Fast wie ein Ferrari

"Ferrari, oder was?" Die Touristin auf Barcelonas Boulevard "La Rambla" steht rätselnd vor der gelben Flunder. "So einen hab ich noch nie gesehen. Wo ist das Pferdchen?" Denn statt des springenden Cavallino sitzt ein Blitz als Markenzeichen im Grill. Das kann die Blondine nicht glauben: "Ein Opel soll das sein? Gibt’s doch nicht!"

Gibt es doch! Auch zwei Jahre nach Markteinführung des Opel Speedster ist der Zweisitzer ein extrem seltener Exot, stets gut für einen Menschenauflauf. Rund 1800 Exemplare wurden seit März 2001 in Deutschland zugelassen. Damit ist er ähnlich selten wie ein Aston Martin oder Lamborghini.

Jetzt legt Opel nach. Das 2,2-Liter-Modell mit 147 PS bekommt Verstärkung durch den Speedster Turbo. Schon der Sauger mit 203 Newtonmetern maximalem Drehmoment ist ein extremer Feger. Und nun das: 250 Newtonmeter und 200 PS, die nur 930 Kilo beschleunigen müssen. Daraus errechnet sich ein Leistungsgewicht von nur 4,7 Kilo pro PS. Besser als beim Porsche Carrera 4 (4,8 kg/PS).

Jenseits der automobilen Normalität

Wer das liest, wird nicht nur neugierig, sondern nervös. Der Speedster Turbo schrammt hart am Kart. So hart, dass man sich fragt, ob er überhaupt für die Straße taugt. Er taugt. Zunächst einmal dreht der Zündschlüssel gegen einen leichten Widerstand ins Leere. Hinterm Rücken bleibt es stumm. Schon vergessen? Der Speedster wird wie ein Rennwagen durch einen Startknopf gezündet. Ein gelungenes Ritual, das besonders den Beifahrer beeindruckt.

Die nächsten Schritte sind konventionell: Gas rechts, Kupplung links, Schaltknauf mit fünf Gängen und ein kleines Airbag-Lenkrad, mit dem man jede Kurve kriegt. Das war’s aber mit der automobilen Normalität. Schon die Art und Weise, wie der Turbo-Speedster Richtung Stadtgrenze rollt, entrückt ihn meilenweit vom geeichten Standard unserer Ballungsräume.

Im Gewühl aus E-Klasse-Taxis, Passat Variant und Renault Scénic taucht er tief ab. Selbst ein Toyota Yaris wird zum Mount Everest, der bei zirka einem Meter Augenhöhe im Speedster jede vorausschauende Fahrweise erfolgreich verhindert. Noch schlechter ist die Sicht nach hinten. Den Innen-Rückspiegel dominieren die mattschwarzen Lüftungsgitter der Motorhaube, und wer sich umdreht, ärgert sich über die unnütze Anstrengung: Man sieht einfach nichts.

Wo ist der Grenzbereich?

Aber das ist egal. Speedster-Fahrer blicken nach vorn. Raus aus der Stadt, aufs Land; am besten in die Berge mit ihren Serpentinen und kurvigen Pässen. Dort sorgt der puristische Sportwagen für die Erleuchtung: Vergiss MX-5 und Boxster, TT und S2000, Mini und Golf R32. Was der Speedster Turbo schafft, kann kein anderer. Seine Kurvengeschwindigkeiten sind so hoch, dass die Fliehkräfte Erinnerungen an allradgetriebene Rallyeautos ins Bewusstsein rücken. Der Umgang mit Lenkrad, Bremse und Gas gelingt spielerisch. Gegenüber dem 2,2-Liter wurden die Federraten zehn Prozent straffer ausgelegt, der Nachlauf reduziert.

Das sehr gutmütige Fahrverhalten bleibt dadurch unverändert. Direkter, trockener und spontaner kann man sich kein Einlenkverhalten wünschen. Auch bei hohen Kurventempi vermittelt der sportlichste aller Opel ein Höchstmaß an Sicherheit. Selbst nach radikalen Fahrversuchen bleibt eine Frage meist unbeantwortet: Wo zum Teufel ist der Grenzbereich?

Auf öffentlichen Straßen ist er selbst mit bösem Willen nicht erreichbar. Unbeeirrt zischt der Speedster stabil um jede noch so enge Ecke. Selbst 90-Grad-Biegungen umrundet er mit Tempo 60. Kein Wunder: Unter der schnittigen Kunststoffhaut steckt reinrassiger Rennwagenbau. Das supersteife Alu-Chassis teilt sich der Speedster mit der Elise von Lotus, wo der Speedster auch handgefertigt wird. Entsprechend kompromisslos ist das Fahrwerk mit doppelten Dreieckquerlenkern, AP-Rennbremsen und Bilstein-Dämpfern bestückt.

Ultimatives Spaßmobil als Imageträger

Bravo, Opel! Wer hätte das für möglich gehalten? Die Rüsselsheimer trauen sich was und leisten sich ein ultimatives Spaßmobil als Imageträger. Und das ist allemal gut so. Denn anders als im Schwestermodell Elise mit MG-Motor ist der Glanzpunkt im Speedster der feurige Opel-Motor.

Der aufgeladene Zweiliter schubst das Leichtgewicht in jedem Gang spielerisch nach vorn. Dabei entfaltet sich die Kraft erstaunlich gleichmäßig und völlig unbehelligt von einem Turboloch. So harmonisch drehen sonst nur hubraumstarke Sauger. Trotzdem erinnert der Turbo-Targa seine Insassen jederzeit akustisch an das Turbinen-Prinzip. Auf flott gefahrenen Anstiegen pustet und keucht der Motor wie ein asthmatischer Mountainbiker.

Doch krank ist an diesem Triebwerk nichts. Im Gegenteil: Der Motor hat sich im Astra/Zafira OPC bewährt. Den Ladeluftkühler haben die Opel-Ingenieure vor dem rechten Hinterrad platziert, wodurch die beiden Kiemen deutlich weiter nach außen klappen als beim Normal-Speedster. Außerdem fehlt beim Turbo der Mittelsteg im Frontgrill. Dafür sitzen zwei kleine Spoilerlippen links und rechts unter dem Kunststoff-Bug sowie ein zierlicher Flügel auf dem Heck. Schon bei 1950 Umdrehungen pro Minute erreicht der Motor sein Drehmoment-Hoch.

Technische Daten im Überblick

Mit diesem durchtrainierten Herz soll er 243 km/h schaffen – mehr als genug. Interessanter ist der Ampelstart: 4,9 Sekunden auf Tempo 100 verspricht Opel. Stimmt’s, dann hängt der sogar einen Porsche 911 ab. Aber das gehört sich ja für einen Ferrari. Auch wenn dieser hier einen Blitz statt eines hüpfenden Hengstes trägt.

Technische Daten Reihen-Vierzylinder • Hubraum 1998 cm³ • Leistung 147 kW (200 PS) bei 5500/min • max. Drehmoment 250 Nm bei 1950–5500/min • Heckantrieb • Fünfgang • Länge/Breite/Höhe 3786/1708/1117 mm • Reifen 175/55–225/ 45 R 17 • Spitze 243 km/h • 0–100 km/h in 4,9 s • Verbrauch (EU-Mix) 8,5 l • Preis 36.500 Euro