Porsche 911 GT3 RS
Porsches neuer Überflieger

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Beim neuen Porsche 911 GT3 RS dreht sich alles um die Aerodynamik. Wie sich das anfühlt? Das wollten wir auf der Rennstrecke in Silverstone erfahren.
Bild: AUTO BILD Syndication
Andreas Preuninger ist ein Fuchs. Nicht umsonst wollte Porsches GT-Chef uns seinen neuesten Ofen hier in Silverstone präsentieren. Genau dort, wo ich vor vier Jahren erstmals den McLaren Senna fahren konnte. Wo ich erstmals in einem Straßenauto echten Abtrieb erlebte, als ich die Kurven Abbey und Copse (fast) mit Vollgas nahm, obwohl der Kopf sagte, das geht nicht. Es ging, ich hatte noch Tage später Nackenschmerzen von den g-Kräften.
Und genau das alles soll nun auch der neue Porsche 911 GT3 RS können und hier in Silverstone vorführen. Und Preuninger nimmt schon am Vorabend kein Blatt vor den Mund, sagt vollmundig, dass sein neuestes Baby in den Kurven schneller sei als ein mit Slicks bereifter Cup-Elfer.

Die warme Luft des Mittenkühlers wird über Nüstern nach links und rechts weggeleitet.
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Wie er auf so eine irre Aussage kommt? Der neue RS ist komplett auf Abtrieb gepolt. Das ganze Auto wurde der Aerodynamik verschrieben. Der Hochdrehzahl-Boxer war quasi schon beim Vorgänger am Limit, mehr ging hier also nicht. Befeuerung durch Hybrid und Co war kein Thema, weniger Gewicht auch nicht, aufgrund der größeren, breiteren 992-Basis ist da nicht viel zu holen.
Wie ein waschechter Rennwagen
So konnte man das Auto nur über Fahrwerk und Aero schneller und besser machen. Doch einfach größere Flügel dranschrauben, tieferlegen, breitere Räder und fertig, nein. Das Chassis wurde so aufwendig bearbeitet und verfeinert wie noch nie. Und man ging noch weiter, packte auf Wunsch vieler GT3-RS-Kunden sogar Verstellmöglichkeiten wie beim waschechten Rennwagen rein. Wir reden hier nicht vom Cup-Elfer, sondern schon von Kalibern wie GT3 R und RSR der GTE-Klasse. Klingt ziemlich komplex, das ist es auch. So sehr, dass wir das zum einen hier und heute nicht bis ins letzte Detail aufdröseln können und wollen.
Zumal der Termin in Silverstone auch nicht genügend Fahrzeit und passendes Wetter zu bieten hatte. Leider fiel die erhoffte Aerodynamik-Show etwas ins Wasser, nur am Ende waren noch drei halb trockene Runden drin. Auf jeden Fall werden wir versuchen, vor dem Supertest im Frühjahr noch einmal den GT3 RS mit seinen Systemen im Trockenen genauer kennenzulernen. Was wir trotzdem erlebt haben, dazu gleich mehr. Vorher noch für die, die es interessiert, eine kurze Erklärung der RS-Besonderheiten.

Auf den ersten Blick alles wie beim normalen 911. Doch das Lenkrad hat Rädchen und DRS-Knopf.
Bild: AUTO BILD Syndication
Und die beginnen beim Gewicht. Der GT3 RS ist 15 Kilogramm schwerer als der normale GT3 (1435 kg); die 1450 kg beziehen sich auf die leichteste Version, also mit Weissach-Paket. Das gibt es für schlappe 36 390 Euro und macht den RS mit Stabis, Koppelstangen, Käfig, Türgriffen aus Carbon und Magnesiumrädern um besagte 15 Kilogramm leichter. Ohne dieses Extra ist der RS sogar 30 Kilogramm schwerer als der GT3 und wiegt 25 Kilogramm mehr als der Vorgänger 991.II.
Mit Formel-1-Flair: Heckflügel hat DRS
Sei’s drum, der Fokus war eben ein anderer. Abtrieb, Abtrieb und nochmals Abtrieb. Und da fällt sofort der monströse Heckflügel auf. Das erste Leitwerk in der Elfer-Historie, das höher ist als das Dach. Das ganze Teil ist nicht nur in Carbon gefertigt, das obere Flügelbrett lässt sich hydraulisch um 34 Grad verstellen, per DRS (Drag Reduction System): aktive Aerodynamik quasi (ab 100 km/h, bei 95 Prozent Gaspedal), Airbrake-Funktion inklusive.

Der XXL-Flügel ist höher als das Dach, der obere Flügel hydraulisch verstellbar.
Bild: AUTO BILD Syndication
Doch das ist noch nicht alles, was sich während der Fahrt bewegen lässt. Unsichtbar unter der Frontschürze sind weitere, parallel zum Heckflügel arbeitende aktive Flaps verbaut. Damit das funktioniert, musste allerdings einiges am Rest des Autos passieren. So wurde etwa anstelle des bisherigen Layouts mit drei Kühlern auf einen großen, schräg angeordneten Mittenkühler im Vorderwagen gesetzt. Wie bei den Rennwagen RSR und GT3 R.
Raffinierte Lösungen innen und außen
Sideblades lenken die Luft gezielt nach außen. Die Radhausentlüftung vorn erfolgt wie bisher über Öffnungen in den Kotflügeln. Einzüge hinter den Vorderrädern wie beim legendären 911 GT1 reduzieren den Staudruck im Radkasten. Sideblades hinter dem Einzug sorgen dafür, dass die Luft gezielt an die Fahrzeugseite herangeführt wird. Deshalb mussten auch neue Türen gebaut werden, natürlich in Carbon und mit echtem Türgriff.

Versteckt: An den Sideblades sind die aerodynamisch optimierten Seitenblinker befestigt.
Bild: AUTO BILD Syndication
Und noch ein Clou: Die warme Luft aus dem Mittenkühler strömt über riesige Nüstern auf der Fronthaube aus. Finnen auf dem Dach lenken die Luft nach außen und sorgen so für kühlere Ansaugtemperaturen am Heck. Soll ungefähr 20 PS bei warmen Außentemperaturen bringen. Die Öffnungen im hinteren Seitenteil werden nur noch zur Verbesserung der Aerodynamik und nicht zur Ansaugung der Prozessluft genutzt.
War es das? Nicht ganz. Weil man die Spur gegenüber dem GT3 um 29 Millimeter verbreiterte, wurden gleichzeitig die Querlenker zu Aerolenkern (tropfenförmiges Profil). Macht zusammen? Doppelt so viel Anpressdruck wie sein Vorgänger (991.2), dreimal so viel wie ein aktueller 911 GT3, bei 285 km/h 860 Kilogramm. Der Senna schaffte nur 800 Kilogramm ...
Technische Daten im Überblick:
Porsche 911 GT3 RS
Motor
Hubraum
Leistung
max. Drehmoment
Antrieb
Getriebe
0-100/200 km/h
Höchstgeschwindigkeit
L/B/H
Leergewicht
Verbrauch
Abgas
Preis
Fahrwerk? Kugelgelenke, neue Federraten und Dämpfer-Settings. Dazu breitere Räder und Reifen, 275er und 335er, Cup 2 Serie, optional Cup 2 R und Pirelli Trofeo RS. Einstellungen über Fahrmodi-Regler wie beim GT3: Normal, Sport und Track. Doch jetzt kommt’s, da sind noch drei Drehregler mehr am Lenkrad. Einer, um Zug- und Druckstufe vorn und hinten zu justieren, einer für die Schub- und Zugsperrwerte der Hinterachsquersperre und einer für das ESC/ TC als mehrstufige Traktionskontrolle. Links am Lenkrad noch eine DRS-Taste zum manuellen Bedienen der aktiven Flügel.

Der Diffusor stammt vom GT3, der Unterboden ist erstmals komplett verkleidet, der Auspuffsound geil.
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Wie das alles funktioniert, was Stufe vier bei der Sperrwirkung gegenüber Stufe null ausmacht und ob Traktion Stufe zwei oder off geht – das konnten wir hier in Silverstone leider noch nicht herausfinden. Das Thema ist knifflig, es braucht Zeit und viele Runden. Was feststeht: Die Aerodynamik ist auf jeden Fall spürbar. Das konnten wir sogar in den wenigen halb trockenen Runden herausfahren.
"Wilde Maus" auf dem Asphalt
Schon beim Einrollen wird klar, dieser GT3 RS ist der explosivste aller 911er, der bis in die Puppen dreht, mit telepathischen Gaspedalreaktionen verblüfft und dessen gesamtes Konstrukt aus Fahrwerk und Aero einfach der Wahnsinn ist. Sind sie schon mal "Wilde Maus" gefahren? So in etwa müssen Sie sich Einlenken und Verzögern auf den wenigen trockenen Streckenabschnitten in Silverstone vorstellen. Dieses Gefühl, das Quer- und Längsbeschleunigung zum bleibenden Eindruck verknotet, der auf dem Speicherchip namens Erinnerung einen Ehrenplatz verdient. Schade, dass wir Abbey und Copse nicht voll fahren konnten und der Nackenmuskel-Vergleich zum Senna ausfallen muss. Doch wir treffen den RS sicher noch mal. Und noch mal ...
Fazit
Der GT3 RS hat zugelegt – an Kompetenz, technischer Finesse und vor allem an Aerodynamik. Auch wenn wir den neuen GT3 RS noch nicht vollends am Limit ausprobieren konnten, ist eins schon klar. Das, was diesen Porsche so besonders reizvoll macht, ist nicht nur das, was er kann, sondern auch, wie er es macht.
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