"Oje, wir kriegen die Lagune." Es ist Anfang März 2008, und die Testkollegen machen sich im neuen Dauertestwagen auf den Weg zum Genfer Salon. Im Laguna. Ausgerechnet im Laguna! Lagune statt Laguna, das sagt schon einiges. Traumkandidaten für Langstrecken werden anders begrüßt. Schuld daran sind seine Vorgänger. Weder der erste Laguna (ab 1993) noch die zweite Generation (ab 2000) galten als besonders zuverlässig. Im Gegenteil: "Fährst du Laguna, hast du Probleme", so ein gängiges Vorurteil, das AUTO BILD mit einem mäßigen Dauertest-Resultat des Laguna II bestätigte. Bei Kilometerstand 60.000 qualmte er weiß und blieb auf der Autobahn liegen. Diagnose: Turbo und Ladeluftkühler defekt. Als Renault offiziell Qualitätsdefizite einräumte, war der schlechte Ruf zementiert.

Auf einen Blick: alle AUTO BILD-Dauertests

Das kann ja nur besser werden. Abwarten! Zunächst einmal reiben sich einige am Design. Ist eben kein Passat oder Mondeo, sondern ein modischer Franzose. Dumm nur, dass die abfallende Heckpartie die Kombi-Talente arg einschränkt. Zum großen Lademeister taugt der Grandtour nicht. Knapp 1600 Liter Maximalvolumen hören sich nach mehr an, als er in der Praxis wegsteckt. Wer etwa zwei Rennräder einpackt, hat Mühe, sie durch die kleine Heckklappenöffnung zu fädeln. Von Konstrukteuren aus der Heimat der Tour de France hätten wir mehr erwartet. Dafür öffnet die Glasscheibe separat. Kleinteile und Taschen lassen sich ruck, zuck einladen. "Halter für Haubenaufrichter gebrochen, Dreiecklenker vorn links ausgeschlagen", steht schon bei Kilometerstand 25.896 im Bordbuch. Beides Garantiefälle, aber nach so kurzer Zeit schon solche Schäden? Geht das schon wieder los? Nee, geht es nicht. Ruhig, ausgesprochen ruhig und brav sogar spult der Renault Kilometer um Kilometer ab, ohne je auffällig zu werden. Ob Schweden, Italien oder England – unser Laguna kommt in Europa viel rum. 15 verschiedene Tester, jeder mit anderen Schalt- und Fahrgewohnheiten, dazu vielfältiger Einsatz mit Kindern, Hunden, Fotoausrüstung stellen den Kombi auf eine harte Probe.

Fast wie "Made in Germany"

Renault Laguna Grandtour 2.0 dCi Initiale
Das große Navi (900 Euro) funktionierte tadellos in ganz Europa. Nur die Stimme nervte.
Auch als Zugfahrzeug. Nach langen Fahrten gibt’s Applaus für die Reisequalitäten. "Gute Sitzposition, viel Platz im Fond und einfache Bedienung", meldet das Logbuch. "Innen fühlt sich alles hochwertig an. Und der Scheckkartenschlüssel samt Keyless-Go sind eine Wucht", schwärmt Testkollege Henning Klipp. Per Knopfdruck fallen die Rückenlehnen flach, der glatte Laderaum gefällt. Klasse auch das Gepäckraumrollo: narrensicher und robust. Ein Renault? Ja, tatsächlich ein Renault! In den Köpfen wird die Lagune wieder zum Laguna. Allein das hochwertige Cockpit zeigt, welchen Sprung die Franzosen bei der Qualität gemacht haben: hübsch, schlicht und dauerfest. Maßstab war hier die deutsche Konkurrenz. Nach 100.000 Kilometern sind kaum Abnutzungsspuren erkennbar. Wer allerdings genau hinguckt, findet mehrere Passungenauigkeiten und Verarbeitungspatzer. Die Seitenfächer im Kofferraum sind schon im Neuzustand so labil, als hätte der Renault ein heftiges Rock-’n’-Roll- Leben hinter sich. Bis in die letzte Ritze ist die Qualitätsoffensive also noch nicht vorgedrungen. Das belegen auch gelegentliche Knistergeräusche aus dem Armaturenträger.

Fahrwerk zu hart

Zu den Kritikpunkten gehört das Fahrwerk, das zu viel Härte zeigt. Querfugen schlagen bis in den Innenraum durch, der Abrollkomfort dürfte besser sein. Auch die Lenkung gefällt nicht jedem. In der Mittellage fehlt Präzision, eine traditionelle Renault-Eigenart, an die man sich allerdings gut gewöhnen kann. Ein Höhepunkt ist der Motor. Der 173-PS-Vierzylinder läuft leise, zieht gleichmäßig hoch und verbraucht wenig. Dass der Sahne-Diesel sogar mit sieben Litern auskommen kann, verschafft ihm viele Fans. Sein hohes Drehmoment ermöglicht zudem schaltarmes Fahren – ein Pluspunkt, der fast alle Laguna-Tester tief beeindruckt.

Zylinderkopf mit Problemen

Bitter nur, dass dieses gelobte Triebwerk bei der Zerlegung ungewöhnlichen Verschleiß zeigt. An Pleuellagern und Nockenwellen kündigt starke Riefenbildung zwar keinen Motorschaden an, aber die Materialabnutzung ist deutlich höher, als wir das sonst gewöhnt sind. Ebenso unüblich sind Haarrisse im Zylinderkopf. Diese setzen sich bei warmem Motor zu, so dass kein Kompressionsverlust droht. Wahrscheinlich hält der Motor noch mindestens weitere 100.000 Kilometer. Der defekte Temperatursensor für den Turbolader fällt ebenfalls in die Kategorie Schönheitsfehler.

Bei der Demontage zeigt der Motor seine schwachen Seiten

Renault Laguna Grandtour 2.0 dCi Initiale
Nach 100.000 km alles gut? Mitnichten. Im Motor ist deutlicher Verschleiß festzustellen.
Probleme mit dem Laguna-Motor – damit hat keiner gerechnet. Denn das starke Triebwerk erntete im Dauertest immer nur Bestnoten. Selbst bei der abschließenden Abgas- und Leistungsmessung auf dem Rollenprüfstand der DEKRA zeigt sich der 173 PS starke Vierzylinder-Turbo von seiner besten Seite, bestätigt bei Verbrauch und Schadstoffen fast die Herstellerangaben. Dass er gut zwei kW weniger leistet, als Renault verspricht – Kleinigkeit. Viel wichtiger: Verbrauch (8,7 Liter/100 km im Schnitt über 100.000 km) und Ölnachfüllbedarf (nur zwei Liter) ließen keine Krankheiten erwarten.

Risse und Riefen

Renault Laguna Grandtour 2.0 dCi Initiale
Die Pleuellager sehen eher nach 300.000 als nach 100.000 Kilometern aus.
Erst die Demontage bringt es an den Tag: stark verschlissene Pleuellager, tiefe Schmutzriefen an allen Lagerstellen der zwei Nockenwellen und kleine Risse im Zylinderkopf an allen vier Zylindern. Das nahende Ende? Nein: Der Motor wäre trotzdem wohl noch lange weitergelaufen, da ist sich DEKRA-Experte Günther Schiele sicher. Aber die Pleuellager wären bald fällig gewesen. Kein Einzelfall: Denn schon seit Anfang 2009 baut Renault verstärkte Lager ein. Sonst zeigt der zerlegte Laguna kaum Schwachstellen

Gesamtnote 2-

Renault Laguna Grandtour 2.0 dCi Initiale
Die Risse zwischen Glühkerzenbohrungen und Ventilsitzen gehören nicht zum normalen Verschleiß.
Großflächige Unterbodenverkleidungen hielten den Schmutz aus dem Motorraum fern. Entsprechend sauber und korrosionsfrei sehen die meisten Aggregate aus. Auch die Abgasanlage wirkt fast wie frisch aus dem Werk. Und das Getriebe zeigt makellos glänzende Zahnräder. Auch Elektro- und Masseanschlüsse haben die Kilometerfresserei gut überstanden. Wie die Innenausstattung – deren einzige Verarbeitungsmängel fielen schon gleich nach Übernahme des Dauerläufers auf. Nach der Abschlussuntersuchung lautet unsere Note: gut mit einem Minus hinten dran. Damit schafft es der Laguna Grandtour auf Platz 25 unser Zuverlässigkeits-Rangliste. Den Dauertest beendet er eine ganze Zensur besser als der getestete Ford Mondeo Turnier 2.0 TDCi. Ein Lichtblick für Renault.

Hersteller-Reaktion: Das sagt Renault…

... zu Verarbeitungsmängeln: Die Qualität der Verarbeitung wurde durch zwei Maßnahmepakete im März und August 2008 in der Serienproduktion optimiert.
... zu Riefen in den Nockenwellen und deren Lagern: Grund für die Riefen sind Partikel, die diverse Ursachen haben können. Auf jeden Fall bleibt die Nockenwelle funktionell, und die Riefen sind für die Kunden ohne Bedeutung.
... zum ausgeprägten Verschleiß an den Pleuellagern: Wie die Nockenwelle weisen auch die Pleuellager Spuren von Partikeldurchgang auf. Diese haben jedoch keine Auswirkungen auf die Funktionalität des hydrodynamischen Lagers. Interne Dauerlauftests, welche im Rahmen der Produktvalidierung unter strengeren Beanspruchungen durchgeführt worden sind, zeigten die gleichen Verschleißbilder ohne Funktionsbeeinträchtigung.

Fazit

Renault ist auf dem richtigen Weg Renault und seine Langzeitqualität, das war bisher ein dunkles Kapitel. Note 4– für unseren letzten Dauertest-Laguna – ein Weckruf für die Franzosen. Der anscheinend erhört wurde. Denn das aktuelle Modell ist durchaus ein Lichtblick. Nur leichter Ärger zu Beginn und ein defekter Sensor am Schluss – unser Tesåtwagen spulte die 100 000 Kilometer ansonsten fast mängelfrei ab. Die Qualitätsoffensive der Franzosen wirkt. Der Laguna mag optisch weniger aufregen als früher, dafür ist das Auto heute zuverlässig konstruiert. Dass noch Potenzial nach oben besteht, zeigt das Verschleißbild im Motor. Ansonsten: Chapeau!