißen sich die Antriebszwitter am europäischen Kunden so lange die Zähne aus, wie ihre Hersteller nur auf große Märkte wie Amerika und Asien schielen und lediglich Benziner mit E-Motoren paaren. Verbrauchswunder sind dadurch bisher ausgeblieben.
Mercedes E 300 Hybrid
Die sparsamste Oberklasse-Limousine der Welt? Mercedes verspricht für die Hybrid-E-Klasse viel.
Mercedes ändert nun die Taktik. Nur 111 Hybridzulassungen von Januar bis Mai 2012 lassen die Schwaben umdenken. Als erster deutsche Autobauer setzen sie jetzt auf den Diesel als Partner für den Elektromotor. Herausgekommen ist der E 300 Bluetec Hybrid. Laut Mercedes die sparsamste Oberklasselimousine der Welt. Klingt gut. Und stimmt auf dem Papier sogar: Weniger als 4,2 Liter pro 100 Kilometer verbraucht in dieser Liga keiner. Damit wäre der Hybrid sogar noch 0,7 Liter genügsamer als der bereits verblüffend knauserige E 250 CDI, von dem er sich den 204 PS starken 2,1-Liter-Doppelturbo-Vierzylinder leiht. Dieser erhält beim E 300 Bluetec Hybrid Unterstützung von einem E-Motor mit 20 kW (27 PS), den Mercedes anstelle eines Drehmomentwandlers ins Gehäuse der Siebenstufenautomatik gezwängt hat. Zusammen stemmen beide Aggregate rund 230 PS Systemleistung. Eine Lithium-Ionen-Batterie mit 0,8 kWh Energiegehalt liefert Strom – entweder fürs rein elektrische Fahren auf kurzen Strecken oder als Zusatzpower beim Beschleunigen.

Überblick: Stromer und Hybride bei AUTO BILD GREENCARS

Mercedes E 250 CDI
Konventionell angetrieben: In Sachen Dynamik liegt der E 250 CDI gleichauf mit seinem Hybrid-Bruder.
In der Praxis funktioniert das Zusammenspiel der beiden Antriebsquellen zwar harmonisch und nahezu ruckfrei. Elektrisierende Erlebnisse bleiben aber aus. Angenehm fällt auf, dass beim Kaltstart kein Dieselknurren die Nachbarn aufweckt. Lautlos schleicht sich der Hybrid-Mercedes morgens aus dem Wohngebiet. Aus dem versprochenen einen Kilometer reiner Stromfahrt wird jedoch meist nichts. Entweder ist die Batterie dafür nicht voll genug, oder das schlappe Elektromotörchen kapituliert vor der erstbesten Mini-Steigung und bittet um fossilen Beistand. Spätestens bei Tempo 35 springt der Diesel sowieso wieder an – gedämpfter allerdings als beim E 250 CDI, der sich – auch nach innerstädtischen Start-Stopp-Phasen beim Ampelhalt – deutlich hör- und fühlbar wieder wachschüttelt. Auch wenn der E-Motor beim Beschleunigen unterstützt, kann der Hybrid nicht auftrumpfen. Wie die Messungen zeigen, schaffen es seine mageren 20 kW gerade so, das Fahrzeug-Mehrgewicht von 72 Kilo auszugleichen.
Bei der Beschleunigung von 0 auf 100 liegen beide E-Klassen mit 7,7 Sekunden gleichauf. Im Durchzug kann der Hybrid dem E 250 ebenfalls nicht davonfahren. Schafft er wenigstens das versprochene Verbrauchswunder? Leider nein. Mit einem Schnitt von 5,5 Litern war der Teilzeit-Stromer auf der AUTO BILD-Testrunde nur zwei Zehntel sparsamer als sein konventioneller Zwillingsbruder. Bei betont sachter Fahrweise und Vollgas-Verzicht ließen sich mit gemessenen 4,6 Litern immerhin 0,4 Liter Verbrauchsvorteil herausholen – ebenso in der City, wo der Hybrid (5,9 Liter) von einem gewissen Anteil elektrischen Fahrens im Stop-and- go-Betrieb profitiert. Die Funktion des "Segelns" bleibt hingegen ohne großen Nutzen – zumal Mercedes, ebenso wie viele Mitbewerber, den Begriff missverständlich nutzt. Denn unterhalb von 160 km/h wird beim Dahinrollen nur der Verbrennungsmotor stillgelegt und vom Antriebsstrang getrennt. Vortrieb wie beim Schiff, dem der Wind die Takelage bläht, findet nicht mehr statt. Wer das Gaspedal nur sanft berührt, um die Geschwindigkeit zu halten, ruft sofort den Diesel wieder auf den Plan.

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Mercedes E 300 Hybrid Mercedes E 250 CDI
Gleichstand: Am Ende kann der E 300 Hybrid nichts besser als der E 250 CDI – kostet aber deutlich mehr.
Auch "Segeln plus", wie die Stuttgarter einen weiteren Fahrmodus nennen, hat mit Segeln im nautischen Sinn nichts zu tun. Hier wird lediglich durch einen Zug am rechten Schaltpaddel auch der Elektromotor abgehängt, der sonst in Schubphasen Bewegungsenergie in Akkustrom verwandelt – Rekuperation heißt das im Fachchinesisch. "Segeln plus" eliminiert also nur das dadurch entstehende Bremsmoment, sodass das Auto länger rollen kann, bevor bei neuerlichem Leistungsabruf der Verbrennungsmotor wieder anspringen muss. Zurück bleibt die Erkenntnis: Auch der Hybrid ist eine vollwertige E-Klasse – bequem, geräumig, souverän. Die Elektrifizierung fordert kaum Zugeständnisse. Lediglich auf Luftfedern, Notrad und Anhängekupplung müssen Hybridkunden verzichten. Und die Starterbatterie, die einen Teil der Reserveradmulde ausfüllt, reduziert das Kofferraumvolumen um 35 auf 505 Liter. Aber: Der E 300 Bluetec Hybrid kann nichts besser als eine herkömmliche Diesel-E-Klasse. Und der Minderverbrauch fällt so gering aus, dass er kaum der Rede wert ist – schon gar nicht die 3570 Euro Mehrkosten. Viel Geld für einen prestigeträchtigen Chromschriftzug am Heck.
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Martin Puthz

Fazit

Der Berg kreißte – und gebar eine Maus. Mit großen Erwartungen gestartet, gibt der E 300 Bluetec Hybrid ein eher enttäuschendes Debüt. Das versprochene Verbrauchswunder bleibt aus, technischer Aufwand und Mehrkosten sind im Verhältnis zum erzielbaren Nutzen zu hoch. Um den Verbrenner wirksam entlasten zu können, müssten der Elektromotor stärker und die Batteriekapazität größer sein. So kann der gewöhnliche Diesel praktisch alles genauso gut, kostet aber viel weniger. Deswegen gewinnt er hier.