Her mit den Prada-Sonnenbrillen! Den Armani-Anzügen! Den Gucci-Kleidchen! Modisch fährt Italien seit Jahren auf der Überholspur. Nur bei der Autotechnik – da haben wir Deutschen die Hosen an. Aber es gibt auch Marken wie Audi und Lancia , die das Besondere bieten. Die sich als Premium-Hersteller um die Schnittstelle zwischen bella figura und bella macchina kümmern. Das bedeutet seit Neuestem wieder: Konkurrenz für den A3 in der Kompaktwagenklasse. In diesem Herbst trägt die aktuelle Auto-Couture aus Italien den Namen Delta (Markteinführung: 5. September 2008). Ja, es kommt halt alles wieder in Mode. Selbst Namen. Bis auf den Schriftzug am Heck gibt es aber keine Gemeinsamkeiten mit dem historischen Vorbild aus den 80ern. Überall, wo der alte Delta Kanten zeigte, trägt der neue Rundungen.

Auf 4,52 Metern Länge bietet der Delta reichlich Platz für alle

Lancia Delta 1.4 T-Jet
Lang gemacht: Die Passagiere haben auf 4,52 reichlich Platz im Delta.
Und wie lang er geworden ist. 4,52 Meter feinster Faltenwurf, zweifarbig lackiert (1150 Euro), mit reichlich Chrom-Schmuck. Seine Augen schminken die Italiener mit LED-Lidstrich. Dafür dunkeln sie die hinteren Fensterscheiben serienmäßig zur exklusiven Espresso-Bar ab. Si, si, signori, tatsächlich lässt sich zwischen Fondbank und Fahrersitz locker ein Picknick-Tischchen aufbauen, so viel Platz schenkt der Lancia Delta den Passagieren. Wer lieber Koffer transportiert, als seine Beine auszustrecken, zieht die Rückbank ein Stück nach vorn. Die fährt auf Schienen, nur beim Wegklappen bewegen sich die geteilten Sitze unbeholfen. Statt sich hinter den Vordersitzen schlank zu machen, stehen sie zum Paket gefaltet im Weg. So was wäre für den perfektionistischen Audi undenkbar. Als Sportback-Variante längte ihn Audi um sieben Zentimeter im Vergleich zum normalen A3. 4,29 Meter sind in der Kompaktwagenklasse die perfekten Modelmaße. Kurz genug, um auf dem Absatz kehrtzumachen – sein Wendekreis liegt mit 10,6 Metern deutlich unter dem des Lancia (11,9) –, lang genug, um Transportaufgaben souverän zu bewältigen.

Der teurere Audi bietet eine höhere Qualität als der Lancia

Audi A3 1.8 TFSI Sportback
Teurer, aber auch hochwertiger: In Sachen Qualität sticht Audi Lancia aus.
In den Audi lässt es sich leichter einladen, einfacher klappen. So sieht "La deutsche Vita" aus, herrlich unkompliziert. Und unglaublich praktisch. Ein Sonnenrollo, Taschenhaken und auch noch ein Netz – allein die Hutablage (115 Euro) des A3 ist variabler als mancher Mini-Van. Nur beim Platzangebot im Fond kommt der Audi nicht mit, da spielt der Delta seine Länge aus. Im Cockpit sieht das anders aus. Beide umspielen die Passagiere mit weichen Alcantara-Sitzen, im Delta gehören die sogar zur Serie (Oro). Audi nimmt dafür 1350 Euro extra auf den ohnehin schon teureren Anschaffungspreis. 26.480 Euro für den A3 stehen 24.400 Euro für den Lancia gegenüber – kein Wunder, dass man dafür die Details hübscher arbeiten kann. 2080 Euro Preisunterschied, die spürbar sind. Bei den Kunststoffen, bei den Alu-Applikationen, die beim Audi echt sind und beim Lancia nicht mal täuschend echt aussehen. Ganz zu schweigen von den Spaltmaßen, die meistens nur Deutschen im schmalen Spaghetti-Format gelingen. Wie gesagt: 2080 Euro entschuldigen vieles, aber nicht alles.
Zum Beispiel nicht das hölzerne Fahrwerk des Lancia. Unebenheiten geht er hart an, während er sich in Kurven wie ein Van beugt. Konsequenter der Audi: hart an der Straße, zu hart. Zwar nahm Audi in der Vergangenheit Beschwerden über das zu straffe Fahrwerk ernst, softete es etwas ab. Gern dürfte der nächste A3 noch weicher gespült werden. Für die Schaltung gilt: bitte so lassen. Sechs Gänge lassen sich mit unglaublicher Präzision sortieren, der Bordcomputer (245 Euro) erteilt dazu spritsparende Schaltempfehlungen. Im Schnitt verbraucht der Sportback 8,1 Liter Super, einen Mini-Schluck mehr, als der Lancia mit 7,9 nimmt. Auch im Delta funktioniert der Gangwechsel problemlos, allerdings legt der Hebel längere Wege zurück. Über die Teamarbeit zwischen Getriebe und 1.4-T-Jet-Motor, der 150 PS leistet, lässt sich nun wirklich nicht meckern. Harmonisch arbeiten beide Hand in Hand. Ab 2250 Touren schaltet der Turbo zu, darunter spaziert der Vierzylinder lässig durch die Ortschaft. Und vor allem unglaublich leise.
Auch Audis 1.8-Vierzylinder (160 PS) läuft ruhig, überraschend übertönt von den Abrollgeräuschen der Reifen auf der Autobahn. Dafür zieht er beim Anfahren nicht nur schneller los, sondern beim Überholen auch zackiger durch. Am Ende des Vergleichs öffnen sich wieder die Schubladen: Audi punktet bei der Mechanik, Lancia bei der Mode. Gern ziehen wir uns italienisch an, aber bei der Technik fahren wir weiterhin auf deutsche Autos ab.

Das Fazit von AUTO BILD-Redakteurin Margret Hucko

AUTO BILD-Redakteurin Margret Hucko.
Hat sich in den Lancia verguckt: AUTO BILD-Redakteurin Margret Hucko.
Es gibt Kollegen, die meckern am neuen Lancia rum, ich bin begeistert. Hartes Plastik, schwammige Lenkung, stuckeriges Fahrwerk – das entspricht natürlich nicht dem Verständnis von deutscher Ingenieurkunst. Der Lancia ist alles andere als kühl durchgeplant. Gut so. Denn mich langweilt Perfektion zu Tode. Audis A3 ist wie ein massentauglicher Kinofilm mit 3D-Effekten und Dolby-Surround (gucken, staunen, vergessen). Der Lancia ein Italo-Streifen mit verblasstem Bild, knisterndem Ton, herzerweichender Handlung (gucken, grübeln und immer wieder gucken). Während im A3 die Inszenierung die Dialoge überspielt, lenkt der Lancia den Blick aufs Wesentliche: aufs Bild. Das zeichnet einen zweifarbig lackierten Wagen mit Gute-Laune-Gesicht, modelliertem Apfel-Po und ironischem Zwinkern im Blinker. Der Delta gehört in die Schublade zum italienischen Alessi-Besteck. Weniger funktional als WMF, dafür aber besonders.

Von

Margret Hucko