Die Farbe ist in etwa die gleiche. Beide heißen Scirocco. Aber das ist so ziemlich alles, was die zwei Autos gemeinsam haben, die in der Motorsportarena Oschersleben zum Tracktest antreten. Der eine Scirocco ist 27 Jahre alt, der andere brandneu. Scirocco I gegen Scirocco GT24 lautet das Duell der Generationen. Seriennahe Technik der Tourenwagen-EM von 1977 gegen den speziell für das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring entwickelten GT-Renner. "Das Auto hat noch die gutmütige Fahrwerksabstimmung für die Nordschleife", erklärt Andreas Lautner, Technischer Direktor von VW Motorsport und Kopf hinter den drei in Rekordzeit aufgebauten 24-Stunden-Sciroccos. "Die ist für Oschersleben eigentlich viel zu weich."

Der neue Scirocco ist gutmütig wie ein Schaf

Mag sein. In dieser Abstimmung für die mit Bodenwellen und Kuppen übersäten Nordschleife lässt sich der Scirocco auf der topfebenen Piste in Oschersleben jedenfalls mit einer Leichtigkeit fahren, für die idiotensicher noch untertrieben klingt. Das aus Zeitgründen vom Seat Leon Supercopa übernommene Fahrwerk macht aus dem Fronttriebler ein gutmütiges Schaf. Nur in den Kurven schiebt das Auto dezent über die Vorderräder. Die riesigen Bremsen ermöglichen dank Renn-ABS ein gefahrloses Verzögern in die Kurve hinein. "Beim 24-Stunden-Rennen war das ABS besonders im Regen ein Riesenvorteil", lobt Werkspilot Depping. Überhaupt ist das gesamte Auto daraufhin konstruiert, dem Fahrer die Arbeit so leicht wie möglich zu machen. "Bei einem Langstreckenrennen ist das wichtig, weil man länger voll konzentriert bleibt", erläutert Depping. Ihren Teil dazu trägt die Lenkradschaltung bei. Sie stammt ebenfalls aus dem Cup-Seat. Das Sechsganggetriebe ist ein Serienbauteil – inklusive der für Oschersleben viel zu langen Endübersetzung. "Lediglich die Schaltzeiten haben wir auf etwa 0,1 Sekunden verkürzt", verrät Cheftechniker Lautner.

Motor überdrehen war einmal

1977 für die Tourenwagen-EM aufgebaut: Der Scirocco LS.
1977 für die Tourenwagen-EM aufgebaut: der Scirocco LS.
So geht das also im Jahre 2008. Zum Hochschalten zupft der Pilot, sobald ihn das LED-Band der Schaltlampen dazu auffordert, lässig mit der rechten Hand an einer Schaltwippe am Lenkrad. Nahezu ohne Zugkraftunterbrechung legt die Hydraulik des Direktschaltgetriebes (DSG) den nächsten Gang ein, nach einer Stunde ebenso präzise wie nach 23. Zum Runterschalten genügt ein Ziehen an der linken Schaltwippe. Wobei die Elektronik dem Befehl nur dann folgt, wenn die anliegende Drehzahl es erlaubt – Motor überdrehen war einmal. Zum Beispiel 1977, als der VW Scirocco in der kleinen Hubraum-Division der Tourenwagen-EM das Maß der Dinge war. "Der Drehzahlbegrenzer setzt bei 8200 Touren ein", warnt mich Heinz Stüber, der den auf einem Serien-Scirocco von 1981 aufgebauten Renner in der Youngtimer-Trophy (Rennserie für Fahrzeuge bis Baujahr 1988) pilotiert. "Aber ab 8000 kommt sowieso nicht mehr viel." Unter 5000 Touren auch nicht.

Der größte Vorteil: die Bremsen

Während der elektronisch gesteuerte Turbo-Direkteinspritzer des 2008er Scirocco schon ab 2000 Umdrehungen ohne spürbare Schwankungen bis ans Maximum von etwa 6500 U/min hochdreht, verschluckt sich der 1,6-Liter-Sauger des Serie-1-Scirocco im Drehzahlkeller heftig. Trotz der für die Zeit fortschrittlichen Kugelfischer-Einspritzanlage. Fleißig schalten, heißt also die Devise. Der Schalthebel will dabei mit Nachdruck, aber ohne Gewalt geführt werden. Besondere Konzentration erfordert der Wechsel von der vierten in die fünfte und letzte Stufe. "Den Schalthebel schön weit nach rechts drücken", fordert Stüber. Das mit dem Schalten habe ich schnell im Griff. Nur im Kapitel Bremsen hat mein Hirn den Zeitsprung noch nicht absolviert, ist noch auf "Scirocco 2008" programmiert. Als ich das erste Mal tief in eine Kurve hineinbremse, überrascht mich das Heck mit einem unvermittelten Schwenk. Ohne ABS sollte man halt den Bremsvorgang abgeschlossen haben, solange das Auto noch gerade steht. Überhaupt sind die Bremsen vielleicht der größte Vorteil des neuen gegenüber dem altem Scirocco.

Der Fortschritt beträgt 0,3 Sekunden pro Jahr

Die knapp 140 PS Leistungsdefizit macht der Youngtimer beim Beschleunigen dagegen durch rund 350 Kilogramm weniger Gewicht beinahe wieder wett. Hier nimmt der 2008er dem 1981er (Schaltzeit etwa 0,5 Sekunden) hauptsächlich wegen des DSG-Getriebes einige Meter ab. In Oschersleben beträgt der Unterschied rund zehn Sekunden pro Runde. Anders ausgedrückt: Der Renn-Scirocco hat sich seit 1977 etwa um 0,3 Sekunden pro Jahr weiter entwickelt.
Fazit von AUTO BILD MOTORSPORT-Testfahrer Christian Schön Unglaublich, was ein Vierteljahrhundert im Motorsport ausmacht. Der 2008er Scirocco lässt sich im Vergleich zum Original von 1981 geradezu spielerisch fahren. Jede Menge Elektronik entlastet den Piloten. Den Alten am Limit zu bewegen ist dagegen echte Arbeit. Reichlich Spaß machen sie beide.

Von

Christian Schön