Normalerweise sieht es ja schon so aus, als wisse die Evolution, was sie da treibt. Bestehendes passt sie immer besser den Gegebenheiten an, falls notwendig, denkt sie sich Neues aus, und Unnützes schafft sie irgendwann ganz einfach ab. Nur manchmal scheint ihr etwas durch die Lappen zu gehen, Arten, die zwar keinem schaden, die es aber auch nicht gerade dringend braucht. Googeln Sie doch einfach mal nach dem Grottenolm, und Sie verstehen, was wir meinen. Die Automobilwelt evolutioniert sich prinzipiell nach demselben Muster. Nachfrage und Angebot regeln sich gegenseitig, was niemand kauft, rottet sich aus. Doch auch hier entdeckt man bisweilen Phänomene, die keinen echten Sinn ergeben. Und diese drei hier sind so was wie die Grottenolme der Vierräder. Skurril, verblüffend und ein bisschen überflüssig. Audi stapelt den 3.0 TDI des Q5 per Doppelturbo zum S-Modell hoch, im Range Rover Evoque verschmelzen die Nachteile von Coupé und SUV, während es der Cayenne als GTS tatsächlich hinbekommt, athletisch zu sein, ohne so auszusehen. Doch mal im Ernst, sind es nicht schon immer die – sagen wir mal – besonderen Ideen, an die wir uns am liebsten zurückerinnern?

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Porsche Cayenne GTS
Als GTS schafft es der Cayenne, athletisch zu sein, ohne so auszusehen.
So bemessen, wäre der Porsche ein bisschen wie Einbrechen ins Lehrerzimmer. Völlig bekloppt, nicht gerade das, worauf Mamis abfahren, aber eben recht nahe am ultimativen Kick. Schon reguläre Cayenne sind querdynamisch schwer zu begreifen, ein GTS jedoch bringt dich schon beim Erklären in Not. Vielleicht liegt sein Geheimnis in den aktiven Stabis des PDCC, die ihn hydraulisch in der Waagerechten verspannen; vielleicht im Allradsystem, das die Kraft zwischen Front und Heck sowie entlang der Hinterachse jongliert; vielleicht liegt es in den 20 Millimeter Tieferlegung gegenüber den luftgefederten Standardmodellen, vielleicht im Zusammenspiel aller. Egal wie sie lautet, die Antithese zur Massenphysik, der GTS beweist, dass es sie gibt. Er trägt sich wie Moonboots und fühlt sich dennoch nach barfuß an. Man sitzt wie angegossen, das Einstell-Fahrwerk schubbert einem den Straßenbelag bei Bedarf haargenau übers Hinterteil, während es die Lenkungselektronik versteht, Leichtfüßigkeit zu vermitteln, ohne die Rückmeldung auszulöschen. Er klettet sich fest an die Handflächen, rutscht nie ins Untersteuern, selbst wenn man ihn jäh in Ecken reißt. Sind sie schon mal Elfer gefahren? Genau so, nur dass einem der Cayenne ein bisschen den Maßstab verrutscht. 9,5 Quadratmeter, erster Stock, geräumiger Abstellraum, möbliertes Wohnzimmer – so was steht anderswo als Studentenbude im Immobilenmarkt, diese Fünf-Mann-Bleibe aber rennt Tacho 280.

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Audi SQ5 TDI
Der SQ5 verkauft die Nummer mit dem Sportler glaubhafter als der Cayenne.
Der Weg dorthin zieht sich jedoch. Nicht dass er schlaff rüberkäm, der 4.8 mit seiner dumpfen Ansaugakustik und der sehnigen Leistungsentfaltung. Gemessen am modellathletischen Kurvenverhalten kommt er einem geradeaus aber deutlich untersetzter vor. Sogar der Diesel des SQ5 verkauft die Nummer mit dem Sportler glaubhafter. Nach kurzem Einatmen stapft er wuchtiger aus dem Drehzahlkeller, zieht zünftiger hoch. Auf der Uhr? Ein paar Zehntel hin oder her, die Hunderter-Medaille holt der Audi, dann presst sich der Cayenne vorbei. Alles nicht der Rede wert, zumal sich ein Kräftemessen ohnehin in der Kurve entschiede. Hier offenbart sich die vergleichsweise starre Kraftverteilung des Q5, ebenso wie die Tatsache, dass Audi die Sportbehandlung eher oberflächlich vollzieht. Statt Wanken zu regulieren oder mit dem bewährten Sportdiff hinterachsseitig nachzuwürzen, muss das nachgehärtete Fahrwerk samt 20-Zöllern genügen, um das S-Versprechen einzulösen. Wort gehalten? Ein klares Jein. Zwar strafft sich der SQ5 enger an Kurs und Fahrbahnbelag als die schwappigeren Standardfassungen, die Trockenheit des Porsche geht ihm jedoch ebenso ab wie dessen glasklares Lenkgefühl. Dafür passt die Athmo. Das Standgaswummern, das sich mit der Drehzahl zu rauchigem Röhren steigert, entsteht zwar künstlich und kann übers Drive-Select ausgefadet werden, lässt den Sechszylinder-TDI aber um einiges deutlicher nach V8 klingen als all die S6, S7 und S8, die es faktisch sind.Illusion beherrscht auch der Evoque. Weniger akustisch, wo ihm trotz Auspuffplayback immer auch ein paar Brocken Vierzylinderdialekt durchrutschen, sondern vielmehr konzeptionell. Er ist die Victoria-Beckham-Version einer Landpomeranze, der Gummistiefel unter den Stilettos, der Trend-Rover fürs Zweite-Reihe-Parken vor Burberry's. Indizien der engen Jaguar-Verwandtschaft tupfen sich in Form der Automatik-Wählwalze durch den Innenraum; beim nächtlichen Entriegeln wird die Silhouette der Karosserie im Spotlight vor die Einstiege projiziert, während die Schalensitze die fahrdynamischen Erwartungen doch etwas sehr hoch hängen. Sagen wir's so: Trotz Rabiat-Fahrwerk, Sportkennlinie und – na ja – aufgeweckter 240 PS liegt es nicht nur an den Sitzwangen, dass man nicht gegen die Seitenscheibe klatscht. Bitte richtig verstehen, ein Langweiler ist der Evoque nicht, neben den anderen kommt er einem aber geradezu aufreizend gelassen vor. Doch Tradition verpflichtet eben. Statt irgendwelchen Dynamiktrends hinterherzuhecheln, bleibt er sich treu, imponiert mit Wattiefen oder Böschungswinkeln und dröselt Terrainprogramme auf, die einen quer durch den Kongo wühlen würden, sich im wahren Leben aber mit Bordsteinkanten und Auffahrtkies bei Laune halten müssen.

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Auch der Allrad selbst könnte weit mehr, als er muss. Regulär turbolädt er 90 Prozent seiner 340 Newtonmeter direkt auf die Vorderachse, falls nötig verteilt er sie brüderlich zwischen Front und Heck. Die sportlichste Abstimmung ist das nicht, dafür eine, die ihn auch dann noch eifrig durch die verschneite Sandgrube wurstelt, wenn die anderen beiden vor lauter Dynamik am glitschigen Hang versauern. Und genau das ist der Unterschied zwischen natürlicher und automobiler Welt. Erstere belässt es irgendwann einfach beim Grottenolm, während die andere ihre Schnapsideen immer weiter ad absurdum führt. Audi etwa schiebt dem SQ5 noch dieses Jahr einen RS nach, Range Rover droht mit einem Evoque als Cabrio; fehlt eigentlich nur noch der Cayenne GT3. Was auch immer, die Evolution wird schon wissen, was sie treibt.

Fazit

von

Stefan Helmreich
Ausgerechnet die schrillste Mutation lässt am klarsten durchblicken, woher sie kommt. Sie fährt fl ockig, motorisiert quirlig, verlegt Ideallinien am liebsten aber querfeldein. Audi und Porsche wollen lieber Sportler sein, was der eine größtenteils, der andere großartig hinbekommt.

Von

Stefan Helmreich