Polizei läßt den Platz räumen

Schon der Samstagmorgen bringt Probleme: Alle Youngtimer müssen so schnell wie möglich vom Erfurter Domplatz runter, weil die Polizei die Innenstadt wegen einer Demo verrammeln will. Das sorgt für ziemliches Durcheinander. Mein Beifahrer wartet schon. Nicht Schulz heißt der Mann, wie ich gestern schrieb, sondern Schultz. Horst mit Vornamen. Und Pensionär ist er auch nicht, wie man mir sagte, sondern kurz davor. Auch er hat eine eintägige Mitfahrt in "meinem" BMW bei einer regionalen Tageszeitung gewonnen. Ein Ingenieur für Stellwerktechnik bei der Bahn ist Horst Schultz. Interessante Geschichten, die er so zu erzählen hat.

Nur das mit dem Rallye-Fahren, das muß noch etwas geübt werden. Geht aber schnell – schon nach einer halben Stunde flutschen die Roadbook-Befehle, wir verfahren uns immer seltener. Erste Sonderprüfung: Youngtimer-Memory spielen. Mach du´s mal lieber, meint Horst. Und ich hole die volle Punktzahl. Das tut meinem Ego verdammt gut – gegen mein vierjähriges Töchterchen ziehe ich nämlich immer den kürzeren.

Die Ortsdurchfahrten in Thüringen haben es in sich. Winzige Sträßchen, rauf und runter, manche Brücken so schmal, daß die Ami-Fahrer im Feld ganz schön ins Schwitzen kommen. Mittags erreichen wir Chemnitz. Pause im Volkswagen-Werk – in dem heute auch Tag der offenen Tür ist. Menschenmassen ohne Ende, und die knapp 100 Youngtimer mittendrin. Gegen Viertel nach drei brechen Horst und ich zur Etappe durchs Erzgebirge auf. Fahren will er noch immer nicht. Hat nie ein Auto mit Automatik bewegt, sagt er. Wartburg 311, Skoda MB 1000, Lada 1200, jetzt einen neuen Opel Vectra – alle handgeschaltet. Am Nachmittag will er vielleicht mal einen Versuch wagen.

Steuergerät kaputt – das Aus?

Doch dazu soll es nicht mehr kommen. Noch in Chemnitz, etwa bei Tempo 40, bleibt der Motor unseres BMW 323i Baur-Cabrio plötzlich stehen. Kein Stottern, kein Ruckeln, ohne jegliche Vorankündigung einfach aus. Ralf Feldmann und Heinz Krock, die Gelben Engel, die die Creme 21-Rallye begleiten, sind sofort zur Stelle.

Sie prüfen, checken, messen. Und finden den Fehler im Handumdrehen. Wirklich klasse, die Jungs. Alte Meister eben. Weniger klasse: der Defekt selbst. Kein Steuerstrom an den Einspritzventilen der L-Jetronic. Diagnose: Steuergerät kaputt. Hätte er noch nie erlebt, ein Problem mit diesem Bauteil, sagt ADAC-Spezialist Ralf Feldmann. Ist doch nicht zu fassen: Heute morgen juxten ein paar andere Teilnehmer und ich noch rum. Von wegen eines der jüngsten Autos im Feld, erst 22 Jahre alt, schon mit Elektronik, wenn das mal gut geht ... und zack. Da hat die Vergaser-Fraktion natürlich reichlich zu lachen und zu spotten.

Die BMW Pannen-Hotline in München empfiehlt einen Einsatz des Servicemobils der Niederlassung Chemnitz. Ich telefoniere mit Karsten Ranft, dem Diensthabenden – keine Chance. War ja auch klar, daß die die Elektronik-Einheit für ein uraltes Auto, zumal noch ohne G-Katalysator und nur bis 1983 gebaut, nicht am Lager haben. Und irgendeine hemdsärmlige Lösung? Kennt der Notdienst-Mechaniker vielleicht Privatschrauber, die solch ein Teil noch in der Garage haben könnten? Na, da bin ich beim Mitarbeiter einer hochoffiziellen Niederlassung ja an der richtigen Adresse.

Karsten Ranft kommt zunächst mit seiner mobilen Werkstatt, einem X5, vorbei und nimmt uns ins Schlepp. Im strömenden Regen geht es zur BMW-Vertretung Chemnitz. Dort angekommen, kümmere ich mich erst mal um Horst, der wieder per Shuttle zurück nach Erfurt muß. Mach's gut, alter Junge. Schade, daß es so laufen mußte. Vielleicht nächstes mal ... Dann telefoniert BMW-Mann Ranft herum. Am Samstagabend, rechtzeitig zum Anpfiff Deutschland-Brasilien. Hoffnung? Nahe null.

Einmal in 30 Jahren passiert's eben

Doch Ranft gibt schließlich das Startzeichen: Ein paar Kilometer weiter sei der Autoverwerter Oelschläger, der nochmal aufschließen würde. Mit klitzekleiner Chance hätte er das Teil am Lager. Nichts wie hin. Und tatsächlich: In den aufgeräumten Regalen der Schrottplatz-Werkstatt finden sich auf Anhieb zwei Steuergeräte mit identischer Bosch-Nummer. Wir nehmen vorsichtshalber beide mit, brausen zurück, stecken eines an die Stromleiste und... der 323i läuft wieder wie ein Neuwagen. Danke, Karsten Ranft, für diesen mehr als ungewöhnlichen Feierabend-Einsatz. Danke, Verwerter Oelschläger (trotz des Wochenendtarifs von 232 Euro für eine Elektronikbox).

Und bitte schön, liebe BMW-Abteilung Mobile Tradition in München – so erspart ihr euch den riesigen Aufwand, euer Auto zurück nach München zu schleppen. Die historische Abteilung der weiß-blauen Marke hatte, das muß ich fairerweise sagen, dieses Museumsstück für die Creme 21-Rallye perfekt präpariert. Aber so ein Steuergerät, da steckt man halt nicht drin. Einmal in 30 Jahren passiert's eben.

Fünf Stunden habe ich verloren, die Erzgebirg-Etappe mit sämtlichen Prüfungen verpaßt. Damit bin ich wohl endgültig raus aus der Wertung. Gut, daß ich wenigstens zeitgleich mit den anderen Teilnehmern im Hotel bin. So schaffe ich es noch mit zur Abendveranstaltung im Industriemuseum Chemnitz. Dort höre ich von den Rallye-Teams weitere Ausfall-Storys: Den Volvo-Schneewittchensarg P1800 ES hat es dahingerafft – schwerer Differentialschaden. Den Chevrolet Impala ebenfalls – ein zurückliegender Marderbiß an der Zündanlage, der sich erst bei dem starken Regen gerächt hat. Und einige weitere Youngtimer. Andererseits: Die Jungs mit dem alten Ford Escort, der vorgestern mit Defekt ausgeschieden ist, sind mit repariertem Auto wieder dabei. Das nenne ich hartnäckig. Respekt.

Am Sonntag geht´s auf die letzte Etappe. Ziel: das Porsche-Werk in Leipzig. Bin gespannt, was bis dahin noch passiert. Mein Abschlußbericht geht am Montag online. Dann reiche ich auch ein Foto der BMW-Reparatur nach – ich kriege es in der Eile nicht zur Redaktion gemailt. Jetzt muß ich aber .... morgen geht es wieder früh raus.