Patchwork-Familien sind heute nichts Außergewöhnliches mehr. Jede zehnte Familie mit Kindern ist zusammengewürfelt. Auch die Autowelt ist heute so bunt wie nie: Sich jahrzehntelang auf Kollisionskurs befindliche Konkurrenten vereinigen sich plötzlich in Rekordtempo. Aktuellstes Beispiel: Der französische Autokonzern PSA (Peugeot/Citroën) und die Ex-GM-Tochter Opel haben soeben geheiratet, jetzt steht der Zusammenzug unmittelbar bevor. Klare Sache: Es wird neue, gemeinsame Kinder geben. Doch was ist mit den älteren Kids, die mit in die neue Ehe gehen? Welche Anlagen bringen sie mit?

Der Opel bietet viel Platz und eine perfekte Sitzposition

Opel Astra 1.6
Vorteil Astra: Im Opel reisen vier Personen ganz bequem, die Sitzposition des Fahrers ist perfekt.
Bild: Toni Bader / AUTO BILD
Um das zu klären, baten wir zwei technisch noch völlig eigenständige Bestseller der Häuser zum Familien-Duell. Aus dem Hause Opel tritt an: der 2015 geborene Astra K mit 1,6-Liter-Diesel (136 PS) und Sechsstufen-Wandlerautomatik. Er wird herausgefordert von seinem 2013 geborenen und frisch gelifteten Stiefbruder Peugeot 308 mit 2,0-Liter-Diesel (150 PS), ebenfalls mit Sechsstufen-Wandlerautomatik. Der 308 tritt seit dem Facelift etwas selbstbewusster auf: Die optisch prägnanteste Neuerung ist der Peugeot-Löwe, der nun groß im Grill statt klein auf der Haube prangt. Ansonsten blieb optisch im Wesentlichen alles beim Alten: klare Linien, massive C-Säule, markenstarkes Gesicht – c’est un Peugeot. Der Astra wirkt nach zwei Jahren längst vertraut, auch er ist optisch ein typischer Vertreter seiner Marke. Einsteigen in den Opel. Klassisches Cockpit, tolles Gestühl, perfekte Sitzposition. Übrigens vorn wie hinten: Platz gibt es genug, vier Personen kommen sehr bequem unter.
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Im Peugeot erfordern kleinste Einstellungen viel Aufmerksamkeit

Peugeot 308 BlueHDi 150
Nicht ganz einfach: Der 308 setzt bei der Bedienung fast komplett auf den Touchscreen – das lenkt ab.
Bild: Toni Bader / AUTO BILD
Die Bedienungsanleitung kann der Fahrer im Handschuhfach lassen: Wichtige Grundfunktionen wie die Klimatisierung steuert der Opelaner konventionell über Tasten, der Touchscreen für Navigation und Entertainment reagiert leider etwas träge, dafür funktioniert die Sprachsteuerung exzellent. Umsteigen in den Peugeot. Und in eine durchgestylte, entschlackte Welt – zumindest optisch. Das nahezu tastenlose Cockpit mit den hochgesetzten, gegenläufig anzeigenden Instrumenten, dem klitzekleinen Lenkrad und dem zentralen Touchscreen ist vor allem etwas fürs Auge. Das Weglassen von Tasten und Drehreglern hat zur Folge, dass schon einfachste Einstellungen wie die Änderung der Temperatur diverse Fingertipps erfordern, vom Fahrgeschehen ablenken. Bei Assistenz und Connectivity hat der 308 aufgeschlossen, unter anderem sind Apple CarPlay und Android Auto an Bord. Was fehlt: Platz im Fond. Im Vergleich zum luftigen Opel sitzt man im 308 hinten doch sehr eng.
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Nur der Franzose setzt auf konsequente Abgasreinigung

Opel Astra 1.6         Peugeot 308 BlueHDi 1500
Optimierungspotential: Den SCR-Kat hat der Peugeot 308 seinem deutschen Bruder Opel Astra voraus.
Bild: Toni Bader / AUTO BILD
Fahren wir los. Hier zeigen sich beide auf Augenhöhe. Der Opel klingt etwas rauer, dafür fährt er geschmeidiger an als der kurz ruckelnde 308. Beide sortieren ihre sechs Stufen sanft, allerdings nicht blitzschnell. So verweilt der 308 beim Hochschalten unnötig lang in einem niedrigen Gang. Die Antriebe sind durchzugsstark und komfortbetont, mit einem kleinen Verbrauchsvorteil für den Opel: 5,1 zu 5,7 Liter Diesel für den Deutschen. Aber: Nur der Franzose kommt serienmäßig mit SCR-Kat, der für den Opel gar nicht lieferbar ist – zehn Punkte Abzug. Dafür federt der Astra sensibler, lenkt weniger nervös ein, vermittelt eher das Gefühl, auf Schienen zu fahren. Unkonventionell der Peugeot, eine sichere Bank der Opel. Beide haben Charakter. Wär schön, wenn das so bleibt.

Fazit

Der sachliche Opel gewinnt, obwohl er keinen SCR-Kat hat. Die Gründe dafür liefert der Astra mit viel Platz, gutem Komfort und agilen Fahreigenschaften. Emotionaler dagegen Peugeot: Design vor Funktion, radikal entschlacktes Cockpit mit Bedienschwächen, wenig Platz im Fond. Aber ein Diesel mit SCR-Kat.

Von

Berend Sanders