Immer geradeaus. Die Straße, ein langes, graues Band. Kilometerweise Monotonie. Was also tun als Lkw-Fahrer? Im Smartphone tippen. Lesen. Film auf dem Laptop schauen. Kaffee kochen. Sport machen – mit einem Expander. Auch mal die Fußnägel schneiden. Und das alles hinterm Steuer! Bei Tempo 80 oder mehr. Im Fachjargon nennt man dies "fahrfremde Tätigkeiten". Roland Bäuerle, Chef des Autobahnpolizeireviers Pforzheim, kennt sie alle. Einen Lkw-Fahrer habe man mal wenig bekleidet aus dem Verkehr gezogen, er hatte das Führerhaus zur Pornokabine umfunktioniert.

15 Prozent der Trucker beschwören Gefahr herauf

Das alles treiben Trucker hinterm Steuer
Das Smartphone oder das Tablet ist nach wie vor die gefährlichste Ablenkung im Lkw-Cockpit.
Bild: AUTO BILD
Häufigste Ablenkungsquelle ist jedoch immer noch das Handy. Nimmt ein Fahrer bei 80 km/h nur wenige Sekunden den Blick von der Fahrbahn, legt das Fahrzeug über 100 Meter im Blindflug zurück. Laut Studien der Unfallforschung der Versicherer (UDV) sind etwa 15 Prozent der Trucker mit Dingen beschäftigt, die im Ernstfall zu einem Unfall geführt hätten. Und oft genug kracht’s, vor allem am Stauende: 488 Unfälle, bei denen 45 Lkw-Fahrer ums Leben kamen, hat kürzlich der "Stern" für das Jahr 2019 ausgewertet. Dabei starben außerdem acht Pkw-Insassen.

Kamera auf dem Dach liefert Beweisbilder

Auch der Autobahnabschnitt der A8 zwischen Karlsbad und Heimsheim ist ein Unfallschwerpunkt. Tempolimits, Steigungen und Gefälle, dichter Verkehr und Staus sorgen für kritische Situationen. Seit kurzem patrouilliert hier ein Sonderfahrzeug der Bereitschaftspolizei Bruchsal. Die Kamera auf dem Dach des als Kurierfahrzeug getarnten Mercedes Sprinters liefert auch während der Fahrt beweiskräftige Bilder und Filmaufnahmen, das Material kann direkt bearbeitet werden. Der Mast ist auf vier Meter ausfahrbar, der Kamerabetrieb auch während der Fahrt möglich – bis 120 km/h, ab dann werden die Aufnahmen unbrauchbar.

Handy in der einen, Flasche in der anderen Hand

Das alles treiben Trucker hinterm Steuer
Fünf Sekunden Blick in die Zeitschrift beim Tempo 80 heißt 111 Meter im Blindflug.
Bild: AUTO BILD
Nach kurzer Zeit auf der A8 Richtung Stuttgart erspäht das Team bereits den ersten Verkehrssünder – in der einen Hand das Smartphone, in der anderen eine Wasserflasche. Winkerkelle raus, Kontrolle auf dem nächsten Parkplatz. Der Fahrer, der für eine deutsche Spedition fährt, stammt aus Polen. Zunächst gibt er vor, kein Deutsch oder Englisch zu verstehen, später geht dann doch ein wenig. Und mit Händen und Füßen klappt’s eigentlich in allen Fällen, sagt die Polizei-Crew. Für den Handyverstoß werden 100 Euro plus Verwaltungskosten fällig. Da der Hauptwohnsitz des Fahrers nicht in Deutschland liegt, gibt’s keinen Punkt in Flensburg. Dafür muss der Trucker die 130 Euro sofort entrichten. Viel Geld, besonders für oft schlecht bezahlte osteuropäische Fahrer. Doch die meisten zeigen sich einsichtig. Oft reicht schon der Hinweis auf das Beweisvideo.

Im Tagesverlauf sinkt die Kontrollquote

Das alles treiben Trucker hinterm Steuer
Die meisten überführten Trucker zeigen sich einsichtig, vor allem wegen des Beweisvideos.
Bild: AUTO BILD
Als nächstes erwischt es den Fahrer eines Autotransporters aus Litauen. Der Mann zeigt sich reumütig und erklärt in gebrochenem Deutsch, dass er im Handy kurz nach einer Tankstelle in der Nähe suchen wollte, weil sein Navi nichts hergab. Fünf bis acht Schwerverkehrszüge werden pro Einsatz auf diese Weise kontrolliert, morgens die meisten. Im Laufe des Tages sinkt die Quote. Wahrscheinlich warnen sich die Fahrer untereinander. Macht nichts. Die Aktion soll schließlich keine Schikane, sondern eine Sicherheitsmaßnahme sein, um Schlimmeres zu verhindern. Um die Arbeit der Lkw-Polizei letztendlich überflüssig zu machen.
Weitere Themen: Lkw-Navis im Vergleich

Von

Sabine Franz