Allein die Frage dürfte polarisieren: Cayman oder Elfer? Kann man den Evergreen unter den deutschen Sportwagen, der seit über einem halben Jahrhundert akribisch immer weiter perfektioniert wird, mit einem Jungspund vergleichen, der gerade erst volljährig ist? Darf man? Man muss! Beide kommen aus einem Elternhaus, teilen sich genetische Wurzeln, sind Brüder. Doch spielen sie überhaupt in einer Liga?

Zwischen den beiden Sportwagen liegen finanziell Welten

Porsche 718 Cayman GTS Porsche 911 Carrera GTS
Unfassbar: Zwischen 911 GTS und Cayman GTS liegen üppige 57.572 Euro Preisunterschied.
Preislich eher nicht. Im Fall der beiden getesteten GTS-Varianten, jener Spielarten, die ihre Nische zwischen Alltag und Rennstrecke finden, kann man sich für die Preisdifferenz locker noch eine Alpine A110 in die Garage stellen: Bezieht man alle performancerelevanten Extras der beiden Testwagen mit ein, liegen zwischen dem 718 Cayman GTS und dem 911 Carrera GTS 57.572 Euro Preisunterschied. Eine ganze Welt. Aber was davon spürt man überhaupt? Wenn man nur drinsitzt, erst einmal wenig. Cockpit und Armaturenträger sind fast identisch, die hochwertigere Anmutung des Elfers kommt im Wesentlichen durch feines Alcantara, das etwa das Lenkrad und Teile des Innenraums überzieht. Doch wer jemals eine Porsche-Preisliste durchgeackert hat, weiß: Das kostet natürlich noch einmal extra (Alcantarapaket: 3380 Euro) und ließe sich – zwar nicht im Paket, aber über Einzeloptionen – auch im Cayman ähnlich realisieren. Die hervorragenden Schalensitze der beiden geben auch keinen Hinweis, denn auch die sind optional und bis auf die Memory-Funktion des Elfer-Gestühls identisch.

Der Cayman trifft auf einen übermächtigen Gegner

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Video: BMW M2 vs Porsche Cayman GTS (2018)

Kräftemessen auf der Rennstrecke

Der Platzvorteil im Elfer ist gefühlt minimal, die Notsitze sind praktisch Gepäckablage und gehören zur 911-DNA, der Cayman trägt dort seinen (Mittel-)Motor. Und von außen? Natürlich Geschmacksache, aber der Elfer wirkt reif und – ja – schön, der Cayman schroffer, kantiger, verspielter – beides sicher zielgruppen- und gehaltsklassengerecht. Der Preisunterschied manifestiert sich sofort akustisch, sobald die Motoren laufen. Auch der Vierzylinder-Turbo des Cayman klingt nicht schlecht, vor allem, wenn man den typischen Boxerklang eines Käfers im Ohr hat. Doch gegen das satt-sanfte Röhren des Sechsenders aus der Sportabgasanlage des Elfers zieht der Cayman – auch er kommt als GTS mit Sportauspuff – eindeutig den Kürzeren. Und das gilt nicht nur für den Klang. Wie der Elfer ab rund 2000 Touren gleichmäßig und trotz Turbounterstützung gut dosierbar seine Kraft abgibt, ist perfekt – und schon fast etwas langweilig. Dem Cayman merkt man an, dass er sich heftiger ins Zeug legen muss, der Vierender wirkt fast angestrengt, während der Sechszylinder mehr Souveränität und Arbeitsfreude vermittelt.
Die vier Zehntel Respektabstand auf Tempo 100 weiten sich bis 200 auf fast zwei Sekunden aus, die der 911 GTS dem kleinen Bruder abnimmt. Porsche-typisch souverän zeigen sich die beiden auf der Bremse. Der Carrera GTS ist dabei mit 30,9 Metern warm auf Straßenreifen ein leuchtendes Vorbild – mit Sport-reifen knackt ein Carrera GTS auch die 30 Meter.

Den Sachsenring hat der Elfer ganz spielerisch im Griff

Porsche 911 Carrera GTS
Souverän: Der 911 Carrera GTS geht so gekonnt um den Sachsenring, dass es fast langweilig ist.
Verlangt man beiden maximale Performance auf der Rennstrecke ab, zeigen sich deutliche Unterschiede im Fahrverhalten. Der Mittelmotor-Cayman wirkt mit seiner sehr zupackenden Vorderachse und der gleichmäßigeren Gewichtsverteilung zunächst ausgewogener, zeigt leichte Lastwechsel und ein lebendiges Heck. Das Gripniveau ist sehr hoch, doch kann man ihn auch zum Leistungsübersteuern überreden. Der Motor läuft hier zur Hochform auf, scheint es zu mögen, wenn er kräftig gefordert wird. Auch der Klang bei höheren Drehzahlen erscheint Runde für Runde angenehmer – ein schreiender Vierzylinder-Boxer hat schon seinen Reiz. In puncto Leistungsentfaltung und Umsetzung von Gasbefehlen gibt er sich keine Blöße. Trotzdem eröffnet sich eine andere Wahrnehmung, wenn man den Carrera GTS über den Sachsenring jagt. Seine noch rückmeldungsfreudigere Lenkung vermittelt mehr Souveränität, die mit allen fahrdynamischen Optionen ausgestattete Karosserie liegt noch ruhiger als die des Cayman.
Ist auch im Cayman GTS eine schnelle Runde auf dem Sachsenring kein Hexenwerk für Profis, geht der 911 GTS die Sache fast langweilig ruhig an. So ausgewogen und perfekt nimmt sonst kaum ein Sportler den Sachsenring unter die Räder. Beim Blick auf die Uhr stutzt man dennoch: Fast 2,5 Sekunden nimmt der Carrera GTS dem Cayman ab.

Fazit

Trotz des beträchtlichen Preisunterschieds: In der Summe seiner Eigenschaften ist der 911 GTS der perfektere, ausgewogenere und schnellere Sportwagen. Das hat aber auch seinen Preis.