Raucher können aufatmen. Obwohl die Repressalien weltweit zunehmen und Nikotin-Genuss in nicht allzu ferner Zeit direkt in den Knast führen dürfte, besteht Hoffnung: Hat Mercedes-Benz doch einen Dreh gefunden, seine Kunden unbeschwert qualmen zu lassen, ohne einen der verpönten Glimmstengel auch nur anrühren zu müssen. CLK 63 AMG Black Series und CL 65 AMG heißen die Genussmittel. Aber welches schmeckt Sportfahrern besser? "Habt ihr Tomaten auf den Augen?" Claus Hieke, seit 20 Jahren Chefdesigner bei AMG, unterbricht unsere Gedankenspiele. "Sieht doch ein Blinder mit Krückstock, welcher von den beiden der Sportler ist. Der CLK."

Unverzichtbares Element der Black Series: gigantische Kühlöffnungen

Schweres Edelcoupé gegen zarten Renner: CL 65 AMG und CLK 63 AMG Black Series.
Schweres Edelcoupé gegen zarten Renner: CL 65 AMG und CLK 63 AMG Black Series.
Er beginnt, das Auto zu erklären: "Die riesigen Kühlluftöffnungen in der Front sehen gefräßig aus, haben aber einen tieferen Sinn: Sie sind unverzichtbares Element des neuen Kühlkreislaufs." Nicht, dass der alte thermische Probleme verursacht hätte. Funktioniert doch auch der normale CLK 63 AMG mit 481 PS reibungslos. Aber natürlich soll der Black-Series-Topathlet alles besser können. Und die Fehler des SLK Black Series vermeiden. Der war die erste Sportvariante von der Sportvariante (Basis SLK 55 AMG) und erntete nicht nur Lob. Fragte sich doch mancher Interessent ratlos, wo die mehr als 40.000 Euro Aufpreis denn nun genau abgeblieben waren. Der CLK Black Series will derlei Anfeindungen im Keim ersticken. So fächelt seine durchlöcherte Frontschürze nicht nur dem vergrößerten Hauptwasserkühler Frischluft zu, sondern auch dem zusätzlichen Getriebeölkühler im linken, und dem Motorölkühler im rechten Radlauf.

Die CLK-Klientel mag es optisch gern deftiger

Breit: Der CLK 63 AMG Black Series kommt mit dicken Backen.
Breit: Der CLK 63 AMG Black Series kommt mit dicken Backen.
Das CL-Coupé pflegt vornehme Zurückhaltung – trotz einer ähnlichen Formensprache. "Seine Kundschaft ist speziell", führt Hieke aus, "konservativer und im Altersschnitt um einiges älter als die Klientel des CLK." Letztere mag es gern deftiger: "Die deutlich breitere Spur stellt für einen Designer natürlich eine Steilvorlage dar. Sie drückt aber auch unser Bestreben aus, einen echten Supersportler heranzüchten zu wollen." Die stämmige Statur rührt nicht von profanen Distanzscheiben her, sondern resultiert aus einer komplett neuen Fahrwerkskonstruktion: Für den Black Series konzipierte AMG Federlenker, Radträger, Schub-, Sturz- und Zugstreben neu. Domstreben in Motor- und Kofferraum sowie zusätzliche Diagonalstreben im Vorderwagen erhöhen die Steifigkeit. Ein Lamellen-Sperrdifferenzial an der Hinterachse optimiert die Traktion.
Bei der Wahl des richtigen Rads kommt wieder der Designer ins Spiel: "Die formschönen Schmiederäder in 19 Zoll sind ausschließlich dem CLK Black Series vorbehalten und zudem besonders leichtgewichtig – eine Felge wiegt nur 10,5 Kilogramm," klärt uns Hieke auf. Auch dem CL 65 AMG spendiert Hieke Schmiederäder – in gewaltigen 20 Zoll. Dem Luxuscoupé bleiben allzu tiefgreifende Fahrwerksmodifikationen erspart: Das Active-Body-Control-Fahrwerk erfährt lediglich eine behutsame Anpassung. Die Zurückhaltung kommt nicht von ungefähr: CL-Fahrer sind nicht bereit, beim Komfort Abstriche zu machen – AMG-Label hin oder her. Hieke bittet uns zurück zum CLK und reißt die Tür auf: "Noch Fragen?" Ein lausbübisches Grinsen macht sich auf dem Gesicht des 57-Jährigen breit. "Die lupenreinen Sportsitze sehen nicht nur kompromisslos aus, sie sind es auch." Das Gestühl umfasst den Piloten in unerbitterlichem Klammergriff. Der ist dafür ganz dankbar – spätestens wenn er die ersten drei Runden Rennstrecke hinter sich hat. Entführt der CLK Black Series die Besatzung doch in der Kurve in Geschwindigkeitsregionen, die man bisher selbst von AMG-Modellen kaum kannte.

Das Terrain des CL ist und bleibt die Autobahn

Komfort bitte: CL-Fahrer lieben die kommode Gangart – auch mit 612 PS.
Komfort bitte: CL-Fahrer lieben die kommode Gangart – auch mit 612 PS.
Die Sieben-Stufen-Automatik unterlässt es im manuellen Modus löblicherweise völlig, dem Fahrer den passenden Gang zu diktieren, sondern hält sich sklavisch an dessen Vorgaben. Beim ersten Beschnuppern auf der amerikanischen Rennstrecke Willow Springs lässt sich nur erahnen, welch Potenzial im CLK steckt. Der CL steht währenddessen majestätisch in der Boxengasse und scheint über die Rennstrecken-Option nicht allzu begeistert. Sein Terrain ist und bleibt die Autobahn. Mit unerschütterlicher Anmut pflügt er geradeaus, mit jeder Faser seines lang gestreckten Körpers ein reinrassiger Längskraft-Dynamiker. Hieke nimmt im CL Platz, breitet die Arme im luftig geschnittenen Innenraum aus und stellt die Gretchenfrage: "Wollen Sie in solch einem Ambiente auf die Jagd nach dem Rundenrekord gehen?" Nein, wollen wir nicht. Stattdessen wollen wir uns ins edle Leder kuscheln, das große Volant streicheln, uns einlullen lassen von grenzenlosem Luxus.

Trotz Carbon gibt es keine Gewichtsersparnis

"Den CLK hingegen haben wir bewusst nüchtern gestaltet," verrät Hieke, "nicht zuletzt natürlich, um Ballast zu vermeiden." Details verraten diese Intention: sei es die fehlende Rückbank, das kleine Sportlenkrad, eines der unzähligen Carbonteile, die im Interieur und über die Karosserie verteilt sind, oder der filigrane Wählhebel. Leider bleibt die Gewichtsreduktion ein Lippenbekenntnis: Der CLK Black Series wiegt fünf Kilogramm mehr als das Basisfahrzeug. Trotzdem soll er deutlich besser gehen – das Auto ist nicht nur kürzer übersetzt, sondern auch leistungsgesteigert: 26 PS haben die Affalterbacher entdeckt – die Leistung wächst auf 507 PS. Der Motor bleibt dabei unberührt, von einer elektronischen Optimierung abgesehen. Zudem installiert AMG größer dimensionierte Ansaugwege und eine neue zweiflutige Abgasanlage. Da überrascht es kaum, dass die Kraftentfaltung jeden Rahmen sprengt. Gierig schlürfend und freudig schnorchelnd dreht der Motor hoch und sieht sich mit jeder zusätzlichen Umdrehung zu neuen Höchstleistungen angestachelt.

Unterm Strich leistet der CL 65 unglaubliche 612 PS

Nach einer schweißtreibenden Tour in der Rennsemmel nehmen wir im CL 65 AMG Platz. Und freuen uns auf entspanntes Dahinrollen mit gemütlichem Kaffeefahrt-Flair. Können wir haben – solange wir das Gaspedal streicheln. Nähert sich der Fuß dem Bodenblech jedoch eine Winzigkeit mehr, bricht die Hölle los. Der Fahrer sieht sich in den Sitz gedrückt, als würde der Damm eines wahren Drehmoment-Stausees über ihm brechen. All dies leistet der Motor mit einer Beiläufigkeit, als wäre rein gar nichts dabei und ohne merklich die Stimme zu erheben. Unbeeindruckt vom monumentalen 600er-Basisaggregat, zieht AMG alle Register: Die Serien-Turbos ersetzt der Werkstuner gegen größere, leistungsfähigere Lader. Die müssen einem Ladedruck von bis zu 1,5 Bar standhalten. Unterm Strich leistet das Aggregat unglaubliche 612 PS – und elektronisch abgeriegelte 1000 Newtonmeter maximales Drehmoment.

Adäquat beeindruckt versuchen wir uns an einem Resümee: Der CL 65 AMG schmeckt nach Marlboro Medium: mild im Geschmack, kräftig im Durchzug. Der CLK Black Series ist die Reval-Fluppe – filterlos und nur für echte Männer geeignet. "Kann man das so sagen, Herr Hieke?" – "Könnte man so ausdrücken", bestätigt Hieke lächelnd und steckt sich eine Zigarette an.

Von

Ben Arnold