Mein erster Traumwagen: Postbank Serie
Wer hier sitzt, kann nur lächeln: Peter Lauer darf gleich eine Runde im 959 drehen.
Wegen einer "dringenden Familienangelegenheit" entschuldigte Siegfried Lauer 1983 seinen Sohn Peter für einen Tag in der Schule. Diesen Tag hat Peter bis heute nicht vergessen. Tatsächlich war es beiden damals ein dringendes Anliegen, die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt zu besuchen. "Ich habe mich schon immer für alles interessiert, was sich bewegt", sagt Peter Lauer heute. Schon im Krabbelalter hätten statt Kuscheltieren Autos im Kinderbett gelegen. An einem der weniger stark besuchten Wochentage durch die Messehallen gehen zu können, bedeutete für den damals Zehnjährigen: freier Blick auf die neuesten Autos! Der Anblick eines Autos ist dem heute 44-Jährigen seit jenem Tag nicht aus dem Kopf gegangen: die Porsche-Studie "Gruppe B", der Vorgänger des 959. "Ich wusste, dass dieses Auto etwas ganz Besonderes sein musste", sagt Lauer. Etwas "technologisch Herausragendes". Mit dem Stuttgarter Sportwagenbauer kannte sich der junge Peter zu diesem Zeitpunkt schon gut aus. Seine Patentante Dorothea arbeitete dort in der Interieur-Abteilung, betreute unter anderem prominente Kunden. "Einmal saß ihr der Chef von Burger King gegenüber", sagt Lauer, der den Erlebnissen von "Dorchen", wie Dorothea alle nannten, stets aufmerksam lauschte. Sie verschaffte ihrem Neffen außerdem ein paar Runden auf dem Rücksitz eines 911 Turbo auf der Teststrecke in Weissach, und er durfte auf dem Fahrersitz ihres schwarzen 924 mit rosa Leder sitzen. Ein Kunde hatte das Auto so bestellt, ihn aber beim ersten Anblick doch lieber im Werk gelassen. Dorchen nahm ihn – zu Peters Freude.

Das damals schnellste und teuerste Serienauto der Welt

Mein erster Traumwagen: Postbank Serie
Lufteinlässe in den Kotflügeln und der Heckspoiler machen den 959 unverwechselbar.
Zwei Jahre später, erneut zufällig zur IAA, war wieder so eine "Familienangelegenheit". Dieses Mal wartete der 959 am Porsche-Stand auf sie. Peter machte Fotos und ergatterte einen Prospekt. Neben einem kompletten Fahrzeug zeigte Porsche auch einen der Länge nach aufgeschnittenen 959. Das reichhaltige Angebot an technischen Finessen war filetiert: Die Registeraufladung mit zwei Turbos war damals ebenso eine Neuheit wie der elektronisch geregelte Allradantrieb, das Hochleistungs-ABS, der luftgekühlte Motor mit wassergekühlten Zylinderköpfen und die tempoabhängige Niveauregulierung. 450 PS machten ihn mit 315 km/h zum damals schnellsten und mit 420.000 Mark Listenpreis teuersten Serienauto der Welt. Lauer gefielen aber nicht nur die technischen Werte, sondern "dass er trotzdem so normal rüberkam. Nicht so vulgär wie der F40", den Ferrari 1987 vorstellte. Lauer baute das Schnittmodell aus einem Modellauto nach. Dafür schnitt er mit einer Modellbausäge exakt die gleichen Teile aus wie Porsche bei seinem Exponat in Lebensgröße.

"Dass ich da mal drinsitzen würde …"

Heute, nach 33 Jahren, steht Lauer wieder vor einem 959. Günstiger ist er nicht geworden. Im Gegenteil. "Dass ich da mal drinsitzen würde …", sagt Lauer. Kurz zuvor hat er gesehen, dass der rote 959, dessen Schlüssel er nun hält, mit einer Million Euro versichert ist. Nach der Schule lebte Lauer zeitweise in den USA und machte einen Flugschein; verantwortungsvoller Umgang mit teurem Gerät ist ihm vertraut. Schnelles Fahren eher nicht. Zu Hause stehen eine 20 Jahre alte C-Klasse mit 122 PS und eine A-Klasse. Er freut sich, dass ihn keiner fragt, was er so fährt. Und nun sitzt er im 959. "Für den habe ich damals die Schule geschwänzt", sagt er, atmet aus und dreht den schmalen Schlüssel. Gewöhnung erfordern die schwergängige Kupplung und der fehlende rechte Außenspiegel. Ansonsten aber "eigentlich alltagstauglich“. Unter 3000 Touren passiert nicht viel, bis 6000 immer mehr und danach etwas, das ein Normalfahrer nicht begreifen kann und ein Enthusiast immer wieder erleben will. Einzig die langen Gänge – der erste geht bis Tacho 110 – setzen im Straßenverkehr Grenzen. Lauer genießt es, "die ganze Mechanik zu spüren. Das geht bei modernen Autos nicht." Aussteigen fällt schwer. Das Wissen, einen der nur 292 gebauten 959 gefahren zu sein, macht es etwas leichter: "Das werde ich nie vergessen", sagt Peter Lauer.

Von

Roland Kontny