Achtzylinder-Power und mehr als 400 PS: Der Plymouth Belvedere II aus dem Jahr 1967 ist ein Manifest aus der Blütezeit der Muscle Cars. Beim Einsteigen in den Belvedere fühlen wir uns sofort in diese grandiose Zeit zurückversetzt. Schlichter Schlüssel, klassisches Radio, analoge Rundinstrumente und ein storchbeiniger Ganghebel. Aber als uns der Hosenträgergurt in den Sitz presst, kommt uns der kleine Drehzahlmesser auf dem Armaturenbrett doch langsam spanisch vor. Zumal da auch "Mopar" in der Skalenmitte steht. "Mopar" ist die Tuning-Sparte von Chrysler, Jeep und Dodge. Uns schwant Böses.

Hellcat-Maschine für 20.000 Dollar

Mopar 1967 Plymouth II Hellvedere: Test
Das 717-PS-Hellcat-Aggregat gibt es als Nachrüstlösung für verschiedenste Automodelle und kostet rund 20.000 US-Dollar.
Der Hellcat-Motor ist eine Nachrüstlösung, sozusagen Plug-and-play für moderne und klassische Muscle Cars. Sein Preis: rund 20.000 Dollar. Um das Triebwerk an die neue Umgebung anzupassen, gibt es gegen Aufpreis noch ein Steuergerät, verschiedene Sensoren (unter anderem für Sauerstoff und Temperatur), den passenden Kabelbaum, das Kontrollmodul für die Benzinpumpe und ein Gaspedal. Genau so ein Einbau-Set haben die Mopar-Tuningspezialisten für den Umbau des Plymouth Belvedere II verwendet. Für die Kühlung sorgt ein Modul des "Hellcat"-Motors. Uns wurde trotzdem ganz schön warm.

Markerschütternder Klang

Mopar 1967 Plymouth II Hellvedere: Test
Die Hosenträger-Gurte schnallen einen fest in den Sitz. Das fördert mehr Vertrauen als die unpräzise Lenkung.
Der Name "Hellvedere" (ein Wortspiel aus "Belvedere" und "Hellcat") ist nicht dazu geeignet, die Nerven zu beruhigen. Denn unter der mächtigen Motorhaube des Belvedere wartet ein 717 PS starkes "Hellcat"-Ungetüm darauf, auf die Umwelt losgelassen zu werden. Kaum dreht man den Schlüssel, schreit das Monster so laut auf, dass sogar die an Mörder-Motorsound gewöhnten Amerikaner zusammenzucken. Das Anlass-Getöse war aber nur die Ouvertüre zu dem Akustik-Inferno, das nur wenig später wie ein Verbrennungs-Tsunami über uns hereinbricht. Kaum kommt der "Hellvedere" auf Touren, macht er seinem Namen akustisch alle Ehre: Der kompressoraufgeladene 6,2-Liter-Hemi-V8 kreischt so markerschütternd durch die zweiflutige Mopar-Auspuffanlage, dass die Autos vor uns verschreckt die Spur wechseln wollen und anfangen zu schlingern.

Indirektes Fahrverhalten, unbändige Kraft

Mopar 1967 Plymouth II Hellvedere: Test
Der Sound des Hellvedere aus der Mopar-Auspuffanlage ist ohrenbetäubend laut.
Dank Sperrdifferenzial und einer relativ lang übersetzten Hinterachse ist der "Hellvedere" durchaus in der Lage, die brutalen 881 Newtonmeter Drehmoment auf den Asphalt zu bringen. Die Servolenkung ist allerdings kein Muster an Direktheit und Präzision, auch das riesige Lenkrad mit seinem dünnen Kranz erzeugt wenig Vertrauen. Dafür beißen die Bremsen kraftvoll zu. Wir genießen die unbändige Kraft des Hellvedere und lassen die Höllenmaschine bei knackigen Zwischenspurts martialisch aufheulen. Der Klang und die unbändige Beschleunigung machen süchtig. Gut, dass sich das Tremec Magnum-Sechsganggetriebe präzise führen lässt. So macht das Runterschalten, inklusive Zwischengas und erstarrender Passanten, doppelt so viel Spaß. Das Vergnügen ist allerdings kein ungefährliches: Anfang September 2019 verunfallte der US-Schauspieler Kevin Hart schwer – in einem 1970er Plymouth Barracuda mit Hellcat-Motor.

Von

Wolfgang Gomoll