Produktpiraterie
China-Smart in Deutschland

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Im Januar besuchte AUTO BILD in China die geheimen Hallen der Smart-Fälscher. Ausgerechnet in Gottlieb Daimlers Geburtsstadt Schorndorf wird das Elektroauto jetzt umgebaut – damit es mit Smart keinen Streit ums Copyright gibt.
Der China-Smart fährt sich wie ein kleines Boot in stürmischer See. Um mit dem Flybo 6000ZK Kurs zu halten, muss man ständig gegenlenken. Ganz so wie ein Kapitän bei Strömung, Wellengang und Wind. Doch die miese Lenkung ist noch das Harmloseste, was AUTO BILD auf der deutschen Jungfernfahrt im berühmten Plagiat des Smart fortwo erlebte. Schon nach rund 30 Testkilometern schaltet sich der vier PS starke Elektromotor wegen Überhitzung ab. Stillstand mitten auf der Landstraße, während von hinten eine Wagenkolonne heranbrettert. Bange Sekunden in einer Kiste aus Fiberglas, die noch nie einen Crashtest bestanden hat, aber schon im Sommer für etwa 6500 Euro in Deutschland verkauft werden soll. Außerdem in Planung: eine rund 10.000 Euro teure Version mit Batterien aus Lithium-Eisen-Phosphat. Diese Energiespeicher sind etwa halb so schwer wie Bleibatterien und erhöhen die Reichweite (jetzt rund 110 Kilometer) um 15 bis 20 Prozent. Außerdem verkürzt sich die Ladezeit von rund zehn auf etwa fünf Stunden.

Hier soll der China-Smart "Inuga" heißen

Daimler reagiert auf die von AUTO BILD gefahrene Version verärgert: "Das ist eindeutig ein Plagiat", erklärt eine Sprecherin. Merkwürdig ist aber, dass Mercedes anders als beim Shuanghuan Noble, einer dem Original-fortwo extrem ähnlichen Fälschung, den Flybo bisher nicht beschlagnahmen ließ. Auf den Fiberglas-Leib rückt Nothdurft dem China-Smart in seiner Heimatstadt Schorndorf. Pikant: 1834 kam in dem Ort bei Stuttgart Gottlieb Daimler zur Welt. Während eine Besuchergruppe vom Geburtshaus zum Denkmal wandert, steuert Jan Hetzel auf den Marktplatz zu. Er will wissen, wie die Bewohner der Daimler-Stadt auf die chinesische Plastikkomposition reagieren. Süß oder sauer? François Koell ist entsetzt: "Das ist kein Auto für die westliche Welt", sagt der Tischler nach einem Blick auf das billig-schmuddelige Armaturenbrett. Philologe Dr. Günther Zollmann urteilt anders: "Wer für freien Welthandel eintritt, muss so etwas in begrenztem Maß in Kauf nehmen." Sein Bekannter Dieter Hertel würde sich den Flybo niemals kaufen. "Es ist ärgerlich, dass diese billigen Autos hier verkauft werden und unsere Arbeitsplätze kaputt machen."
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