Extrem-Offroader: Wir jagen die seltene 6x6-Version des Pinzgauer noch einmal die Bergstrecke hinauf, auf der sie einst erprobt wurde.
Rumpel! Ein moderner Geländegänger wäre jetzt wohl kaputt. 72 Zentimeter über dem Boden sitze ich hier, direkt über dieser offenbar endlos misshandlungsfesten Vorderachse. Die Hinterachse gibt's beim Pinzgauer 6x6 gleich doppelt, somit auch den doppelten Grip. Sogar auf rundgeschliffenen Felsen im Schöckl-Steilhang findet der Dreiachser noch Halt. Der Schöckl, das ist eine materialmordend unruhige, stellenweise erschreckend rutschige Felsenkletterstrecke, bis auf 1445 Meter Höhe hinaufreichend – der Hausberg von Steyr-Daimler-Puch, heute Magna Steyr.
Als ziviler 6x6 mit Diesel ist der Pinzgauer ein echter Exot
Stückzahlenzwerg: In der von uns gefahrenen Variante gibt es den Pinzgauer ganz extrem selten.
Unser Gefährt gehört dem Ersatzteilelieferanten S-Tec in Albersdorf bei Graz und ist schön exotisch konfiguriert: Diesel, Dreiachser, zivil – die Zahl baugleicher Pinzgauer soll zweistellig sein. Steyr baute von 1971 bis 2000 immerhin rund 24.000 Pinzgauer, davon nur 5000 Diesel, von denen wiederum nur 211 an zivile Kunden gingen. Unser Exemplar von 1998 hat erst 30.000 km auf der Uhr, diente als Versuchsträger für größere Motoren. Josef Schantl (66), altgedienter Testfahrer (seit 1969) aus Steyr-Puch-Zeiten, zeigt mir, wie es geht: Automatikwählhebel auf Neutral, Untersetzung mit dem dünnen Hebel links neben dem Motortunnel hineinknorpeln, Allrad und beide Quersperren elektrohydraulisch per Kippschalter einlegen. Jetzt hält den 6x6 nichts mehr auf. Sechs einzeln und sehr beweglich aufgehängte Räder lassen ihn gelenkig wie ein Murmeltier dem Landschaftsverlauf folgen.
In Fahrt zeigt sich der Geländegänger benutzerfeundlich
Kinderleicht über Stock und Stein: Der Pinzgauer gibt seinem Piloten keine großen Rätsel auf.
Dabei ist er stocksimpel zu fahren: stur auf dem Gas bleiben und nur vor Kurven die vordere Achssperre rechtzeitig lösen, wegen der Lenkbarkeit. Spürbar höher als im 4x4-Pinzgauer: das Rückstellmoment der – servounterstützten – Lenkung. Der 6x6 hat einen größeren Wendekreis von immer noch akzeptablen 12,3 Metern. Dafür fördern die sechs Räder Traktion und Seitenführung, das Heck bleibt in jeder Situation ruhiger. Pendelachsfahrwerke wie das des Pinzgauer sind ja allgemein gefürchtet: Sie klappen bei starkem Bremsen die entlasteten Hinterräder ein, das Heck kommt plötzlich herum. Beim 6x6 verlieren sie viel von ihrem Schrecken. Trotzdem legt er einen ruhigen Fahrstil nahe, schon wegen des zwischen den Sitzen lärmenden Motors und der singenden Portalachs-Zahnräder. Pinzgauer sind Kaltblut-, keine Rennpferde.
Der Dieselmotor behebt eine große Pinzgauer-Schwäche
Am Haubenaufsatz zu erkennen: Pinzgauer-Experten sehen dem Offroader seinen Dieselmotor an.
Die Motorhaubenhutze weist unseren Dreiachser als spätes Exemplar aus, mit Sechszylinder-Diesel aus dem VW-Transporter LT. Dieses Aggregat, das auch Volvo in seinen Limousinen und Kombis einsetzte, nervt zwar mit schrillem Turbopfeifen – verglichen mit den bis 1985 verbauten luftgekühlten Puch-Benzinern ist es aber geradezu ein Leisetreter. Letzterer war akustisch etwa so zurückhaltend wie die Concorde. Armeen in aller Welt schätzten dafür seine Kugelsicherheit: Er lässt sich nicht einfach per Schuss in den Kühler lahmlegen – es gibt keinen. Mit dem Diesel und dem 120-Liter-Tank arbeiteten die Grazer 1985 eine echte Pinzgauer-Schwäche ab: die knappe Reichweite. Die kompakte Kastigkeit des Gefährts – auch der 6x6 ist weniger als fünf Meter lang – erleichtert den Flugtransport. Die Portalachsen heben die Bodenfreiheit auf 335 mm – top!So viel technische Originalität gab es nie zum Discountpreis. Kurz vor Ende der Produktion in Graz kostete der 6x6 rund 1,1 Millionen Schilling. Dafür gab es drei lange Defender 130 Doka. Dennoch war der Pinzgauer weltweit begehrt: Schöckl-Erprobtes zerschüttelt sich auch in Afrika nicht. Es handelt sich klar um das Werk steirischer Werkzeugmacher: solides Profigerät ohne Showeffekte.
Technische Daten Pinzgauer 718 M (1998): 6-Zylinder-Reihen-Turbodiesel mit Wirbelkammereinspritzung, längs • 2383 cm³ • 83 kW (113 PS) bei 4350/min • 220 Nm bei 2400–2850/min • Zentralrohrrahmen • Einzelradaufhängung mit Portal-Pendelachsen an Schraubenfedern vorne, Blattfedern hinten • 4-Stufen-Automatik • Heckantrieb, Vorderachse zuschaltbar • Achssperren vorne und hinten • Reifen 235/85 R 16 • L/B/H 4955/1800/2045 mm • Radstand 2000 + 980 mm • Leergewicht 2880 kg • Gesamtgewicht 3500 kg • 0–80 km/h in circa 19 s • Vmax 113 km/h • Tankvolumen 120 l • Verbrauch ca. 14 l D/100 km • Preis (1998): circa 80.000 Euro
Rumpel! Ein moderner Geländegänger wäre jetzt wohl kaputt. 72 Zentimeter über dem Boden sitze ich hier, direkt über dieser offenbar endlos misshandlungsfesten Vorderachse. Die Hinterachse gibt's beim Pinzgauer 6x6 gleich doppelt, somit auch den doppelten Grip.
Bild: Robert Lukas / Werk
2/19
Sogar auf rundgeschliffenen Felsen im Schöckl-Steilhang findet der Dreiachser noch Halt. Der Schöckl, das ist eine materialmordend unruhige, stellenweise erschreckend rutschige Felsenkletterstrecke, bis auf 1445 Meter Höhe hinaufreichend – der Hausberg von Steyr-Daimler-Puch, heute Magna Steyr.
Bild: Robert Lukas / Werk
3/19
Steyr baute von 1971 bis 2000 immerhin rund 24.000 Pinzgauer, davon nur 5000 Diesel, von denen wiederum nur 211 an zivile Kunden gingen. Unser Exemplar von 1998 hat erst 30.000 km auf der Uhr, diente als Versuchsträger für größere Motoren.
Bild: Robert Lukas / Werk
4/19
Josef Schantl (links) erklärt mir im üppigen Passagierabteil des Pinzgauer, wie der Extremallradler gefahren werden muss. Der 66-jährige weiß genau, wovon erspricht, schließlich ist er altgedienter Testfahrer (seit 1969) aus Steyr-Puch-Zeiten.
Bild: Robert Lukas / Werk
5/19
Also, Automatikwählhebel auf Neutral, ...
Bild: Robert Lukas / Werk
6/19
... Untersetzung mit dem dünnen Hebel links neben dem Motortunnel hineinknorpeln, Allrad und beide Quersperren elektrohydraulisch per Kippschalter einlegen.
Bild: Robert Lukas / Werk
7/19
Jetzt hält den 6x6 nichts mehr auf. Sechs einzeln und sehr beweglich aufgehängte Räder lassen ihn gelenkig wie ein Murmeltier dem Landschaftsverlauf folgen.
Bild: Robert Lukas / Werk
8/19
Dabei ist er stocksimpel zu fahren: stur auf dem Gas bleiben und nur vor Kurven die vordere Achssperre rechtzeitig lösen, wegen der Lenkbarkeit. Spürbar höher als im 4x4-Pinzgauer: das Rückstellmoment der – servounterstützten – Lenkung.
Bild: Robert Lukas / Werk
9/19
Der 6x6 hat einen größeren Wendekreis von immer noch akzeptablen 12,3 Metern. Dafür fördern die sechs Räder Traktion und Seitenführung, das Heck bleibt in jeder Situation ruhiger.
Bild: Robert Lukas / Werk
10/19
Pendelachsfahrwerke wie das des Pinzgauer sind ja allgemein gefürchtet: Sie klappen bei starkem Bremsen die entlasteten Hinterräder ein, das Heck kommt plötzlich herum. Beim 6x6 verlieren sie viel von ihrem Schrecken.
Bild: Robert Lukas / Werk
11/19
Trotzdem legt er einen ruhigen Fahrstil nahe, schon wegen des zwischen den Sitzen lärmenden Motors und der singenden Portalachs-Zahnräder. Pinzgauer sind Kaltblut-, keine Rennpferde.
Bild: Robert Lukas / Werk
12/19
Die Motorhaubenhutze weist unseren Dreiachser als spätes Exemplar aus, mit Sechszylinder-Diesel aus dem VW-Transporter LT. Dieses Aggregat, das auch Volvo in seinen Limousinen und Kombis einsetzte, ...
Bild: Robert Lukas / Werk
13/19
... nervt zwar mit schrillem Turbopfeifen – verglichen mit den bis 1985 verbauten luftgekühlten Puch-Benzinern ist es aber geradezu ein Leisetreter.
Bild: Robert Lukas / Werk
14/19
Armeen in aller Welt schätzten dafür seine Kugelsicherheit: Er lässt sich nicht einfach per Schuss in den Kühler lahmlegen – es gibt keinen. Mit dem Diesel und dem 120-Liter-Tank arbeiteten die Grazer 1985 eine echte Pinzgauer-Schwäche ab: die knappe Reichweite.
Bild: Robert Lukas / Werk
15/19
Die kompakte Kastigkeit des Gefährts – auch der 6x6 ist weniger als fünf Meter lang – erleichtert den Flugtransport.
Bild: Robert Lukas / Werk
16/19
Zum drunterliegen: Die Portalachsen heben die Bodenfreiheit auf 335 mm – top!
Bild: Robert Lukas / Werk
17/19
Nessie? 70 Zentimeter Wassertiefe sind kein Problem, es gab auch extrem watfähige Versionen mit 1,5 Metern Wattiefe.
Bild: Robert Lukas / Werk
18/19
So viel technische Originalität gab es nie zum Discountpreis. Kurz vor Ende der Produktion in Graz kostete der 6x6 rund 1,1 Millionen Schilling. Dafür gab es drei lange Defender 130 Doka.
Bild: Robert Lukas / Werk
19/19
Dennoch war der Pinzgauer weltweit begehrt: Schöckl-Erprobtes zerschüttelt sich auch in Afrika nicht. Es handelt sich klar um das Werk steirischer Werkzeugmacher: solides Profigerät ohne Showeffekte.