An sein erstes eigenes Auto erinnert sich Bill noch ganz gut. 75 Jahre ist das her. "Ich war sieben", sagt Bill Spencer. "Meinen ersten Strafzettel bekam ich mit zehn." Strafzettel? Fürs Fahren? Natürlich sei er damals schon gefahren, sagt Bill, und das Lachen in seinem sonnengegerbten Gesicht wird breit. Hier in Utah, wo gerade mal 15 Einwohner auf einem Quadratkilometer leben, ging so was wohl, damals, Ende der 1940er-Jahre.
Bill Spencer
Kaum eines der Autos ist fahrtüchtig. Einige haben noch einen intakten Innenraum, bei anderen sind Scheiben zerbrochen und es fehlen Lenkräder.
Bild: Holger Karkheck

Rund 70 Jahre später steht Bill auf seinem Grundstück im Örtchen Glendale und ruft dem Besucher aus Deutschland zu, er solle doch mal näher kommen. Sein deutscher Schäferhund kläfft derweil an der Kette. "Der hat ein Hüftproblem", sagt Bill beschwichtigend. 
Bill Spencer
Im Garten sind die Autos aufgereiht. Oben auf dem Berg würden noch weitere stehen, sagt Bill.
Bild: Holger Karkheck
Na gut, betreten wir das fremde Grundstück. So was kann hier im Südwesten der USA sonst ja gern mal tödlich enden. Utah ist der einzige Bundesstaat, wo seit 2011 eine Schusswaffe zu den offiziellen Wahrzeichen gehört: eine Browning M1911, aber das ist eine andere Geschichte. Bill steht ganz offensichtlich eher auf Alteisen, nicht auf Schießeisen.

Autowracks aus fünf Jahrzehnten im Vorgarten

Wer auf dem 2015 Kilometer langen U.S. Highway 89 unterwegs ist und den Bryce Canyon Nationalpark ansteuert, kommt fast automatisch bei Bill vorbei. Und hält dann ebenso automatisch an. Weil man seinen Augen nicht traut. 
Wo andere Blumen pflanzen, hat Bill seinen Garten mit Hunderten Autos ... nun ja ... geschmückt. Modelle aus fünf Jahrzehnten. Pick-ups mit runden Motorhauben aus den 1950ern. Veritable Straßenkreuzer der 60er und 70er, wo man allein beim Anblick das V8-Wummern in den Ohren hat. Und "Modernes" aus der Zeit, als wir in Deutschland US-Serien wir "Ein Colt für alle Fälle" oder "Das A-Team" schauten.
Bill Spencer
Dieser Chevrolet ist schon mit der Erde verwachsen. Langsam versinken die Räder im Boden.
Bild: Holger Karkheck

Allen gemein ist: Sie haben ihre Blütezeit längst hinter sich. Und verströmen gerade dadurch eine einmalige Ästhetik. Bill sammelt keine Autos, er sammelt Autowracks. Bei manchen hat der Rost die gesamte Karosse erfasst. Andere stehen noch in ihrem ausgeblichenen Grün oder Rot in der Mittagssonne. 

Von Beruf Holzfäller, aber Autos als Berufung

Von Beruf war Bill Holzfäller, über 30 Jahre lang hat er den Job gemacht, seine Hände erzählen davon. Aber seine Leidenschaft, die galt schon immer Autos. Seit wann er sammelt? "Eigentlich schon immer", sagt Bill. Immer wieder würden ihm Leute ihre Wagen anbieten. Mal Unfallautos, mal einfach Exemplare, die niemand mehr will. Niemand außer Bill.
Ford Edsel
Edsel war eine Marke von Ford, die nur von 1957 bis 1959 bestand. Ein riesiger Flop!
Bild: Holger Karkheck
Er betreibt so etwas wie einen Gnadenhof für legendäre US-Cars, Horsepower aus der guten alten Zeit. Da steht ein Willys Jeep, mit dem die Amerikaner Europa befreiten. Und ein Edsel – einer der größten Flops der Auto-Geschichte. 1957 wurde die Marke mit viel Tamtam eingeführt, es gab sogar eine eigene Fernsehshow dafür, in der sogar Frank Sinatra und Louis Armstrong auftraten. Zwei Jahre später war die Marke schon wieder tot. Und Ford hatte, auf heute umgerechnet, etwa zwei Milliarden US-Dollar in den Sand gesetzt.

Bill hatte auch mal sieben Opel Rekord

Bill bekam ihn günstiger, seinen Edsel, setzte ihn aber auch in den Sand bei sich. So wie alle seine Wracks. Fahrbereit sind nur zwei, drei, die er selbst repariert hat. "Ich hatte sogar mal sieben Opel Rekord. Mein Bruder war als Soldat in Deutschland und hat welche mit rübergebracht." Schöne kleine Autos seien das gewesen. 
Bill Spencer
Der Innenraum eines Pontiac Eight. Vom Sitz sind nur noch die Sprungfedern übrig.
Bild: Holger Karkheck
Ein offizielles Museum betreibt Bill nicht. Aber jede Woche kämen ein paar Touristen, auch aus Deutschland. Und wer will, dem erzählt Bill seine Geschichte. Von seiner ersten Frau, die an Diabetes starb. Von der zweiten Frau, die auch verstorben sei. Ebenso die Tochter. Bill stehen, wenn er das erzählt, die Tränen in den Augen. 

Seit 75 Jahren fährt Bill Auto

Was bleibt, sind seine Autos. Auch die auf dem Friedhof, aber irgendwie lebendig geblieben. Bill kramt dann noch seinen Führerschein hervor. Aus dem Portemonnaie, das an einer dicken Kette in der Jeans steckt. Klar fahre er bis heute Auto, sagt Bill. Seit 75 Jahren mittlerweile.
Am Ende zieht er noch seine selbst gedruckte Visitenkarte aus der Tasche. "Alte Autos, klassische Chevys und Bäume fällen" steht da unter seinem Namen. Ob man ihm eine Zeitschrift schicken könne? Mit dem Internet halte er es wie mit modernen Autos – beides komme ihm nicht auf den Hof.