Sie gehören zu New York wie die Wall Street oder der Broadway – die Yellow Cabs. Bald gibt es nur noch ein Modell: den Nissan NV200. Eine Testfahrt durch Manhattan.
Was würde Travis Bickle dazu sagen? Zu diesem klobigen Japaner: übergewichtig, träge, durstig. Bickle, den der junge Robert De Niro 1976 in "Taxi Driver" vekörperte; Travis, dieser einsame Kriegsveteran mit seiner Hassliebe zu Manhattan, würde vielleicht zu seinem Kollegen nuscheln: "Weißt du, ich glaub ich hab'n bisschen mehr drauf, als in diesem komischen Nissan durch die Nacht zu fahren." Und würde dann trotzdem die Avenues rauf und runter rumpeln. So wie wir heute.
Früher waren die New Yorker Taxis definitiv kultiger
Schönheit ist Geschmacksache: Dieses Taxi ist vor allem praktisch.
"Wat ist dat denn für 'ne Gurke?" Der deutsche Tourist in Shorts und T-Shirt ist sichtlich enttäuscht, als er den gelben Nissan NV200 sieht. Eher Kleinbus als Van. Praktisch, nicht kultig. Und das soll das "Taxi of Tomorrow" sein? Jenes Modell also, das ab 2015 das Monopol besitzt, jährlich 240 Millionen Touren durch New York City zu machen? "Mit so einem stillosen Auto würde sich in Deutschland ja sogar ein Postbote schämen", sagt der Tourist in kurzen Hosen. Besonders chic ist er wirklich nicht, der Nissan NV200. Und so richtig ins Straßenbild Manhattans passt er auch noch nicht. Anders als die Checker Cabs in den 70ern oder die Crown Victorias in den 90er-Jahren. Heute also fahren wir ihn. Eine Schicht lang. Fahrgäste mitnehmen allerdings dürfen wir nicht. Denn noch fehlen die metallene Zulassungsplakette auf der Motorhaube, das Taxameter im Cockpit und der Ausschaltknopf für das hell leuchtende Freizeichen auf dem Dach. Und auch dem Aushilfsfahrer fehlt neben der Lizenz eine entscheidende Kompetenz: Er ist zwar schon fast jedes Automodell auf allen Kontinenten gefahren, aber die nötige Ortskenntnis von der Bronx bis nach Staten Island hat er dann doch nicht.
Der Vorteil des NV200 ist sein üppiges Platzangebot
Einladend: Hinter die beiden Hecktüren passen rund 900 Liter Gepäckvolumen – absolut ausreichend.
Immerhin, für eine Probefahrt reicht es. Der erste Eindruck: nicht schön, aber schön viel Platz. Die 900 Liter hinter der Portaltür im Heck reichen für die Koffer der Touristen oder die Einkaufstüten der Upper-Eastside-Millionärsgattinnen. Die steigen bequem durch die breiten Schiebetüren ein, Trittbretter fahren automatisch aus. Auf die Sitzbank passen auch drei wohlgenährte Amis; der Platz neben dem Fahrer ist, so will es die Behörde, für Rollstuhlfahrer oder Blindenhunde reserviert. Das große Panoramadach besitzt der Serien-NV200 nicht – es ist ein New-York-Special, damit sich die Touristen beim Blick auf das neue World Trade Center nicht die Hälse verrenken. Eine zweite, starke Klimaanlage wurde speziell für die Hitzemonate Juli und August eingebaut. Die Federung ist recht hart, vor allem verglichen mit dem sänftengleichen Schaukeln in einem Crown Victoria. Ja, diese Ford-Schiffe, die hatten noch was. Wie kam New York eigentlich auf die Idee, ein "Taxi of Tomorrow" zu suchen?
Das Taxi-Monopol ist ein Riesengeschäft für Nissan
Für Nissan wird der NV200 zur echten Cash-Cow – bei 26.000 Einheiten zu je 22.000 Euro.
Also: Da die Ford Crown Vics nur bis 2011 gebaut wurden, rief der damalige Bürgermeister Michael Blomberg seine Bürger auf, ein neues, einheitliches Taxi für die Stadt zu wählen. Zur Wahl standen neben dem Nissan noch der Ford Transit Connect und ein Modell namens V-1 des türkischen Herstellers Karsan. Zum Entsetzen der Behörden siegte bei der Volksabstimmung der Kandidat aus der Türkei. Doch Bedenken, was Teileversorgung und Service betrafen, sorgten dafür, dass der Wille der New Yorker nichts mehr zählte. Die Stadt legte sogar Berufung gegen das Taxi-Monopol ein – abgewiesen. Für Nissan ein Millionengeschäft. In den kommenden zehn Jahren werden rund 26.000 Autos zum Stückpreis von umgerechnet gut 22.000 Euro geliefert. Auch der amtierende Bürgermeister Bill de Blasio ist gegen das Nissan-Taxi – weil es nicht in den USA vom Band läuft. Doch wenn 82 Prozent der Taxifahrer in New York Migrationshintergrund haben, ist es eigentlich nur konsequent, dass auch das Auto ein Ausländer ist: gebaut in Mexiko.
Für eine Elektroversion sind die Ladezeiten viel zu lang
Technologischer Rückschritt: Der NV200 bläst 13 Liter je 100 Kilometer durch die Brennräume.
Wir bewegen uns die Fifth Avenue entlang und zweifeln dabei stark an den 188 Newtonmeter Drehmoment. Doch für den Mehr-Stop-als-go-Verkehr reicht selbst das. Der Fahrersitz ist erstaunlich bequem und großzügig verstellbar. Das Navi mit Rückfahrkamera einwandfrei. Was aber gar nicht geht: Die rund 13 Liter Verbrauch machen den Nissan zu einem Taxi of Yesterday. Ein ökologischer Rückschritt im Vergleich zu den Hybridmodellen von Toyota oder Ford, die derzeit noch Dienst schieben. Vom NV200 gibt es auch eine Elektro-Version. Dass sie nicht zum Einsatz kommt, liegt weniger an den 160 Kilometer Reichweite als vielmehr am stundenlangen Laden und den wenigen Ladestationen. Am Ende der Tour sprechen wir mit alten Taxi Drivern über die neuen Feindbilder der New Yorker Yello Cabs: Das sind auch die grün lackierten Boro Cabs aus den Vorstädten. Es sind vor allem aber die privaten App-gesteuerten Billig-Anbieter wie Sidecar oder Uber. Travis Bickle hätte zu diesen Aussichten wohl eher geschwiegen. Und wär einfach weiter Taxi gefahren.