Familien fahren schon immer auf den VW Bus ab. Jetzt kommt der T6 – und dem fährt mit der Mercedes V-Klasse ein harter Gegner in die Bulli-Parade.
Bild: Christoph Börries
Video: VW T6 vs. Mercedes V-Klasse (2015)
Wer ist der bessere Bulli?
Erfolg macht satt. Und im Fall des kultigen VW Bus wohl zu satt. Über viele Jahrzehnte verkaufte der Bulli sich blendend und eilte von einem Testsieg zum nächsten. Warum also beim gerade vollzogenen Wechsel vom T5 zum T6 das ganz große Besteck auspacken? Na eben. Wolfsburg belässt es bei einem flotten Facelift und vertraut auf bekannte Technik. Doch was bisher immer gereicht hat, erweist sich jetzt als zu wenig. Nicht weil der T6 nicht gut wäre. Sondern weil Mercedes mit der ebenfalls noch neuen V-Klasse einen richtig starken Konkurrenten auf die Räder gestellt hat. Und weil Mercedes nicht satt, sondern hungrig ist.
Das große V trifft im Vergleich auf den kleinsten T6
Mercedes tritt mit der langen V-Klasse zum Vergleich an – andere Varianten sind noch nicht lieferbar.
Bild: Christoph Börries
Kurzer T6 (4,90 m) gegen lange V-Klasse (5,14 m) – klingt unfair, geht aber nicht anders. Weder liefert VW schon den langen Multivan (5,30 m) aus noch Mercedes eine der beiden anderen V-Größen (kompakt 4,90/extralang 5,37 m). Also nehmen wir die beiden, wie sie sind. Und das bedeutet, dass im Benz vorn etwas mehr Schulterfreiheit bleibt, ohne dass wir diese im VW vermissen würden. Die Türen des Multivan tragen einfach dicker auf, dafür lässt sich in bekannter Manier der Arm sehr lässig auf dem "Fensterbrett" ablegen. Hinten herrscht letztlich Gleichstand. Was der T6 mehr an Beinraum bietet, weil die Sitzbank bis ganz nach hinten durchgeschoben werden kann, gleicht die V-Klasse mit mehr Breite und Höhe aus. Urlaub oder Umzug bringen den Mercedes beim Platz-Poker dann doch noch nach vorn. Im Heck verschwinden immer noch ein bis zwei Köfferchen mehr als beim VW, die separat öffnende Glasheckscheibe erleichtert das Verstauen von Kleinkram. Zudem verwöhnt der Schwabe mit dem feineren Innenraum, der besseren Verarbeitung und mehr moderner Technik.
Schweres Ding: Wer die Dreier-Stitzbank des VW Bus ausbauen will, braucht einen kräftigen Helfer.
Bild: Christoph Börries
Zwar hat VW hier mit Internetzugang über WLAN sowie App-Anbindung über Apple CarPlay, Android Auto und MirrorLink kräftig aufgeholt, die V-Klasse bietet aber die ausgefeiltere Festplatten-Navigation (VW über SD-Karte) und den einen oder anderen Assistenten zusätzlich. Handfeste Vorteile verbucht der Multivan dagegen bei den Sitzen. Sie gleiten leichter in den Schienen, lassen sich in der Mitte mit einem Handgriff drehen (in der V-Klasse heißt es ausbauen, umdrehen, einbauen), und serienmäßig gibt es ganz hinten eine Dreierbank mit Schlaffunktion statt zweier Einzelsitze bei Mercedes. Zusammen mit deutlich mehr Ablagen ein klarer Freizeit- und Familienbonus für den VW. Einzig die Piloten meckern, weil sie sich zu ihren zwölf Zentimeter über Mercedes-Niveau montierten Sitzen regelrecht hochziehen müssen. Und soll der VW Bus komplett ausgeräumt werden, stöhnen alle über die schweren Möbel und die umständliche Fummelei mit Plastikkappen und Aluschienen.
Ob es an den 20 Zentimeter mehr Radstand liegt oder die Mercedes-Mannen einfach das bessere Set-up gefunden haben – unterm Strich bietet die V-Klasse den spürbar geschmeidigeren Fahrkomfort. Mit langen Federwegen gleicht der Benz auch fiese Fahrbahnfehler souverän aus, gerät dabei nur leicht ins Schwanken und belästigt seine Passagiere nur selten mit detaillierten Straßenzustandsberichten.
Bei den Fahrleistungen begegnen sich die beiden auf Augenhöhe
Totes Rennen: Beide Busse sind gleich schnell auf Tempo 100, beide erreichen knapp über 200 km/h.
Bild: Christoph Börries
Anders der T6. Obwohl er durch die adaptiven Dämpfer gegenüber dem T5 durchaus gewinnt und sich achtbar schlägt, teilt er Absätze und Kanten viel direkter mit. Insbesondere die Vorderachse wirkt unterdämpft und gerät auf welligem Geläuf mächtig in Unruhe, morst dem Fahrer unentwegt das Straßenprofil ins Lenkrad und lässt ein unfeines Poltern hören. Anscheinend wurde der Multivan auf die hohe Zuladung von 670 Kilo ausgelegt. Auch bei voller Besetzung schlägt der T6 nicht durch, während die V-Klasse mit erlaubten 600 Kilo an Bord ihre weichen Federn schon verdammt weit in die Anschläge treibt. Befeuert werden die beiden XXL-Vans von Vierzylinder-Turbodieseln , die dank zusätzlicher Harnstoffeinspritzung das Euro-6-Siegel in den Papieren tragen. Mercedes nennt 190 PS, die sich kurzfristig aber auf 204 PS steigern lassen – was zufällig exakt der Leistung des T6 entspricht. Weil auch die Gewichte nur 40 Kilo auseinanderliegen, endet das Sprintrennen unentschieden, beide schaffen zudem knapp über 200 km/h Spitze. Mehr als genug für solche Dickschiffe. Wo der VW besser gedämmt erscheint und nicht so knurrig zu Werke geht, verschläft sein Siebengang-DSG im Rangierbetrieb und beim Anfahren schon mal den Einsatz. Die ebenfalls siebenstufige Wandlerautomatik des Benz kann das besser. Mit knapp über 8 l/100 km bleiben beide sparsam.
Und jetzt festhalten, bitte. Bei den Preisen kann einem schon mal schwindelig werden. Schon in der Basis kostet der T6 Multivan 2.0 TDI 51.384 Euro. Wahnsinn. Das sind tatsächlich 1220 Euro mehr als beim V 250 d. Erst in Avantgarde-Ausstattung und mit allen fürs Testen wichtigen Extras überholt der Benz den VW um fast 3000 Euro und katapultiert sich auf unglaubliche 61.565 Euro. Immerhin bescheinigt Schwacke dem Stern das bessere Ansehen im Alter, während die Versicherer den Schwaben stärker zur Kasse bitten als den Niedersachsen (Haftpflicht/Vollkasko 22/26 statt 19/22). Bei der Garantie geizen allerdings beide mit lächerlichen zwei Jahren – nicht nur angesichts der Preise eine Unverschämtheit. Da sollten Mercedes und VW endlich mal nachbessern – sonst kommt's irgendwann richtig dick ...
Am Ende bleibt ein hauchdünner Vorsprung für den Mercedes. Weil er deutlich komfortabler fährt und sich moderner präsentiert. Doch der T6 schlägt sich mehr als wacker. In vielen Punkten zeigt er sich spürbar verbessert, die polterige Vorderachse und die hohen Preise bleiben seine Schwächen.