Fragen Sie uns nicht, wie das geht. Aber irgendwie hat es Daimler geschafft, seinem Biturbo-V12 die neueste Abgasnorm beizubiegen. So darf der Motor M279 also noch einmal aufspielen und als größtmögliche Versuchung das Topmodell der Mercedes S-Klasse krönen. Gestatten: Mercedes-Maybach S 680, seines Zeichens das Luxuriöseste, was Stuttgart zurzeit zu bieten hat. AUTO BILD ist den wohl letzten Serien-Mercedes mit V12 gefahren! (Alle wichtigen Tipps zum Neuwagenkauf)

V12-Logos und etwas mehr Chrom am Mercedes-Maybach S 680

Zuvor noch ein kurzer Rundgang ums Auto, was bei 5,47 Meter Länge etwas dauert. Schließlich wollen wir wissen, woran man den Zwölfzylinder erkennt, denn es ist genaues Hinschauen angesagt: Verchromte Kühlergitter vorne, V12-Logos auf den Kotflügeln, S 680-Schriftzug hinten, das war's.
Hinweis
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Doch schon der "Basis"-Maybach mit V8 macht Eindruck. Mächtig stellt sich der Chromgrill in den Wind, die Motorhaube ziert ein Längsfalz mit Chromstreifen. Ob es wirklich die Gullideckel-ähnlichen 20-Zöller sein müssen, ist natürlich Geschmacksache. Aber auch hier: Eindruck machen sie auf jeden Fall.
Mercedes-Maybach S 680 4MATIC
Die Zweifarblackierung kostet nicht nur Aufpreis, sondern auch Dezenz: Unifarben wäre die Limousine unauffälliger.
Bild: Daimler AG

Maybach-Fond mit verschwenderisch viel Luxus und Platz

Nachdem das Optik-Kapitel abgehakt ist, setzen wir uns rein. Zuerst im Fond, denn hier spielt sich der wahre Luxus ab. Nachdem die Türen geschlossen sind – optional per Gestensteuerung vom Fond aus – wird es vollkommen still, und es kommt Privatjet-Feeling auf. Man sitzt auf kuschelweichen Einzelsitzen mit Kissen, Heizung, Kühlung und Massagefunktion für die Waden, das Platzangebot ist verschwenderisch. Blütenweißes Leder ziert selbst die hintersten Winkel. Kühlschrank und silberne Kelche? Zwischen den Sitzen. Gekühlte und beheizte Getränke? Zwischen den Passagieren unter einer elektrisch öffnenden Abdeckung.
Mercedes-Maybach S 680 4MATIC
Der Maybach ist auch mit durchgehender Sitzbank zu haben. Diese Option wird vor allem in China angekreuzt.
Bild: Daimler AG

Der Biturbo-V12 in der Top-S-Klasse ist flüsterleise

Aber heute soll es um den V12 gehen. Also Platzwechsel von hinten rechts nach vorne links, Schlüsseldreh – und los. Schon nach kurzer Zeit wird klar: Der Sechsliter-Biturbo glänzt durch Zurückhaltung, die meiste Zeit hört man ihn kaum. Spüren ja, aber nur, wenn man ihn fordert. Dann hebt sich der Bug würdevoll, und die 612 PS beschleunigen den S 680 mit Druck nach vorne. 4,5 Sekunden vergehen dank Allradantrieb von 0 auf 100 km/h, bei 2350 Kilogramm Leergewicht ein respektabler Wert. Erhaben fühlt es sich an, wirklich schnell aber nicht. (So fährt das einzige japanische Serienauto mit V12-Motor.)
Mercedes-Maybach S 680 4MATIC
Bis auf Pedalerie, Anzeigegrafiken und den Schriftzug am Lenkrad ist das Cockpit aus der S-Klasse bekannt.
Bild: Daimler AG

Die Allradlenkung ist pure Magie in diesem Luxusauto

Doch das ist auch nicht das Ziel. Erhaben, bequem soll es sein, und das kann die Maybach-S-Klasse wie kein Zweiter. Dank aktiver Geräuschunterdrückung ist es stets flüsterleise, und das vollaktive Fahrwerk "E-Active Body Control" gibt nicht die kleinste Unebenheit an die Passagiere weiter. Wirklich beeindruckend ist auch die Allradlenkung. Sie verkleinert den Wendekreis von 13 auf rund elf Meter – und es fühlt sich tatsächlich surreal an, wie gut die Limousine um enge Kehren fährt.
Mercedes-Maybach S 680 4MATIC
Das vollaktive Fahrwerk ist eine Wucht, Unebenheiten sind praktisch nicht zu spüren.
Bild: Daimler AG

Beim V12-Motor geht es vor allem um Prestige

Was uns im Umkehrschluss wieder zum Motor führt. Denn der V12 ist für sich natürlich eine Macht. Doch die Essenz der Maybach-S-Klasse hängt eben nicht nur vom Motor ab, und ganz objektiv gesehen dürfte der V8 ohnehin auf ähnlichem Niveau performen. Zumal der Achtzylinder über 50.000 Euro weniger kostet als der mindestens 217.323 Euro teure V12. Und das ist auch in dieser Liga nicht ohne.
Mercedes-Maybach S 680 4MATIC
Schön, wenn V12 draufsteht. Der Achtzylinder dürfte aber wahrscheinlich nicht schlechter fahren.
Bild: Daimler AG
So geht es bei der Frage nach V12 oder nicht wohl vor allem um Prestige – und um das Wissen, den wohl letzten Serien-Mercedes mit Zwölfzylinder zu besitzen.

Fazit

von

Moritz Doka
Der Mercedes-Maybach S 680 fährt nicht, er gleitet und verwöhnt mit jedem Meter. Leise, unaufgeregt, kraftvoll. Rein objektiv betrachtet dürfte sich die V8-Version aber nicht weniger luxuriös fahren. So ist der V12 wohl eine reine Prestige-Frage. Doch bei einem V12 geht es nicht ums Brauchen, sondern ums Wollen. Und so sagen wir: Schön, dass es ihn noch gibt!

Von

Moritz Doka