Erfolg macht träge. Der sieggewohnte T5 wird schon seit 2003 gebaut – und bekommt von der neuen V-Klasse jetzt die Quittung dafür.
Es schien schon aussichtslos. Den Bulli von VW schlagen? Vergiss es! An dieser Institution führt kein Weg vorbei. Bisher jedenfalls. Denn jetzt wagt Mercedes erneut einen Versuch. Die V-Klasse fordert den seit elf Jahren etablierten T5 Multivan. Der Benz-Bus kam mit der ersten Modellreihe ab 1996 mit Rostproblemen und mangelnder Qualität in Verruf. Mit der zweiten Generation ab 2003 wurde das besser – der Viano galt als günstige Alternative zum ebenfalls 2003 erschienenen T5 Multivan. Richtig gelesen, ein Mercedes, der weniger kostete als ein ähnlich ausgestatteter Volkswagen. Diesen Trumpf wollen die Stuttgarter auch 2014 ausspielen und packen zusätzlich modernste Ausstattung in die dritte Generation des Vans, der jetzt wieder V-Klasse heißt.
Der VW T5 Multivan hat schon elf Jahre auf dem Buckel
Video: V-Klasse vs. VW T5
Da sieht der Bulli alt aus
Bereits äußerlich positioniert sich die V-Klasse-Edition großspurig gegenüber dem T5 Multivan Highline. In der Langversion überragt sie den kurzen Multivan um knapp 25 Zentimeter, im Radstand sind es 20, in der Spurbreite vorn vier und hinten drei. Die Folge: ein besseres Platzangebot. Wobei in keinem von beiden Platzmangel herrscht und sich beide auch gut überblicken lassen. Die neun Zentimeter mehr Höhe des VW sorgen lediglich für einen erschwerten Einstieg, bringen sonst aber keinen Vorteil. V-Klasse und T5 locken innen mit einem satten Meter Luft überm Sessel. Die neun Zentimeter niedrigere Ladekante der V-Klasse spüren wir im Alltag dafür umso mehr. Etwa beim Beladen mit dem Wochenendeinkauf. Um den souverän nach Hause zu schaukeln, setzen beide Familien-Frachter auf kräftige Diesel. Trotz 17 PS weniger kann der 2,2-Liter der V-Klasse gut mit dem 180 PS starken Zweiliter-TDI des T5 mithalten. Beide Dickschiffe gehen mit knapp 2,4 Tonnen natürlich kaum als Sportwagen durch, kommen aber flott vom Fleck. Zwar arbeitet der Diesel im Mercedes einen Hauch unkultivierter und nagelt eine Spur lauter als der VW-Motor, dafür verbraucht er mit 7,3 Litern aber auch einen ganzen Liter weniger.
In Sachen Dynamik und Komfort fährt die V-Klasse nach vorne
Komfort und Dynamik: Das Mercedes-Fahrwerk spricht bei milder Fahrweise sanft an, bei eiliger straffer.
Vorteil V-Klasse zudem beim Komfort. Der Mercedes spricht bei milder Fahrweise sanft an, bei eiliger straffer – so fängt die V-Klasse kurze Unebenheiten wie der T5 weich ab, schaukelt bei langen Wellen und schneller Kurvenhatz aber deutlich weniger. Zudem steuert die Direktlenkung den Mercedes genauer und mit weniger Lenkarbeit durchs Kurvengewirr. So lässt sich die V-Klasse präzise und mit leichter Hand dirigieren – selbst Alpenpässe nehmen V-Klasse-Piloten locker. Muss abrupt der Anker fallen, steht der Mercedes nach 37,7 Metern etwas schneller als der VW. Rigoros ist das ESP, das bei der V-Klasse die strenge Nanny spielt. Dafür punktet der Multivan als Highline serienmäßig mit einer zweiten automatischen Schiebetür sowie drehbaren Sitzen in der zweiten Reihe. Toll für die Pause auf dem Rastplatz. Allerdings wiegen die Dinger mit 39,5 Kilo zehn Kilo mehr als die in der V-Klasse – beim Ausbau schwitzen Bulli-Besatzungen entsprechend mehr. Im Mercedes finden die Passagiere zudem mehr Seitenhalt auf dem Gestühl. Der T5 verfolgt mit breiteren Sitzflächen eine weniger dynamische und mehr komfortorientierte Philosophie. Letztlich Geschmackssache.
Wenn es um die Ausstattung geht, spricht allerdings alles für die V-Klasse. Elektrisch einstellbare Außenspiegel, automatische Ausstellfenster im Fond und eine Metalliclackierung gibt es ohne Aufpreis. Und das Beste kommt erst noch, wenn es um Multimedia und Connectivity geht. Abgesehen von Navi, DAB-Radio und Sprachsteuerung hat der T5 etliche Jahre im Digitalzeitalter verpennt. Internet scheint für den Hannoveraner Neuland.
Gegen den modernen Benz hat der VW keine Chance
Die Mercedes V-Klasse ist in jeder Hinsicht besser – und preiswerter. Vorne liegt der T5 nur auf dem Foto.
Die neue V-Klasse hingegen zeigt sich mit WLAN, Apps und Echtzeit-Stauerkennung modern und frisch. Audiosystem, Bluetooth-Freisprecheinrichtung sowie USB-Anschluss sind bereits serienmäßig an Bord. Einzige dunkle Wolke am Multimedia-Himmel: Die verschachtelte Menüstruktur des Comand Online und die zu tiefe Ablage für das Smartphone zwischen Fahrer-und Beifahrersitz. Uneingeschränkt empfehlenswert dagegen die Sicherheits-Crew der V-Klasse mit Müdigkeitswarner, Verkehrsschildanzeige und Spur- sowie Seitenwindassistent. Während der Mercedes bei Starkwind vom ESP in der Spur gehalten wird, muss der Fahrer beim Multivan mit starker Hand selbst dagegenhalten. Mit 45.315 Euro geht die von uns getestete V-Klasse sicherlich nicht als Schnäppchen durch, kostet aber in der Basisausstattung noch gut 9000 Euro weniger als der T5 Multivan. Zudem schlägt der Mercedes den VW in allen Eigenschaftswertungen. Dieses klare Ergebnis dürfte bei VW für Unruhe sorgen, kommt aber sicherlich nicht völlig überraschend – denn ganz zufällig werden seit wenigen Wochen die ersten Erlkönige des T6 gesichtet, der wahrscheinlich 2016 auf den Markt kommt. Keine Frage, dann wird es erneut zum Duell kommen. Doch bis dahin trägt die Mercedes V-Klasse erst einmal die Krone der Großraumvans.
Es ist nicht nur die modernere Ausstattung mit Multimedia und Fahrassistenten, mit der die V-Klasse den Bulli besiegt. Mit sparsamerem Antrieb, ausgewogener Federung und besserem Raumangebot kassiert der Benz den VW auf ganzer Breite.