Ein Mercedes-Benz CLK als Startkapital

Schade, dass es von der Szene keinen Film gibt. Oder wenigstens ein Foto. Man würde ja gerne selbst mal sehen, wie Heiko Böhringer (40) im vergangenen April einen gelben VW New Beetle mit nach Hause brachte, dem ab der B-Säule fast alles fehlte. Dach, Heck, Seiten – alles weggeflext. Und wie der Bau-Ingenieur seiner verwunderten Frau Manuela (36) sagte: "Schau mal, Liebling, den habe ich gegen unseren Mercedes-Benz CLK eingetauscht." Frau Böhringer sollen die Gesichtszüge ein wenig entglitten sein ...

Es war der ungewöhnliche Anfang eines ungewöhnlichen Projektes mit einer ungewöhnlichen Art der Finanzierung: Der Verkauf seines zwei Jahre alten CLK verschaffte dem Techniker aus Ludwigslust in Mecklenburg-Vorpommern neben dem gebrauchten Beetle genug Startkapital, um eine vielversprechende Idee umzusetzen: die Entwicklung eines VW New Beetle Pick-ups. "Ich habe mir die Frage gestellt, warum so ein praktisches Fahrzeug wie der Pick-up so wenig auf europäischen Straßen zu sehen ist", sagt Böhringer. Die Antwort: Alle Pick-ups, die den Komfort einer Limousine bieten, haben amerikanisches XXL-Format. Und alle für den heimischen Markt gebauten Pick-ups, so erkannte Böhringer, richten sich eher an Handwerker als an Design-Ästheten und sind nicht gerade salonfähig. Es muss da also (wie ehemals bei den SUVs) eine Marktlücke geben – die der Beetle Pick-up ausfüllen soll.

Man merkt es schon: Wir reden hier nicht über die Idee irgendeines Bastlers, sondern über ein durchdachtes und ernst zu nehmendes Projekt, das gleich in doppelter Hinsicht Karriere(n) machen wird: dem VW New Beetle eine neue Laufbahn als Lifestyle-Laster; Böhringer und seinen Partnern, dem Kfz-Meister Günter Dahnke (43, Geschäftsführer der Wöbbeliner Firma Beetle Revival) und dem Handwerksmeister Jens Düwel (37, Experte für Glasfaser-Kunststoff), eine neue Aufgabe als Entwickler innovativer Autotypen. "Der Pick-up soll unsere erste Visitenkarte sein. Wir haben schon viele neue Ideen im Kopf."

Wahrscheinlich geht carGOfun in Serie

Wenn die dann auch so gut sind wie der Beetle-Laster mit dem Projektnamen carGofun, dann könnte da in Ludwigslust wirklich was ins Rollen kommen. Schon nach wenigen Kilometern mit dem Prototyp erkennt man: Das Auto kann es wirklich schaffen. Wo man hinguckt, nur strahlende Gesichter und erhobene Daumen. "Sogar eine Punkerin ist letztens noch mal ein paar Meter zurückgegangen, um sich das Auto anzuschauen", erzählt Böhringer.

Dahnke ergänzt: "Neben mir hat neulich auf der Autobahn ein Audi A4 eine Vollbremsung gemacht." Dabei ist es nicht nur das Äußere, was den Pick-up so attraktiv macht, es sind auch die vielen kleinen Ideen. Etwa das zweite Nummernschild hinten, mit dem der Wagen bei offener Ladeklappe gefahren werden darf. Oder die Hydraulik, mit der die Ladefläche per Fernbedienung um bis zu 30 Grad gekippt wird (so lassen sich bequem Kleinfahrzeuge wie Quad, Motorrad oder Rasenmäher auffahren). Die Heckklappe, die innen nicht nur Platz für zwei Rampen bietet, sondern auch für einen Koffer. Oder die umklappbare Rückwand der Kabine, durch die man die Ladefläche in eine Liegewiese mit Lederlehnen verwandeln kann.

Anders als bei manchen Studien großer Hersteller ist es fast sicher, dass der Wagen wirklich auf den Markt kommt. Entweder als Kleinserie in Eigenregie (der Umbau aus einem normalen Beetle würde dann etwa 10.000 Euro kosten) oder in Zusammenarbeit mit Volkswagen – und dann durch eine Serienproduktion deutlich günstiger. Böhringer: "Wir haben den Pick-up in Wolfsburg vorgestellt. Jetzt sollen die VW-Händler befragt werden, wie sie die Marktchancen sehen." Wenn es nach ihm und seinen Partnern geht, könnte die Fertigung Ende 2004 beginnen. Spätestens dann wird wohl auch Frau Böhringer dem CLK nicht mehr allzu sehr hinterhertrauern ...

Von

Alex Cohrs