Auf der einen Seite ist da Choupette, Karl Lagerfelds verhätschelte Birma-Katze. Sie habe im letzten Jahr mit zwei Jobs drei Millionen Euro verdient, verriet der Modezar kürzlich. Ein Auftraggeber war Opel; die schneeweiße Schönheit räkelte sich für den Corsa-Jahreskalender auf der Motorhaube des Kleinwagens. Auf der andere Seite ist da Google. Wer nach Opel-Neuwagen sucht, findet sogleich "Opelaffengeile Angebote" und "Rabatte" bis 36 Prozent unter Listenpreis. Der Lagerfeld-geadelte Corsa – verramscht für 9500 Euro.

Unter der Haube arbeitet ein kleiner Dreizylinder

Opel Karl
Männer am Motor: Opel-Chef Neumann (rechts) erklärt Redakteur Moetsch den Einliter-Dreizylinder.
Dazwischen steht Karl-Thomas Neumann (54), der erklären muss, wie das alles zusammenpasst, die Glitzer-Glamour-Welt und der Billigladen. Neumann ist seit zwei Jahren Opel-Chef und angetreten, den angeschlagenen Hersteller wieder auf Kurs zu bringen. Dabei ist sich der Topmanager nicht zu schade, das neue Einstiegsmodell, den Karl, persönlich zu präsentieren. Was also macht den 3,68 Meter kurzen Stadtwagen, der auf dem Chevrolet Spark basiert und in Korea vom Band läuft, zum echten Opel? "Der Karl wurde von Opel-Ingenieuren und -Designern geprägt", sagt Neumann. Innen soll er der herstellertypischen Bedienphilosophie entsprechen. Besonders stolz ist Opel auf den Touchscreen-Monitor, der dank hoher Rechnerleistung sehr empfindlich arbeiten soll. Und: "BYOM der neuesten Generation; darauf fahren die jungen Leute ab", so Neumann. Die Abkürzung steht für "Bring Your Own Media", eine clevere Smartphone-Anbindung. Karl kommt in Fahrt. Der Motor – ein Liter Hubraum, drei Zylinder, 75 PS – ist zumindest im Stadtverkehr hinreichend leise. Der Federungskomfort geht in Ordnung, ebenso das Platzangebot. Vier Erwachsene kommen auf kurzen Strecken einigermaßen gut unter. Als Verbrauch gibt Opel 4,3 Liter an.
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Mit dem Karl will Opel alte Markenwerte neu beleben

Opel Karl
Preiswürdigkeit, Klarheit, Nutzen: Der Karl soll für die klassischen Opel-Tugenden stehen.
Im Gegensatz zum größeren Corsa und zum aufgebrezelten Adam steht der Karl vor allem für klassische Opel-Tugenden: Preiswürdigkeit, Klarheit, Nutzen. Die Nachfrage in Westeuropa sei hoch, allein von deutschen Händlern würden 15.000 Bestellungen vorliegen. Opel holt sich mit dem Karl also starke Konkurrenz ins Haus; Kannibalisierungseffekte bei den Kleinwagen scheinen nicht ausgeschlossen – was angesichts geringer Gewinnspannen in diesem Segment umso heikler ist. Hinzu kommt das Branchenproblem hoher Rabatte, erkauft mit Tageszulassungen. "Der Handel war daran gewöhnt, über den Preis zu verkaufen", sagt Neumann. "Das musste er, weil die Autos und die Marke nicht topattraktiv waren. Deswegen haben wir massiv in die Technik und die Marke investiert." Tatsächlich sieht es so aus, als würde Mutterkonzern General Motors Opel nach Jahrzehnten der Vernachlässigung wieder lieb haben. GM-Chefin Mary Barra hat Opel die Rolle der "Heldenmarke in Europa" zugedacht, die den Konzern mit Innovationen befeuert. Außerdem ist Karl-Thomas Neumann nicht nur Opel-Chef, sondern gleichzeitig auch Präsident von GM Europe.
Was wirklich an Substanz da ist, wird sich zeigen, wenn die nächsten wichtigen Opel-Modelle kommen: der neue Astra, der Zafira-Nachfolger, das große SUV ("Monza-SUV"), das kleine Elektroauto. In Sachen Image hat sich bereits einiges gedreht. Opel habe eine glaubwürdige Story, sagt Neumann. Nach seinem Verständnis ist es eine Kämpfer-, eine Comeback-Story, so wie die von Noch-BVB-Trainer und Opel-Werbegesicht Jürgen Klopp. Fragt sich nur: Wie passt dazu Choupette?
Technische Daten Opel Karl 1.0: • Motor: Dreizylinder, vorn quer • Hubraum: 999 cm³ • Leistung: 55 kW (75 PS) bei 6500/min • max. Drehmoment: 96 Nm bei 4500/min • Vmax: 170 km/h • 0–100 km/h: 13,9 s • Antrieb: Vorderrad/Fünfganggetriebe • Tankinhalt: 32 l • L/B/H: 3675/1604/1476 mm • Kofferraum: 195–940 l • Leergewicht: 939 kg • EU-Mix: 4,3 l S/100 km* • Abgas CO2: 99 g/km • Preis: ab 9500 Euro.
(* mit "Eco-Paket" (250 Euro), erhältlich ab Ausstattung "Edition" (ab 10.650 Euro), nur in Verbindung mit "Funktions-Paket" (325 Euro); sonst 4,5 l S/100 km)
Matthias Moetsch
Ein Einstiegsmodell für unter 10.000 Euro, vernünftig und sparsam – so etwas hat Opel noch gefehlt. Allerdings: Ob sich mit dem kleinen Karl groß Kasse machen lässt, ist fraglich. Die dicken Gewinne werden in anderen Fahrzeugklassen gemacht – ohne Opel.