Für Biologen ist die Entdeckung einer neuen Spezies eine Sensation. Wer ein unbekanntes Lebewesen aufspürt, wird gefeiert. Auch bei BMW grassiert das Forschungsfieber. Gäbe es einen Nobelpreis für ungewöhnliche Modellkreationen, die Münchner hätten ihn verdient: erst der X1 als Vorreiter der "Fast-SUV-Halb-Kombi-Wesen", nun ein auffälliges Blechgeschöpf mit Geltungsdrang. Name: 5er GT. Gattung: Limousinen. Unterart: Mutant aus 5er Touring, 7er und X6. Da wundert es nicht, dass die BMW-Werbung den Neuen mit einem Buckelwal vergleicht. Auf der Straße – zwischen Polo, Astra und Co. – wirkt er tatsächlich wie ein Wal im Forellenteich. Die sind zwar sympathisch, aber fahren würde man lieber einen Delfin, oder? Optisch verliert der GT die BMW-typische Kompaktheit, wandelt zwischen Autorität und Protz wie der wuchtige X6. Innen fühlt er sich an wie ein zu großer Anzug.

Mehr zum BMW 5er? Hier geht es zur neuen Modellseite

Prägend für seinen Auftritt ist vor allem der imposante Po mit zweiteiliger Heckklappe: große Luke für Kinderkarre, kleiner Deckel fürs Handgepäck. Klingt gut, ist aber nicht neu. Der Skoda Superb hat die "Twindoor" schon seit mehr als einem Jahr. Und mal ehrlich: Brauchen tut sie keiner. Hat man erst verinnerlicht, welcher Knopf am Heck und der Fernbedienung welche Klappe öffnet, wird die große Lösung Routine. Es ist einfacher, Ladegut von oben zu verstauen, als durch den schmalen Schacht zu fädeln. Zumal die große Haube elektrisch öffnet und schließt (690 Euro). Die Kofferraumgröße des Gran Turismo enttäuscht. Mit minimal 440 Litern schluckt er einen Koffer weniger als die Limousine (520 Liter). Die Fondsitze lassen sich zehn Zentimeter nach vorn schieben, die Lehnen mehrstufig justieren und die Kofferraum-Trennwand entriegeln. Nur: Passagiere sitzen nun vorwärtsgebeugt wie bei einer Flugzeug-Notlandung, ohne dass der gewonnene Platz sinnvoll nutzbar wird. Was soll das also? Erst mit umgelegten Lehnen schafft der GT 1700 Liter – nur unwesentlich mehr, als der 5er Touring an Bord nimmt (1650 Liter). Heißt: Für seinen Kofferraum wird der GT nicht gekauft werden, BMW hat die Variabilität nicht neu erfunden.

Dank Wankausgleich liegt das Dickschiff wie ein Brett auf der Straße

BMW 530d GT
Lehnen wir uns also zurück und genießen den erstklassigen Komfort. Denn verwöhnen kann der GT exzellent. Damit wird klar, was er wirklich ist: der fetteste und feinste 5er aller Zeiten. Trotz Coupéhecks ist die Kopffreiheit gut, die Beine haben Platz wie im 7er – der Langversion wohlgemerkt. Da die Sitze 60 Zentimeter über dem Boden montiert sind, gelingt auch Älteren der Einstieg mit Würde. Das qualifiziert den GT zum Chauffeursauto. Wer hinten sitzt, verpasst jedoch das Beste. Schon die Einstiegsversion 530d GT ist alles andere als ein Altherrenmodell und legt eine verblüffende Fahrdynamik an den Tag. Absolut neutral und nahezu ohne Karosserieneigung drückt der 245-PS-Diesel die über 2,1 Tonnen schwere Fuhre durch die Kurven. Dass ein derart langes und massiges Auto so viel Spaß macht, verdient höchsten Respekt. Auch wenn dazu jede Menge Hightech nötig ist. So protzt der Testwagen nicht nur mit Panoramadach (1700 Euro), Xenon-Kurvenlicht (1650 Euro), Totwinkelwarner (620 Euro), Spurassistent (520 Euro), Head-up-Display (1390 Euro) und Rückfahrkamera (420 Euro), sondern auch mit Aktivlenkung (1750 Euro) und Wankausgleich (3000 Euro). Der bietet eine Komfortfunktion für die Dämpfer, die aber überflüssig ist.
Denn selbst im Sport-Modus rollt der GT noch angenehm ab. Die luftgefederte Hinterachse gehört zur Serie. Wer 19- oder gar 21-Zoll-Optionsräder bestellt, muss bei langsamer Fahrt dennoch mit Karosseriezittern leben. Okay, darüber kann man hinwegsehen. Weniger allerdings über den mäßigen Geradeauslauf. Der 5er GT mit Aktivlenkung und Runflat-Reifen fordert auf der Autobahn ständige Kurskorrekturen – für ein mindestens 55.200 Euro teures Auto eine fragwürdige Eigenheit. Am Ende bleibt Skepsis. Technisch ein Traumschiff. Fast alles, was geht, hat BMW hier reingepackt. Trotzdem könnte der GT auf der roten Liste bedrohter Arten landen, noch bevor er sich richtig ausgebreitet hat.

Mehr Details zum neuen BMW 5er GT gibt es in der Bildergalerie. Den kompletten Artikel mit allen technischen Daten und Tabellen finden Sie als Download im Heftarchiv.
BMW erfindet gerade neue Wagenklassen, will dabei seinen Markenwert Sportlichkeit aber nicht verlieren. Beim GT klappt dieser Spagat nur bedingt. Für den typischen Fahrfreude-Fanatiker ist er zu groß und schwer, für Limousinen-Käufer optisch zu ausgefallen. Trotzdem überzeugt der BMW-Brocken mit unerwarteter, großartiger Dynamik, doch erwartet die wirklich jemand? Für ein teures Luxus-Schiff ist derart hochgezüchtete Agilität so fehl am Platz wie ein Trainingsanzug in der Oper. Die Stärken des 5er GT sind Reisekomfort, repräsentativer Auftritt und faszinierende Technik. Bleibt die Frage, was dieser GT eigentlich ist: genialer Mix oder großes Missverständnis?