NEFZ-Angaben der Hersteller
Frisierte Durst-Daten

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Die nach NEFZ-Verfahren ermittelten offiziellen Verbrauchsangaben der Hersteller haben mit der Realität oft nicht viel gemein. Das belegen neue Zahlen der Organisation "Transport & Environment".
Bild: Thomas Ruddies
Um den Spritverbrauch nach NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) kleinzurechnen, bedienen sich Autohersteller bei den Verbrauchsmessungen offenbar zweifelhafter Mittel. Das geht aus einer Veröffentlichung der Organisation Transport and Environment (T&E) hervor. In dem Report "Mind the gap" ("Achten Sie auf die Lücke!") listet T&E 20 Tricks auf, mit denen die Autobauer bei den NEFZ-Tests auf Straße und Prüfstand den Verbrauch schrumpfen. Die Organisation zitiert dabei auch im Auftrag der EU gefertigte Studien. Nun hat T&E Zahlen des ICCT (International Council on Clean Transportation) nachgereicht. Die Daten sollen demonstrieren, wie groß die Verbrauchs-Tricksereien der einzelnen Hersteller sind. Ganz vorne mit dabei sind die deutschen Hersteller – mit einer Abweichung von bis zu 30 Prozent!Die Daten aus dem Jahr 2011 werden zusätzlich mit denen des Jahres 2001 verglichen – zehn Jahre zuvor waren die Abweichungen teilweise deutlich geringer. Dieser Umstand resultiert laut T&E daraus, dass die Manipulationen bei der Vebrauchsermittlung kontinuierlich zugenommen haben.
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Demnach nutzen die Autobauer gezielt Schlupflöcher in Vorschriften zur Ermittlung des Verbrauchs nach NEFZ. Für niedrigere Roll- und Luftwiderstandswerte etwa ziehen sie Leichtlaufreifen mit erhöhtem Luftdruck auf, montieren alle Extras ab und kleben Fugen zu. Speziell trainierte Fahrer oder Roboter steuern den Testwagen stets am unteren erlaubten Limit. Und nach Testende reduzieren die Hersteller die ermittelten Werte noch pauschal um bis zu vier Prozent. Die Tricks, so T&E, seien für einen großen Teil der CO2-Einsparungen der letzten Jahre verantwortlich. "Es wäre komisch, wenn die Hersteller das nicht nutzen", sagte auch Greenpeace-Verkehrsexperte Wolfgang Lohbeck in AUTO BILD 16/2013, "zumal die Manipulationen der Testergebnisse ja völlig legal sind".
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Tatsächlich: Alle Optimierungen sind durch Testvorschriften des NEFZ gedeckt oder gar nicht geregelt. Harte Beweise dafür, dass die Autobauer tatsächlich tricksen, gibt es nicht. Allein die Zahlen sprechen dafür: Unabhängige Labore ermittelten bei gleichen Tests mit Serienautos im Schnitt 23 Prozent mehr Verbrauch. "Die Verbrauchsangabe entfernt sich zunehmend von der Realität", sagt Lohbeck. "Wenn selbst große Autos eine Drei vor dem Komma haben, kann etwas nicht stimmen." Der Greenpeace-Experte fürchtet, dass wegen der zuletzt stark gesunkenen Herstellerangaben die Verbraucher eigene Anstrengungen zum Spritsparen nicht mehr als so wichtig erachten.
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In Großbritannien hat die Werbeaufsichtsbehörde die Autohersteller nun dazu verdonnert, ihre Anzeigen mit einem Hinweis zu versehen, dass die Verbrauchsangaben nur Vergleichszwecken dienen und möglicherweise nicht die Realität widerspiegeln. Solch eine Kennzeichnung fordert der Auto Club Europa (ACE) auch für Deutschland. Sprecher Rainer Hillgärtner: "Hersteller müssen die Kunden ausdrücklich auf den möglichen Mehrverbrauch hinweisen. Ein einzelner Hinweis im Verkaufsgespräch reicht nicht aus." In AUTO BILD 22/2013 (ab Freitag, 31. Mai im Handel) verraten wir Ihnen im großen Spritspar-Spezial unter anderem die Verbrauchs-Abweichungen der 30 beliebtesten Automodelle. Grundlage ist der praxisnahe AUTO BILD-Testverbrauch.
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